Johnny To gehört(e) zu den wichtigsten und stilsicheren Regisseuren des modernen Hong Kong Kinos, der eine Reihe von coolen und zugleich lyrisch durchdachten Gangsterfilmen drehte. Mit einer tollen Kamera und Lichtsetzung wurden die Fressen seiner Stammdarsteller und die Action minimalistisch, und doch zugleich aufwendig gekonnt in Szene gesetzt. Ein bischen Arthouse trifft auf eine elegische Crime-Story und fertig war der nächste Beitrag für die Filmfestivals dieser Welt. Und wer das Glück hatte, die Hoch-Zeit des Hong Kong Kinos in Massen auf VHS und Video CD sichten zu dürfen, weiß, dass Johnny To oft ein Garant für filmische Qualität war und so John Woo zum künstlerischen Dilettanten degradierte. Doch Johnny To strauchelte auch oft genug in seiner Karriere und inszenierte dabei eine Reihe von dusseligen Komödien, so dass man nicht automatisch davon ausgehen kann, dass der Gangsterfilm EXILED sich schadlos verhält. Wir haben das neue Koch Films Mediabook geprüft.

Originaltitel: Fong juk

Regie: Johnny To

Darsteller: Anthony Wong, Francis Ng, Nick Cheung, Josie Ho, Roy Cheung, Lam Suet, Simon Yam

Artikel von Kai Kinnert

Fünf Kindheitsfreunde wurden gemeinsam zu Gangstern, doch nun – 1988 in Macao – stehen sie auf verschiedenen Seiten des Kugelhagels: Blaze (Anthony Wong) und Fat (Lam Suet) sollen den Aussteiger Wu (Nick Cheung) töten, Tai (Francis Ng) und Cat (Roy Cheung) hingegen bekommen Wind davon und wollen die Tat verhindern. Doch die die alten Freundschaftsbande zu zerschneiden, ist nicht so einfach. Nach einer ersten Schießerei rauft sich das Quintett zusammen, um vor der finalen Konfrontation die Versorgung von Wus Familie sicherzustellen. Leichter gesagt als getan, wenn der dafür notwendige Mordauftrag die Liquidierung eines großen Gangsterbosses vorsieht.

Das ist typisch Hong Kong. Als die fünf Freunde zu Anfang des Films in der kargen Wohnung einer Frau mit Kind landen, kommt es zu einer Schießerei zwischen Freunden. Immerhin sind sie auch Gangster und haben alle so ihren Auftrag. Im unaufgeregten und doch detaillierten Stil Johnny Tos ballert man in der Wohnung herum, nur um sich dann auf die Freundschaft zu besinnen und das Gespräch miteinander zu suchen. Und weil die Frau alleinerziehend mit einem Baby ist, zieht die Truppe bei ihr ein und renoviert die Schäden, die durch ihren Schusswechsel entstanden sind.

Schweigen, warten und abdrücken. Getragen von der inneren, symbolisch übersteigerten Logik einer tragisch ausgelieferten Freundschaft, sind viele Gangsterfilme Johnny Tos malerisch zugespitzte Fantasien, die sich nur durch die Kunst der Stimmung und die Dynamik seiner Actionssequenzen greifbar als geschlossenes Werk erfassen lassen. Er ist so etwas wie der Märchenonkel des Gangsterfilms, der die alten Mechanismen des Hong Kong Kinos gekonnt in neue Gewänder verpacken konnte. Denn das große filmische Glück ist, dass Mr. To ein Händchen für die Inszenierung des Raumes hat und stets mit guten Kameramännern zusammen arbeitete. Statt die Action in seinen Filmen knallhart und kompakt im Stile eines Michael Mann oder eines John Woos zu halten, zerdehnt Johnny To die Abläufe, in dem er das Abwarten und Stillstehen, die Entscheidung zur plötzlichen Bewegung, das Abdrücken und die Wucht der Projektile zeitlich ihren eigenen Raum gab. So entstand eine neue Art der Dynamik, die sich in ihrer optischen Epik eher am Italo-Western und anderem europäischen Kino orientierte und so Klassiker wie RUNNING OUT OF TIME (1999), PTU (2003), THROW DOWN (2004) oder ELECTION 1+2 (2005/6) ablieferte.

EXILED ist optisch stark inszeniert. Johnny To braucht das gesamte Bild um alles zu platzieren. Personen und Gegenstände, Vorder- und Hintergrund – alles ist klar betont und hebt sich ab. Licht und Schatten, Farben und Kamerafahrten, Winkel und Weiten, hier tobt der Bär. Dazu kommt noch die Tragik der Freundschaft, die unweigerlich im Tod münden wird. Für seine Besetzung greift Johnny To gerne auf bestimmte Schauspieler zurück, die einfach wie die Faust aufs Auge in seine Filme passen. So auch in EXILED. Mit Anthony Wong und Simon Yam, sowie Francis Ng, Nick Cheung und Suet Lam schafft es der Film auch durch den Rest der Handlung, die träumerisch und eher zart-lakonisch erzählt wird und so die Schauspieler an nur wenigen Stellen zum Overacting reizt. Der Film besitzt zwei lange Shoot-Outs, die Johnny To mit seinem eigenen Stil malerisch gekonnt und blutig in Szene setzt, wobei das Blut hier aufstaubendes rotes Pulver ist, was bestens zur Bildgestaltung passt. In der Mitte des Films gibt es eine erstklassige Hinterhof-Schießerei mit langen Einstellungen und zum Ende hin erfüllt Mr. To sein Versprechen und kondensiert das Italo-Western-Heroic-Bloodshed-Kino in elegante Filmminuten, die einem Plagiator wie Quentin Tarantino für immer den Schweiß auf die Stirn treiben sollten.

EXILED ist bis heute ein guter Actionfilm aus Hong Kong geblieben. Das liegt jetzt nicht an der Brutalität oder langem Geballer, sondern an der Qualität und der zeitlosen Art seiner Inszenierung. Nichts scheint hier einer modernen Strömung zu unterliegen, kein Trend, keine Popmusik – nur eine Red Bull Dose, die deutlich im Bild liegt. Das macht den Streifen zu einem entspannten Zwischenspiel mit gekonnten Spitzen und einem gelungenem Finale. EXILED ist gutes Kino aus der Hand eines fähigen Regisseurs.

Als Extras gibt es Interviews, ein Making Of, Mini Featurettes, Teaser, Trailer, Behind The Scenes und eine Bildergalerie. Das Bild der BD ist satt und tief in Licht und Farben, die Kameraarbeit kommt hier prächtig zur Geltung. Der Ton ist gut.

Trailer:

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