Lucio Fulci! Der Kultregisseur berüchtigter Horror-Klassiker, die größtenteils geschnitten oder beschlagnahmt worden sind, war auch im Western-Segment aktiv und drehte da solide und eher harmlose Streifen wie zB Jack Londons WOLFSBLUT (1973) oder SILBERSATTEL (1978). VERDAMMT ZU LEBEN wurde allerdings deutlich ruppiger und war damals nur geschnitten auf dem deutschen Markt zu haben. Diese Edition ist jedoch uncut erschienen. Es stellt sich die Frage, ob und in welcher Qualität der Altmeister des spritzenden Gedärms hier zu seiner speziellen Art der Gewaltdarstellung greift. Und was taugt der Streifen als Western?

Originaltitel: I quattro dell’apocalisse

Regie: Lucio Fulci

Darsteller: Fabio Testi, Lynne Frederick, Michael J. Pollard, Harry Baird, Adolfo Lastretti

Artikel von Kai Kinnert

Man kann es drehen und wenden wie man will. Lucio Fulci ist trotz der Schlichtheit seiner Themen kein untalentierter Regisseur gewesen. Seine spezielle Art der Darstellung von Thrill, Blut und Gedärm lebt sehr vom Charme der 70er und funktioniert auch nur in diesem Rahmen. Aus heutiger Sicht ist jede Folge von ASH VS EVIL DEAD (2015) 20mal blutiger und effektlastiger als die Filme Fulcis, besitzen aber nicht das sleazige Element der damaligen Zeit. Damals waren die Grobheiten wirklich schockierend und in der Länge ihrer Präsentation neu, heute ist der Zuschauer abgestumpft durch die Masse an glatten Effekten, die kaum noch Handarbeit sind und Gewalt als lustigen Dauerzustand zelebrieren. Lucio Fulci drehte also in einer anderen Zeit mit anderen, analogen Mitteln seine eskalierende Zuspitzung des gerade anliegenden Genres und ließ es dann ordentlich krachen. Solange er noch Geld für seine Produktionen bekam und bei klarem Verstand war, konnte Fulci seinen charmanten, filmischen Nihilismus atmosphärisch gut umzusetzen. Man kann auch sagen, dass die Filme von damals die Sache ernster nahmen, als die Streifen von heute, die oftmals nur noch Oberflächen variieren und Brutalität gänzlich zum Selbstzweck kommerzialisiert haben.

In der Welle des italienischen Horrorfilms spielte Fulci eine gewichtige Rolle und seine Filme erfreuen sich heute noch großer Beliebtheit. Selbst Werner Herzog hatte sich mal in einem Interview als Fan von Lucio Fulci geoutet. VERDAMMT ZU LEBEN – VERDAMMT ZU STERBEN erzählt nun im Rahmen eines Westerns von den vier apokalyptischen Reitern in Form von Stubby (Fabio Testi), Bunny (Lynne Frederick), Clem (Michael J. Pollard) und Bud (Harry Baird), die zusammen aus einem Gefängnis in einer Stadt fliehen und in der Wüste auf den Outlaw Chaco (Tomas Milian) treffen, der sich als gnadenloser Sadist herausstellt. Chaco setzt die vier unter Drogen und lässt sie hilflos zurück. Stubby schwört blutige Rache und sie machen sich an die Verfolgung.

Dieser Dämmerungswestern, basierend auf einer Serie von Erzählungen von Francis Bret Harte, erzählt die Geschichte von der Reise dieser vier Verlierer in den Tod und die Erlebnisse, die sie auf diesem Weg haben und hat eigentlich keine Struktur. Fast so wie Fulcis schöner Film DIE GEISTERSTADT DER ZOMBIES (1981), dessen Atmosphäre er hier angefangen von den Szenen des nächtlichen Massakers, in denen die „guten Bürger“ Ku-Klux-Klan-ähnlich die Stadt säuberen, bis hin zum kannibalistischen Butt, der mit den Toten spricht, vorweg nimmt. Fulci beginnt in den ersten 8 Minuten des Films blutig und gibt sich dabei filmisch aufwendig. Effektreiche Schusswechsel sind im Italo-Western nicht weit verbreitet, doch Fulci lässt die Blutbeutel platzen. Ob von vorne oder von hinten, der Mob ballert im damaligen Stil große Löcher in fliehende Ganoven und nimmt so schon mal den späteren SYNDIKAT DES GRAUENS (1980) vorweg. Wenn die Truppe später auf Tomas Milian trifft, findet auch noch eine böse Variante des Hippie-Films Einzug in den Streifen und der Western gerät auf seinem Trip zur endgültigen Form.

Eine originell Kamera liefert aufwendige Bilder und die Musik rahmt den Weg in den Tod mit passender Musik von Fabio Frizzi. Der Streifen ist voll von einer metaphysischen, zeitlosen Atmosphäre, in der sich brutale Szenen mit lyrischen Momenten abwechseln und so viele Szenen seiner späteren Horrorfilme vorweg nimmt. Doch Fulci macht VERDAMMT ZU LEBEN – VERDAMMT ZU STERBEN zu keiner dummen Nummer und schwingt sich über seinen doppelten, lyrischen Boden zu durchaus intelligenten Finessen auf. Als im letzten Drittel des Film der Winter gekommen ist und Bunny zwar stirbt, sie aber noch ihr Kind in einer Stadt ohne Frauen zur Welt bringt, läßt sich Fulci überrascht viel Zeit die Geburt des Kindes als Hoffnung für Verzweifelte zu inszenieren. Und auch das Finale des Films überrascht angenehm.

VERDAMMT ZU LEBEN – VERDAMMT ZU STERBEN ist in der Tat ein ungewöhnlicher Klassiker des Italo-Westerns und zugleich ein schönes Beispiel für gutes Kino der 70er, mit passendem Soundtrack. Etliche Effekte und Situationen seiner späteren Filme wurden hier schon stimmig inszeniert und tragen Fulcis deutliche Handschrift. Die Kamera ist hervorragend und die Atmosphäre funktioniert auch heute noch. Altmeister Lucio Fulci befindet sich in filmischer Bestform. Der Film gehört zur Oberklasse im Genre und passt somit in jede Italo-Western-Sammlung.

Das Bild der BD ist gut und in schönen analogen Farben. Der Film ist uncut und fehlende Passagen wurden Untertitelt. Es gibt eine Menge Extras, uA einen Audikommentar von Oliver Nöding und Pelle Felsch, ein Interview mit Fabio Frizzi, Trailer, der deutsche Kinoanfang, den Anfang und das Ende des Films ohne Credits, Werbematerial und Infos zu dem Film von Tenebrarum.

Trailer:

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