Vorbei sind die Zeiten, in denen man mit der heimischen Brut Weichspülspiele wie LOTTI KAROTTI oder DAS NILPFERD IN DER ACHTERBAHN spielen musste. Denn jetzt hat es das verlässliche Gesellschaftsspiele-Unternehmen RAVENSBURGER geschafft, ein Spiel auf den Markt zu bringen, in dem herrlich politisch unkorrekt Badegäste gefressen werden können. Helikoptereltern werden Amok laufen, während Filmnerds sich die Hände reiben, da der erste Blockbuster der Filmgeschichte endlich, nach 45 Jahren, zum Gesellschaftsspiel wurde. Die Frage die sich allerdings stellt ist, ob das Spiel das Prädikat Hop oder Top verdient hat. Wir haben es deshalb für Euch einmal angetestet.
Hand hoch, wer kennt sie nicht? Die Geschichte vom großen, weißen Hai, der am Strand von Amity Island eine Reihe von Badegästen verputzt, ehe sich drei mutige Männer auf die Jagd nach dem Ungetüm machen. Sollte es tatsächlich jemanden da draußen geben, der dieses Meisterwerk des damals noch jungen Regisseurs Steven Spielberg nicht gesehen hat? Wenn ja, dann bekommt diese Person hiermit umgehend die Hausaufgabe, diese Bildungslücke zu schließen, oder zumindest als Appetitanreger meine ausführliche Rezi zum Kultfilm zu lesen (einfach auf das Bild klicken).
Tatsächlich empfiehlt es sich auch für Kenner, den Film vorab nochmals aufzufrischen, denn damit wird der Spielspaß noch deutlich erhöht. Nicht nur, dass das Brettspiel, ebenso wie der Film, in zwei Akte eingeteilt wurde, es lassen sich überall kleine Eastereggs entdecken. Sei es auf den Ereigniskarten, auf denen Szenenbilder und Zitate abgedruckt wurden, oder gar auf dem Spielplan selbst. So kann man auf der Orca sogar Hoopers Solitairkartenspiel auf der Fahrerkanzel entdecken und auch der ein oder andere Schwimmer, den der Hai zu fressen versucht, kommt einem seltsam bekannt vor („Tippet komm her. Tippet!“).
Vor Spielbeginn müssen sich die Mitspieler entscheiden, wer den Hai verkörpert und wer in die Rollen von Brody, Hooper und Quint schlüpft. Idealerweise spielt man also zu viert. Sollten nur zwei oder drei Teilnehmer dabei sein, so müssen die Spieler ggf. mehrere Heldenrollen übernehmen. Dies ist wichtig, denn vor allem in der ersten Spielhälfte haben diese höchst unterschiedliche Eigenschaften, die sich gegenseitig ergänzen auf der Jagd nach dem großen Weißen.
Das Spielbrett ist doppelseitig bedruckt. Akt 1 spielt auf Amity Island. Während der Hai, ähnlich wie Mr. X im ebenfalls von Ravensburger erschienenen Brettspielklassiker Scotland Yard, im Verborgenen agiert und hier wie dort über die Möglichkeit, geheime Spielzüge auszuführen verfügt, gestalten sich die Heldenfiguren deutlich komplexer als bei der Ganovenjagd. So bleibt der wasserscheue Brody ausschließlich auf der Insel aktiv, wo er beispielsweise einzelne Strände schließen kann, um dem Hai die Nahrungsquelle zu entziehen. Er kann aber auch Fässer zum Hafen transportieren, die Quint benötigt, um den Hai aufzuspüren. Dieser bewegt sich mit seiner Orca ausschließlich auf dem Wasser, ebenso wie Hooper mit seinem Schnellboot. Es ist also echtes Teamwork angesagt, denn Hoopers Funktion liegt im Aufspüren und Fässer transportieren, während Quint diese im Wasser plazieren kann, um dem Hai das Leben schwer zu machen. Der Hai versucht derweil, möglichst viele Badegäste zu verdrücken. Je nachdem, wie erfolgreich oder -los er dabei war, gestaltet sich seine Stärke in der zweiten Spielhälfte. Kleines, fieses Detail am Rande: Frisst man Brodys Sohn, gibt´s doppelte Punkte.
