Mehr als fünf Millionen Zuschauer strömten letztes Jahr in die Kinos, um sich den neuen Film von FACK JU GÖHTE-Regisseur Bora Dagtekin anzusehen. Das verwundert niemanden, wartet die Erfolgskomödie nicht nur mit einer Story auf, die schon mehrmals blendend funktioniert hat, sondern auch mit den derzeit beliebtesten Schauspielern der deutschen Kinolandschaft. Constantin Film hat DAS PERFEKTE GEHEIMNIS (2019) nun etwas früher als geplant im Heimkino veröffentlicht. Ein Grund, dem Publikums-Hit mal etwas genauer auf den Zahn zu fühlen.

Drehbuch: Bora Dagtekin; basierend auf dem Original-Skript von Paolo Genovese, Paolo Costella, Rolando Ravello, Paola Mammini & Filippo Bologna
Regie: Bora Dagtekin

Darsteller: Elyas M’Barek, Karoline Herfurth, Jessica Schwarz, Wotan Wilke Möhring, Florian David Fitz, Frederick Lau, Jella Haase…

Artikel von Christopher Feldmann

Smartphones gehören mittlerweile so fest zu unserem Alltag wie die Lebensmittelaufnahme. Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass unser ganzes Leben im eigenen Handy zu finden ist. Egal ob Social-Media, WhatsApp, Mail-Postfach, Online-Banking oder selbst die persönliche EC-Karte, das Handy ist der stetige Begleiter in allen Lebenslagen und birgt bei vielen Menschen auch so manche Geheimnisse, die nicht für andere Augen bestimmt sind, nicht mal für den eigenen Partner oder die eigene Partnerin. Diesen Umstand machten sich findige italienische Autoren zu Nutze, um eine Geschichte zu entwickeln, die mit der Digitalisierung des eigenen Lebens und dessen Geheimnissen hart ins Gericht geht. In Italien avancierte PERFETTI SCONOSCIUTI (2016) zum Mega-Hit, was dafür sorgte, dass zahlreiche Remakes in anderen Ländern gedreht wurden. Über zehn Stück sind es mittlerweile an der Zahl und die deutsche Variante kam just dazu. Auch DAS PERFEKTE GEHEIMNIS (2019) hält sich recht eng an die Vorlage, geht jedoch an bestimmt Stellen eigene Wege, was der deutlich mehr auf Komödie getrimmten Verfilmung letztendlich zum Verhängnis wird.

Handlung:
Es sollte ein schöner, geselliger Abend werden. Das Ehepaar Rocco (Wotan Wilke Möhring) und Eva (Jessica Schwarz) hat die engsten Freunde zum gemütlichen Abendessen während der Mondfinsternis eingeladen. Während Taxifahrer und Draufgänger Simon (Frederick Lau) mit seiner Verlobten Bianca (Jella Haase) eintrifft und scheinbar im siebten Himmel schwebt, sieht die Lage bei Leo (Elyas M’Barek) und seiner Frau Carlotta (Karoline Herfurth) schon etwas anders aus. Während sie ganz emanzipiert die Brötchen verdient und sich nicht mit einem konservativen Frauenbild zufrieden geben will, befindet er sich in Elternzeit und kümmert sich um Kinder und Haushalt, was zu gewissen Anspannungen in der Beziehung führt. Der Letzte im Bunde ist Pepe (Florian David Fitz), der alleine zum Pärchenabend erscheint, mit der Ausrede, seine neue Freundin sei krank. Als eine Diskussion zum Thema „Ehrlichkeit“ entflammt und jeder beteuert keine Geheimnisse vor dem eigenen Partner zu haben, schlägt Paartherapeutin Eva ein pikantes Spiel vor. Für die Dauer des Essens legen alle Anwesenden ihre Smartphones auf den Tisch, eintreffende WhatsApp-Nachrichten und E-Mails müssen laut vorgelesen werden, eingehende Anrufe werden per Lautsprecher beantwortet. Was zunächst als verrückter Spaß anmutet, schlägt bald in bitteren Ernst um, als doch so manche Geheimnisse ans Tageslicht kommen.

