„Das fleischgewordene Video“ ließ mich im Alter von gerade einmal dreizehn Jahren bei der Erstsichtung recht ratlos zurück. Okay, der Film hatte coole Effekte und Blondie fand ich als pickeliger Teenager auch schon ziemlich geil, aber so recht verstanden hatte ich eigentlich nüscht. Jetzt bin ich 43 und VIDEODROME gehört längst zu meinen Lieblingsfilmen. Ob dies an meiner Dauerbehandlung bei Doktor O´Blivion liegt und was die neue Veröffentlichung von Koch Films taugt, lest Ihr im Artikel.

Regie: David Cronenberg

Darsteller: James Woods, Deborah Harry, Jack Creley, Sonja Smits

Artikel von Christian Jürs

Channel 83 Civic-TV Boss Max Renn (James Woods) ist ein egomanisches Arschloch. Er serviert seinem Publikum eine Mischung aus Softpornographie und Gewalt und eckt damit selbstverständlich an. Bei einem TV-Interview trifft er erstmals auf die Radiomoderatorin Nicki Brand (Deborah „Debbie“ Harry), die nach außen hin ein Gutmensch ist der Telefonseelsorge im Radio betreibt. Doch die Schönheit im roten Kleid hat es faustdick hinter den Ohren. Noch während des Interviews, an dem auch Doktor O´Blivion (Jack Creley) teilnimmt – per TV Monitor, verabreden sich Max und Nicki. Hierbei offenbart sie ihren Hang zu Pornos und Schmerzen beim Sex.

Apropos Schmerzen: Der Civic-TV-Techniker Harlan (Peter Dvorsky) zeigt Max seine neueste Entdeckung. Folterfilmchen, die aus Pittsburgh zu stammen scheinen und jeden, der sich die Videos anschaut, in ihren Bann zieht. Nicki ist dermaßen fasziniert, dass sie sich freiwillig für Aufnahmen zur Verfügung stellt, während Max von immer wilderen Wahnvorstellungen heimgesucht wird…

„Das Fernsehen dient als zweite Netzhaut“ offenbart uns Doktor O´Blivion (welch ein Name). Eine Medienkritik (und Satire), die heute aktueller denn je ist. Denn was damals VHS-Bänder waren, sind heute Apps wie YouTube, Netflix oder (im extremeren Falle) X-Hamster und Co. Der Mensch kann nicht mehr ohne seine Medien. Selbst Schulkinder hängen heutzutage dauernd vor dem Smartphone. Davon wusste Cronenberg anno ´83 freilich noch nichts, was seinen Film quasi visionär macht.

David Cronenbergs VIDEODROME ist ein wahres Meisterwerk aus seiner „Bodyhorror“-Phase, der auf so vielen Ebenen funktioniert. Natürlich kann man ihn als einfachen Horrorfilm betrachten, doch birgt der Film so viel mehr, was es zu erkunden und interpretieren gibt. Was man darin sieht, bleibt dem Publikum selbst überlassen. Ich glaube zumindest zu wissen, was uns Cronenberg hier sagen wollte. Hundertprozentig sicher bin ich allerdings nicht, da ich mit jeder Neusichtung immer tiefer in die Cronenbergsche Wundertüte greifen durfte. Ein Film, der mit dem Zuschauer reift.

Neben Cronenbergs genialem Drehbuch und seiner Regie, sind es die fantastischen Darsteller, die diesen Film tragen. Allen voran natürlich James Woods und BLONDIE Sängerin Debbie Harry als Femme Fatale. Aber auch die tollen, handgemachten Effekte von Leuten wie Rick Baker und Steve Johnson, die Musik von Howard Shore,… alles ergibt ein „harmonisches“ Ganzes.

Ein harmonisches Ganzes ergibt auch die SPECIAL EDITION von Koch Films. Neben einem originellem Hauptcover, welches Motive aus dem Film aufgreift, offenbart sich die gesamte Pracht erst mit dem inneren Schuber. Neben einem liebevollen Design finden wir den Hauptfilm auf Blu-ray und DVD, selbstredend wahlweise in der Kinofassung und dem Directors Cut. Außerdem gibt es noch eine Bonus-DVD und ein Booklet, geschrieben von Christoph Huber und Stefan Jung. Im Bonusbereich gibt es zahlreiche Extras, wie zum Beispiel den Kurzfilm CAMERA und die 80 minütige Dokumentation CRONENBERG ÜBER CRONENBERG. Aber noch weitere Featurettes, Trailer und vieles mehr gibt es zu entdecken. Also greift zu und schaut, bis auch Ihr zum fleischgewordenen Video werdet.

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