Was wäre, wenn man durch eine einzige Pille Superkräfte für fünf Minuten bekommen könnte? Diese Frage beantwortet der neue Netflix-Streifen PROJECT POWER (2020), der anderthalb Jahre nach Beendigung der Dreharbeiten just auf dem Streamingdienst veröffentlicht wurde. Ob es sich bei dem Actionfilm um einen originellen Schaubefehl oder doch nur um einen weiteren Lückenfüller handelt, erfahrt ihr in unserer Kritik!

Originaltitel: Project Power

Drehbuch: Mattson Tomlin
Regie: Henry Joost, Ariel Schulman

Darsteller: Jamie Foxx, Joseph Grodon-Levitt, Dominique Fishback, Rodrigo Santoro, Amy Landecker, Machine Gun Kelly, Courtney B. Vance…

Artikel von Christopher Feldmann

Langsam aber sicher scheint das Genre des Superheldenfilms seinen Zenit überschritten zu haben, denn eigentlich haben die großen Player Marvel und DC so ziemlich alles erzählt. Trotzdem ziehen Geschichten rund um übermenschlich starke Helden, die sich in opulentem CGI-Gewitter den Schurken zu Wehr setzen weiterhin die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf sich. Nur wird es immer schwerer, neue Ideen einzubringen, die die Filme weiterhin interessant machen. Leider sind diese Ideen eher Mangelware in Hollywood, zuletzt versuchte Regisseur David Yarovesky mit BRIGHTBURN (2019) die bekannten Tropes in Richtung Horrorfilm umzumünzen. Ein nicht ganz gelungener aber zumindest interessanter Versuch, dem ausgelutschten Konzept etwas neues abzugewinnen. Auch Netflix hat sich an einer etwas anderen Herangehensweise versucht und mit PROJECT POWER (2020) einen Film produziert, der nach einem anderen High-Concept-Schema funktioniert. Superkräfte durch Konsum einer Pille, für fünf Minuten aber man weiß nie, was man bekommt. Eine durchaus coole Idee, aus der aber leider ein höchstens mittelmäßiger Film entstanden ist.

Handlung:
Seit einiger Zeit ist auf den Straßen von New Orleans eine neuartige Droge im Umlauf. Die ominöse Pille, die schlicht „Power“ genannt wird, verleiht dem Konsumenten für fünf Minuten besondere Kräfte, welche das sind, weiß er vorher nicht. Ein gefundenes Fressen für Kriminelle, die die Droge für ihre Zwecke missbrauchen, um beispielsweise Überfälle durchzuführen. Der draufgängerische Polizist Frank (Joseph Gordon-Levitt) hat dem Präparat den Kampf angesagt, greift aber auch im Notfall selbst zur Pille, um sein Ziel zu erreichen. Auf der anderen Seite des Gesetzes steht die Schülerin Robin (Dominique Fishback), die die Super-Droge nachts an gierige Abnehmer verhökert, um mit dem Geld ihre kranke Mutter zu versorgen aber auch Frank ab und an Informationen zukommen lässt, der sie daraufhin gewähren lässt. Die Situation ändert sich schlagartig, als der Ex-Militär Art (Jamie Foxx) auf der Bildfläche erscheint, der sich auf einem erbarmungslosen Rachefeldzug gegen das Verteilernetz befindet. Prompt wird Frank auf den schießwütigen Einzelgänger angesetzt, muss aber bald feststellen, dass hinter „Power“ kein schnöder Drogen-Ring steht, sondern etwas viel größeres!

Ich habe mich tatsächlich auf PROJECT POWER gefreut, da das Konzept des Films durchaus vielversprechend wirkte und genug Raum für Kreativität bietet, war allerdings ernüchtert, als der Film vorab deutlich negativ besprochen wurde. Leider kann ich den Tenor nur bestätigen.