Bei den zahlreichen Verfilmungen des Stoffes, der ganz und gar von seinem Konzept lebt, ist es schwer, den Zuschauern irgendetwas Neues zu bieten. Auch DAS PERFEKTE GEHEIMNIS hält sich eng an die italienische Vorlage, auch wenn sich Bora Dagtekin tonal eher an der französischen Version orientiert (übrigens auf Netflix verfügbar). Im Gegensatz zum Ur-Film, ist diese wesentlich mehr auf die komödiantischen Elemente fokussiert. So wurden auch für die deutsche Fassung einige Gags übernommen, die vorher lediglich bei den Franzosen zu finden waren. Sei es der immer wieder aufkommende Witz über Roccos mangelnde Kochkünste oder die Tatsache, dass Leo die Frauenrolle in seiner familiären Beziehung übernommen hat. Dies ist in der italienischen Version nicht zu finden, da man sich dort mehr auf die gesellschaftskritischen und beziehungstechnischen Aspekte konzentriert. In Deutschland setzt man sehr stark auf Screwball-Comedy, was bei der Besetzung und dem Regisseur nicht verwundert. Die Deutschen mögen es eben locker, leicht und lustig.

Hier kann man dem Drehbuch, aufgrund der 80% Inhaltsgleichheit, keinen Vorwurf machen. Die Gags sitzen größtenteils gut und das Ensemble hat sichtlich Spaß an der ganzen Nummer. Generell hatten die Macher Glück, auf wirklich gutes Ausgangsmaterial zurückgreifen zu können, denn Albernheiten bleiben uns weitestgehend erspart und der kritische Ton über Ehrlichkeit in der Beziehung ist weiterhin vorhanden. Das sorgt für launige Unterhaltung, die die Schauspieler sehr gut transportieren können. Durch die Bank spielen alle Beteiligten gut, besonders Wotan Wilke Möhring, als auch Jessica Schwarz und Florian David Fitz stechen positiv hervor. Alle drei haben wirklich gute Einzelmomente und Möhrings Telefongespräch mit der Filmtochter hat sogar eine emotionale Wucht. Die restlichen Darsteller spielen ebenfalls gekonnt auf, auch wenn M’Barek, Lau und Haase bewehrte Nummern zum Besten geben und sich nicht aus dem Fenster lehnen müssen.

Für deutsche Verhältnisse ist das absolut in Ordnung, auch wenn die französische Fassung etwas natürlicher wirkt, was vor allem daran liegt, dass man die Schauspieler hierzulande nicht kennt. Das gibt dem Ganzen etwas realistisches. Hier setzt man eben auf etablierte Stars, die die Zuschauer ins Kino ziehen. Allerdings unterscheidet sich DAS PERFEKTE GEHEIMNIS in einer ganz bestimmten Sache von seinen Vorgängern, was dem Film am Ende das Genick bricht.