Die zweite Spielhälfte handelt dann von der eigentlichen Jagd auf den Hai. Die Spieler befinden sich nun auf (oder, Falle des Hais, neben) der Orca. Dieser zweite Akt spielt sich mehr wie ein strategisches Rollenspiel. Unsere Helden müssen nun erraten, wo der Hai das Boot angreift (gezogene Spielkarten bieten jede Runde drei Möglichkeiten) und entscheiden, mit welcher Waffe sie dem Biest Schaden zufügen wollen. Der Hai hingegen muss versuchen, einzelne Bootsteile zu zerstören und die Crew damit ins Wasser fallen zu lassen, wo er sie schließlich fressen kann. Eine spannende Sache, bei der sich die „Helden“ wieder gegen den Hai verbünden müssen, um ihm genügend Schaden zuzufügen, damit er stirbt, bevor er das Boot in Stücke reisst. Dieser kann nämlich die Orca mit etwas Würfelglück nach und nach im Meer versenken und die ins Wasser gefallenen Spieler mit etwas Glück (oder Pech, je nach Ansichtssache) fressen. Auch hier kommen wieder aus dem Film bekannte Gegenstände zum Einsatz. So kann Hooper seinen Haikäfig nutzen, aber auch der Baseballschläger, das Gewehr und natürlich die Druckluftflasche warten auf ihren Einsatz.
Natürlich kann man beide Spielhälften auch unabhängig voneinander spielen, doch macht es durchaus Sinn, die komplette Geschichte am Stück zu durchkämpfen. Die auf dem Cover angegebene Spielzeit von etwa 60 Minuten ist realistisch und kommt äußerst kurzweilig und abwechslungsreich daher, auch, weil sich die beiden Akte grundlegend voneinander unterscheiden. Hinzu kommt, dass Der weisse Hai von Ravensburger mit viel Liebe gestaltet wurde. Holzfiguren, anstelle der heute beliebten Plastikteile, sowie feste, dicke Papptafeln mit toller Bebilderung runden das Bild ab. Lediglich das Spielbrett ist ein wenig klein geraten. Hier wird man definitiv keinen größeren Tisch brauchen.
Tatsächlich ist dies hier nicht das erste Spiel um den tödlichen Meeresbewohner. Computerspielfreunde werden sich mit Sicherheit noch an den PC und Playstation 2 Titel Jaws – Unleashed erinnern, der eine reine Enttäuschung war und mit dem Film so gar nichts zu tun hatte. Man spielte halt einen Hai, der Schwimmer und Angler fressen musste, mit mäßiger Grafik und null Abwechslung. Da machte das in den frühen 80ern erschienene Spiel von der Firma Arxon bedeutend mehr Spaß. Hierbei handelte es sich um einen großen Platikhai, aus dessen Bauch man mit einer Angel allerlei Gedöns wie Reifen, Stiefel, etc fischen musste, eh´ das Vieh zuschnappte. Doof, aber irgendwie spaßig.
Von mir gibt es jedenfalls eine klare Kaufempfehlung für Freunde von guten Gesellschaftsspielen. Der weisse Hai aus dem Hause Ravensburger ist erstaunlich durchdacht, abwechslungs- und temporeich und dürfte auch Filmfreunde begeistern, die sich bei den unzähligen Monopoly Varianten (u.a. The walking Dead, Harry Potter,…) langweilen. Auf der Homepage von Ravensburger wird das Spiel übrigens bereits ab 10 Jahren empfohlen. Eine gute, realistische Einschätzung. Bei uns im Haus ist das Spiel jedenfalls bei Groß und Klein super angekommen und wird mit Sicherheit noch häufig auf dem Tisch landen.