In der neusten Ausgabe unserer Wallace-Retrospektive geht es dieses Mal um mörderische Froschmänner, zwielichtige Schmuggler und verruchte Hafenkneipen. Ein großer Spaß, ist DAS GASTHAUS AN DER THEMSE (1962) doch nicht nur der erfolgreichste Kinofilm der Reihe, sondern auch einer meiner erklärten Lieblinge. Inspektor Fuchsberger, übernehmen sie!

„Hallo, hier spricht Edgar Wallace!“

Drehbuch: Harald G. Petersson, Trygve Larsen, Piet Ter Ulen
Regie: Alfred Vohrer

Darsteller: Joachim Fuchsberger, Brigitte Grothum, Elisabeth Flickenschildt, Jan Hendriks, Klaus Kinski, Siegfried Schürenberg, Richard Münch, Heinz Engelmann, Eddi Arent…

Artikel von Christopher Feldmann

Mit dem Wallace-Krimi DIE TÜR MIT DEN SIEBEN SCHLÖSSERN (1962) gelang Horst Wendlandt wieder ein großer Erfolg. Die Marke „Edgar Wallace“ war nach dem enttäuschenden Ergebnis von DAS RÄTSEL DER ROTEN ORCHIDEE (1962) wieder auf Kurs, der natürlich unbedingt beibehalten werden sollte. Schon seit einiger Zeit war man darauf aus, den Roman THE INDIA RUBBER MEN zu verfilmen, den Edgar 1929 veröffentlichte. Natürlich ein gefundenes Fressen für Wendlandt und Stammautor Egon Eis, der sich, unter seinem Pseudonym Trygve Larsen an das Schreiben einer geeigneten Adaption machte. Nur erwies sich dieses Vorhaben als schwierig, gehört der Roman in seiner Originalfassung mehreren Kritikern zu Folge nicht unbedingt zu den besten Werken des britischen Vielschreibers. Eis tat sich merklich schwer, die Story zu modernisieren und filmtauglich zu gestalten, weshalb der erste Entwurf auch nicht auf sonderlich viel Gegenliebe bei Rialto-Film stieß, weshalb DAS RÄTSEL DER ROTEN ORCHIDEE und DIE TÜR MIT DEN SIEBEN SCHLÖSSERN letztendlich vorgezogen wurden. Um DAS GASTHAUS AN DER THEMSE doch noch auf die Leinwand zu bringen, engagierte man Harald G. Petersson, der schon Heinz Draches ersten Wallace-Einsatz zufriedenstellend umschrieb. Petersson überarbeitete das Drehbuch, doch auch diese Version stellte die Produzenten rund um Wendlandt nicht vollständig zufrieden. Also lag es wieder an Egon Eis, der gemeinsam mit Gerhard F. Hummel (unter dem Pseudonym Piet ter Ulen) noch einmal Hand anlegte und dem Skript den nötigen Feinschliff gab. Die dritte Version konnte schlussendlich überzeugen und DAS GASTHAUS AN DER THEMSE konnte in Produktion gehen. Die harte Arbeit hat sich rückblickend gelohnt, denn mit dem Hafen-Krimi gelang Rialto einen der besten Wallace-Verfilmungen, was sich auch in den Zuschauerzahlen niederschlug.

Handlung:
Seit einiger Zeit versetzt der „Hai“ London in Angst und Schrecken. Der gefährliche Verbrecher tritt stets in einem Taucheranzug auf, ist für zahlreiche Diebstähle von Juwelen verantwortlich und entledigt sich unliebsamen Zeugen oder Komplizen gern mit einer Harpune. Scotland Yard steht vor einem Rätsel, gelingt es ihnen nie den „Hai“ zu fassen, da er stets über die Kanalisation in Richtung Themse entkommt. Inspektor Wade (Joachim Fuchsberger) von der Flusspolizei hat aber eine heiße Spur, nämlich die verruchte Hafenkneipe „Mekka“, die unweit des Ortes liegt, an dem der „Hai“ sein letztes Opfer forderte, nämlich einen Whiskyschmuggler. Die Wirtin jenes Etablissements, Nelly Oaks (Elisabeth Flickenschildt), scheint ihm dabei ebenso halbseiden zu sein, wie ihr ominöser Mieter Gubanov (Klaus Kinski). Einzig Nellys schöne Nichte Leila (Brigitte Grothum) scheint mehr wiederwillig in der Kneipe zu schuften. Langsam aber sicher kommt Wade einem gefährlichen Schmugglerring auf die Fersen und die Spur zum mörderischen Chef scheint heißer denn je zu sein.