Achtung: SPOILER!
Für die deutsche Fassung entschied man sich dazu, ein anderes Ende zu wählen, welches sich grundlegend von den bisherigen Verfilmungen unterscheidet. Sowohl in Italien als auch in Frankreich, stellt sich heraus, dass die Ereignisse niemals passiert sind (in Frankreich sorgt die Mondfinsternis dafür, dass die Ereignisse quasi wieder auf Null gesetzt werden). Alles, was an jenem Abend offenbart wird, bleibt für die Charaktere weiterhin geheim. Das lässt Raum für Interpretation zu, haben doch einige echten Bockmist gebaut. Es sind Enden, die den Zuschauer kalt erwischen und vor die Frage stellen, ob man mit derartigen Lügen einfach so weiterleben könnte. Das ist natürlich nicht sonderlich erbaulich für die deutschen Zuschauer, die brauchen nämlich das gute, alte Happy End, um mit einem guten Gefühl den Kinosaal zu verlassen. Was Regisseur und Autor Dagtekin hier allerdings aus dem Hut gezaubert hat, sorgte dafür, dass mir das Abendessen wieder hoch kam. Nicht nur erweist sich der Film im Nachgang als durchaus homophob und frauenfeindlich, sondern tritt den emotionalen Impact der Geschichte mit Füßen, einzig und allein für den schnellen Gag. Gewisse Personen entpuppen sich als homophobe Arschlöcher mit verachtenswerten Ansichten, was am Ende trotzdem okay ist. Solange man nämlich Arschlöcher, die noch homophober sind, einfach krankenhausreif prügelt, darf man dann auch wieder ein paar Witze über Schwule machen und alle haben sich wieder lieb. Andere Figuren setzen ein Statement zum Thema Emanzipation der Frau, werden aber letztendlich wieder in die konservative Rolle zurückgesteckt, weil es doch besser ist, wenn der Mann arbeiten geht und die Frau auf dem Kinderspielplatz Apfelspalten verteilt. Die einzige Figur, die im Film Kante zeigt, die nicht ihren Partner hintergeht und zudem aufrichtig und ehrlich anderen gegenüber ist, geht irgendwann einfach aus der Tür und taucht auch nie wieder auf. Alle Arschlochfiguren dürfen ein „lustiges“ Happy End haben, während die einzige anständige Figur weggeworfen wird, verdrehte Welt. Den Vogel schießt der Film aber mit der letzten Szene ab. Die Person, die die emotional besten Dialoge führt und an die Ehe appelliert, ist genau so ein mieser Drecksack wie seine Freunde. Der hat nämlich ein zweites Handy, über das er mit seiner Affäre kommuniziert. Die Quintessenz des Films: Ehrlichkeit bedeutet einen Dreck und man kann den Partner ruhig betrügen, man darf sich einfach nicht erwischen lassen. Das Ganze verpackt in eine ach so witzige Schlusseinstellung. Somit wird die Geschichte vollständig ad absurdum geführt, der emotionale Kern geht verloren und man selbst fühlt sich einfach irgendwie angewidert. Typisch Deutsch eben!

Inszenatorisch kann man dem Film nicht viel vorwerfen. DAS PERFEKTE GEHEIMNIS sieht gut und hochwertig aus und lebt von seinem kammerspielartigen Flair, was zeitweise an DER GOTT DES GEMETZELS (2011) erinnert. Allerdings ist der Look des Films wesentlich glatter als in der Ur-Version. Statt in einer normalen Wohnung wie sie jeder haben könnte, sehen die deutschen Räumlichkeiten nach Designer-Loft mit Hochglanz-Optik aus. Das raubt dem Ganzen weiter den natürlichen Charme aber das war in Frankreich auch schon der Fall. Auch das Timing stimmt, die Kamera ist gut und Dagtekin weiß, wie er seine Darsteller in Szene zu setzten hat.

Constantin Film hat den Kino-Hit just auf Blu-Ray und DVD veröffentlicht, ebenso als Video on Demand. Die Scheibe punktet mit viel Bonusmaterial, denn neben dem Trailer und einigen Outtakes, bekommt der Konsument noch verlängerte Szenen, Behind-the-Scenes-Material, Interviews und einen Audiokommentar mit Florian David Fitz und Elyas M’Barek.

Fazit:
Die vielfach verfilmte Geschichte um pikante Enthüllungen am Esstisch funktioniert über weite Strecken auch in Deutschland. Hier tummelt sich das Who-is-Who des derzeitigen Mainstream-Kinos, was durchaus für einige nette Lacher und gut gespielte Einzelmomente sorgt. Eigentlich wäre DAS PERFEKTE GEHEIMNIS eine ordentliche Adaption, würde das grottenschlechte, bedenkliche und verachtenswerte Ende dem eigentlichen emotionalen und gesellschaftskritischen Kern nicht mit Anlauf in die Fresse schlagen. Aber egal, Hauptsache noch ein schneller Gag, damit der durchschnittliche FACK JU GÖHTE-Fan noch etwas zu lachen hat. Auch wenn hier Qualitäten vorhanden sind, ist man mit der französischen Variante, die ebenfalls auf Comedy-Elemente setzt, weitaus besser beraten, diese hat wenigstens noch einen Funken Anstand!

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