Allgemein kann man mit Fug und Recht behaupten, dass die Grundidee des Films durchaus vielversprechend ist. Der Umstand, dass man für fünf Minuten eine bestimmte Superkraft verliehen bekommt, man aber vorab nicht weiß, welche das sein wird, bietet Spielraum für zahlreiche Ideen und originelle Momente. Leider macht PROJECT POWER eher selten etwas aus diesem Konzept und hat auffallend mehr Interesse daran, eine abgedroschene Geschichte zu erzählen, die man in dieser dramaturgischen Form schon oft genug gesehen hat. Dabei beginnt das Ganze nicht mal schlecht und wartet gleich mit zwei durchaus unterhaltsamen Actionszenen auf. In der einen jagt Joseph Gordon-Levitt einen Bankräuber, der die Fähigkeit hat, sich wie ein Chamäleon an seine Umgebung anzupassen, in der anderen nimmt es Jamie Foxx mit einem Drogendealer auf, der sich in eine menschliche Fackel verwandelt. Hier nimmt der Streifen durchaus Fahrt auf und bietet einige interessante Visuals, fällt danach aber merklich ab. Das liegt vor allem daran, dass der große Überraschungseffekt ausbleibt, denn bei jeder weiteren Einnahme bekommt der Konsument die immer gleiche Superkraft. So lernen wir beispielsweise, dass Gordon-Levitt kugelsicher werden kann. Dies wird er im Verlauf des Films immer wieder, weswegen das Ganze zunehmend vorhersehbar und austauschbar wird. Ein kleiner Kniff, der den Menschen bei jeder Pille eine neue Kraft verliehen werden würde, hätte PROJECT POWER deutlich besser gestanden. Hier ging man augenscheinlich den falschen Weg, denn das Konzept wird zunehmend beliebig und nutzt sich schnell ab, vor allem das es streckenweise aus der Handlung zu verschwinden scheint. Stattdessen folgen wir zum Großteil dem Rachefeldzug von Jamie Foxx, der nur seine Tochter wiederhaben möchte, die sich in Gefangenschaft der Bösen befindet, da sie mit ganz besonderen Kräften ausgestattet ist. Bei den Schurken handelt es sich auch mal wieder um kaltherzige Regierungsbeamte, die mit der Droge Schindluder betreiben. Ein mehr als ausgelutschter Handlungsstrang, der generischer nicht sein könnte, vor allem, da man dies hier auf knappe zwei Stunden aufgeblasen hat. 20-30 Minuten weniger hätten dem Film sichtlich gut getan.

So entsteht oft Leerlauf, in dem sich die Protagonisten oft wenig logisch verhalten. So ist man doch verwundert, warum Art sich ausgerechnet ein Kind für den Gewinn von Informationen aussucht und dieses dem etwas creepy wirkenden Rampage-Guy auch direkt glaubt. Auch die Tatsache, dass Joseph Gordon-Levitts Figur im Mittelteil kaum etwas zu tun hat und sich auch Ewigkeiten Zeit lässt, um die kleine Robin aufzuspüren, obwohl er sie per Handy orten kann, stößt irgendwie sauer auf. Auch die Tatsache, dass ein geheimes Projekt wie das der „Power“-Droge, von dem keiner etwas wissen soll, ausgerechnet in einer Großstadt wie New Orleans durchgeführt wird, macht nicht so wirklich viel Sinn. Das Ganze mündet dann in einem gewöhnlichen Finale, in dem nochmal ein paar Kräfte zum Einsatz kommen, die, zum Beispiel mit übermenschlicher Stärke, kaum langweiliger sein könnten. Nach 20 Minuten hat sich das Konzept nun mal selbst überholt und der große Knalleffekt bleibt aus. Ein typisches Problem der Netflix-Originals.

Die Regisseure Henry Joost und Ariel Schulman, die 2016 mit NERVE bereits einen Film mit originellem Konzept abgeliefert haben, fehlt es sichtlich an Möglichkeiten, aus der lauen Geschichte einen guten Film zu machen. So werden die üblichen Versatzstücke abgespult und durch die, nicht wenigen, Durchhänger, entsteht auch nie genug Tempo, dass einen die Unebenheiten in der Dramaturgie vergessen lassen. Die zahlreichen CGI-Einlagen sind mal gut, mal sehr auffällig und schwanken erstaunlich in ihrer optischen Güte. Im Gesamteindruck gehen diese aber in Ordnung, auch wenn man das Alles schon mal besser gesehen hat. Man hat sich hier bewusst für eine etwas härtere Gangart entschieden und so darf das Blut auch mal etwas mehr spritzen als gewöhnlich, auch wenn man natürlich keinen Splatter erwarten sollte. Der Gewaltgrad ist durchaus mit dem, auch ziemlich vergessenswerten, Netflix-Film THE OLD GUARD (2020) vergleichbar.

Ein großes Plus sind die Darsteller. Jamie Foxx und Joseph Gordon-Levitt sind beide immerhin derartig charismatisch, dass sie ihren flach gezeichneten Figuren etwas Fleisch geben. Auch Dominique Fishback macht einen erstaunlich guten Job und überspielt die üblichen Klischees, mit der ihre Rolle behaftet ist, wirklich gut. Allerdings fällt der Rest der Charaktere deutlich ab. Wirklich tragende Nebenfiguren gibt es nicht und selbst die Bösewichte verkommen zu Stichwortgebern, die kaum Screentime haben, um irgendwie zu glänzen. Sobald der Abspann einsetzt hat man sie auch wieder vergessen. Dasselbe gilt für den Score aus typischem Rap- und Elektrogematsche, der mehr nervt als das er nützt.

Fazit:
Trotz coolem und originellem Konzept, ist PROJECT POWER (2020) im Endeffekt eine eher laue Nummer. Der Überraschungseffekt verfliegt kurz nach Beginn und die Handlung verläuft in ausgelatschten Pfaden, in denen sich wenig memorable Figuren tummeln, die sich in diesem viel zu langen Netflix-Film oft nicht wirklich logisch verhalten. Lediglich die Hauptdarsteller machen einen guten Job und werten das Geschehen etwas auf. Letztendlich ein weiterer vergessenswerter Lückenfüller des Streaming-Portals, der zwar nicht weh tut aber auch bei weitem Must-See darstellt.

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