DAS GASTHAUS AN DER THEMSE (1962) kann als Abschluss einer Ära verstanden werden. Es war der letzte Film, bei dem Egon Eis aktiv als Autor beteiligt war. Zwar steuerte Eis noch Ideen und Treatments für folgende Projekte bei, jedoch fanden seine Einflüsse kaum noch Verwendung. Er war dafür bekannt, sich möglichst eng an den Romanen zu orientieren, diese zwar zu modernisieren aber den Kern der Vorlage beizubehalten. Mit dem Ende dieser Phase wurde es mehr und mehr zum Trend, eigene Geschichten zu entwickeln, die lediglich auf einzelnen Motiven der Ursprungs-Romane basieren. Eis‘ letzte Arbeit kann als äußerst gelungen bezeichnet werden und enthält alle Elemente, die man von einem klassischen Wallace-Krimi erwartet. Einzig das Motiv der Erbschleicherei zeigt hier ordentliche Abnutzungserscheinungen. Gefühlt steht in jedem zweiten Film der Reihe eine Dame im Mittelpunkt, die ein großes Erbe erwartet, davon aber nichts weiß und deshalb von ruchlosen Verbrechern darum gebracht werden soll. Dies hat man bis zu diesem Zeitpunkt schon in mehreren Krimis gesehen und ist somit auch nicht mehr wirklich überraschend. Ansonsten haben Eis und die gelisteten Co-Autoren ganze Arbeit geleistet und mit dem „Hai“ einen passenden Antagonisten gefunden, den es in der Vorlage nicht gibt und für das berühmte Whodunit-Element sorgt. Der Handlungsfluss ist ebenfalls gelungen, denn die Geschichte ist schön kurzweilig und lässt den Zuschauer gekonnt miträtseln.

Auch meine Wenigkeit war in jungen Jahren ganz verzückt von DAS GASTHAUS AN DER THEMSE. Auch heute zählt der Krimi für mich zu den besten Beiträgen der Reihe und das Wiedersehen war eine große Freude. Ich kann mich noch gut an die Erstsichtung im TV erinnern, bei der ich der Auflösung entgegen fieberte. Leider habe ich diese verpasst, da ich bei der letzten Werbeunterbrechung auf dem Klo und somit das Ende verpasst habe. Gut, dass ich die Ausstrahlung noch mit dem VHS-Rekorder meiner Großeltern aufgezeichnet habe und am nächsten Morgen die letzten Minuten nachgeholt habe.

Für die Regie war auch dieses Mal wieder Alfred Vohrer verantwortlich. Nachdem der einarmige, ehemalige Synchronregisseur mit DIE TOTEN AUGEN VON LONDON (1961) und DIE TÜR MIT DEN SIEBEN SCHLÖSSERN (1962) bereits zwei echte Hits der Reihe inszenierte, lag es nahe, den versierten Filmemacher auch für weitere Projekte zu verpflichten. Vohrers Gespür für Stil und Spannung kam auch hier wieder zum tragen. Ich behaupte, dass niemand anderes in der Lage, verqualmte Hafenkaschemmen so effektiv in Szene zu setzen wie Vohrer. Er brachte den nötigen Pulp ins Spiel und nahm die Elemente aus den, wenn auch nicht schlechten aber etwas reservierten, Arbeiten von Harald Reinl oder Jürgen Roland und drückte ihnen den nötigen Genre-Stempel auf. Vohrer gelang es spielend, die Morde des Täters effektvoll in Szene zu setzen und für die nötige Atmosphäre und den dezenten 60er-Jahre-Grusel zu sorgen. Ein Rezept, dass sich bewehren konnte, weshalb es durchaus Sinn ergab, dass der gute Freddy zum Haus und Hof-Regisseur bei Rialto-Film avancierte. Aber auch den Besten passieren mal kleine Schnitzer, besonders bei kostengünstigen Produktionen wie die der Edgar-Wallace-Filme. So sitzt schon der Schmuggler zu Beginn des Films falsch herum im Boot, welches dann auch noch einen gewaltigen Satz nach vorne macht, obwohl nicht einmal gerudert wird. Ebenso sind kleine Auffälligkeiten zu erblicken, wie zum Beispiel ein Tankschiff der „Esso Blankenese“ (Blankenese ist ein Stadtteil Hamburgs). Es ist ganz witzig, solche kleinen Fehler zu entdecken, machen diese doch erst den unnachahmlichen Charme der Filme aus.

DAS GASTHAUS AN DER THEMSE hat gleich mehrere Szenen, die im Kopf hängen bleiben. Seien es die Morde an Ganove Roger Lane und der dauerknüllen Anne Fuller, der Unterwasserkampf unter dem Schiff, die letzte Verfolgungsjagd durch die Abwasserkanäle oder die betörende Gesangseinlage von Kneipen-Wirtin Nelly Oaks, die mit Anmut und Selbstsicherheit zwischen besoffenen Matrosen und in Mitten von wallendem Zigarettenrauch einen echten Gassenhauer zum Besten gibt. Für die Rolle konnte man zum zweiten Mal Elisabeth Flickenschildt gewinnen, die hier sämtliches Personal an die Wand spielt. Die Flickenschildt war eine der begabtesten und besten Schauspielerinnen, die je einen Wallace-Film veredeln durften.

Auch wenn die Flickenschildt über Allem thront, kann sich die Besetzung auch in diesem Film mehr als sehen lassen. Zum wiederholten Male spielt Joachim „Blacky“ Fuchsberger den Helden mit Durchsetzungskraft. Zu diesem Zeitpunkt dürfte die deutsche Film- und Fernsehlegende diese Rolle bereits aus dem FF gespielt haben. Neben Fuchsberger durfte Brigitte Grothum nach DIE SELTSAME GRÄFIN (1961) zum zweiten und letzten Mal in einem Wallace-Film der Rialto die verfolgte Unschuld spielen, eine Rolle, die Grothum mit Bravour verkörperte. Die restliche Besetzung besteht zum Großteil aus erprobten Veteranen der Reihe, die als für sie typische Charaktere auftreten. Klaus Kinski spielt wieder die halbseidene, mysteriöse Nebenfigur mit der Anmut eines Serienkillers, während Eddi Arent abermals als witziger Sidekick fungiert, wobei seine Rolle wenig in die Story passt. Auch Jan Hendriks ist wieder mit von der Partie und Siegfried Schürenberg darf zum zweiten Mal den Chef von Scotland Yard geben, wobei man schon hier etwas mehr Humor ins Spiel bringt, als beim vorangegangenen Film. Für Richard Münch und Heinz Engelmann waren es einmalige Gastrollen in der Reihe.

Ein ebenbürtiger Star des Films ist hingegen der exzellente Score, der dieses Mal nicht von Peter Thomas (R.I.P.), sondern von Martin Böttcher komponiert wurde. Die Mischung aus jazzigen Klängen und verspielter Hafenromantik können erstaunlich gut punkten. Besonders der Song „Besonders in der Nacht“, den Nelly Oaks zu Beginn trällert, darf als beste Gesangsnummer innerhalb der Serie gewertet werden. DAS GASTHAUS AN DER THEMSE bietet zu dem eine ziemlich kultige Neuerung. Es ist der erste Film, in dem der bekannte Satz „Hallo, hier spricht Edgar Wallace!“ im Intro zu hören ist, gesprochen von Regisseur Alfred Vohrer.

Gedreht wurde der Film von 06. Juni bis zum 11. Juli 1962 in Hamburg. Die Außenaufnahmen fanden stellenweise im Holzhafen statt, während die Innenaufnahmen zum letzten Mal für einen Wallace-Film in Wandsbek in den Realfilm-Studios gemacht wurden. Die Aufnahmen von London stammen wie gewohnt aus der Konserve. Um eine Freigabe ab 16 Jahren zu bekommen, musste eine Szene im Film gekürzt werden. Hierbei handelte es sich lediglich um einen lustigen Spruch von Sir John. Mittlerweile ist der Film frei ab 12 Jahren. Die Uraufführung fand am 28. September 1962 im UFA-Pavillion in Berlin statt und sorgte durch positive Reaktionen dafür, dass der mittlerweilte elfte Rialto-Wallace ein echter Kassenschlager wurde. Mit über 3,6 Millionen Zuschauern ist DAS GASTHAUS AN DER THEMSE der besucherstärkste Film der Reihe.

Fazit:
Mit DAS GASTHAUS DER THEMSE (1962) gelang Wendlandt ein phänomenaler Erfolg und einer der besten Krimis der gesamten Reihe. Vohrers schmieriger Hafen-Reißer beinhaltet alle Elemente, die man sich wünscht, darunter eine gute Story, eine tolle Besetzung, viel Spannung und einen gehörigen Schuss Humor, sodass einige Schnitzer und abgenutzte Handlungsmotive gar nicht so ins Gewicht fallen. Wallace at it’s best!

4,5 von 5 bierseligen Abenden in der Nelly Oaks‘ Hafenkaschemme!

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