Die große Liebe des Lebens verstirbt bei einem Autounfall. Wie gut das der Programmierer und Maschinenbauingenieur George Almore in einer geheimen Forschungseinrichtung an Androiden arbeitet, die die geistigen Leistungsfähigkeit eines Menschen erreichen sollen. Was liegt da also näher, als das digital gespeicherte Bewusstsein seiner Frau in die Prototypen zu verpflanzen und so die Liebe zurückzuholen. Der Stil des Films erinnert an Moon aus dem Jahre 2009, was kein Zufall ist, denn Regisseur Gavin Rothery war am Design des Mondbasis-Kammerspiels von Duncan Jones beteiligt. CAPELIGHT PICTURES brachte nun dieses jüngst erschienene Androiden-Drama im hübschen Mediabook oder als Einzelscheibe heraus.

Regie: Gavin Rothery

Darsteller: Theo James, Stacy Martin, Rhona Mitra

Artikel von Kai Kinnert

2049. Auf einer abgelegenen Forschungsbasis entwickelt der junge Cyber-Engineer George Almore (Theo James) unter strengster Geheimhaltung eine neue Form der künstlichen Intelligenz: eine Androidin mit menschlichem Bewusstsein. Sein neuestes Modell J3 (Stacy Martin) steht kurz vor der Vollendung. Doch George gerät zunehmend unter Druck. Seine Vorgesetzten verlieren das Vertrauen in seine Arbeit und fordern Ergebnisse. Sie drohen damit, seine Forschungsmittel zu streichen und die Basis zu schließen. George rennt die Zeit davon – vor allem, da er noch ein weiteres Ziel hat, das um jeden Preis verborgen bleiben muss.

Wenn der Winter kommt, schmeckt eine richtig gute Suppe am besten. Da braucht man was für Leib und Seele, lässt den Regen draußen, verputzt einen schmackhaften Eintopf mit einem Stück Brot und freut sich über das Schlichte und Feine. Es ist Sonntagnachmittag und nach der Suppe möchte man die Beine hochlegen und sich auf der 75-Zoll-Glotze das Ponton zum schmackhaften Eintopf ansehen. Was wärmendes, überraschend unterhaltsames eben. Wie wäre es mit ein bisschen Wall*E, dann eine Kelle voll Moon, eine Prise Der Mann mit zwei Gehirnen, nun ein Löffel Westworld, einen halben Ridley Scott-Style und oben drauf ein schöner Elektro-Soundtrack von Steven Price – fertig ist ein kleiner LowBudget-Film, der sich quer durch sämtliche SF-Ideen inspirieren ließ.

Dennoch ist da etwas, dass den Genuss verhagelt. Es fängt gut an – doch dann erlahmt die Nummer seltsamerweise. Wie eine Kartoffelsuppe mit Würstchen, die bis zur Hälfte gut passt und sich dann durch geschmackliche Wiederholung hinzieht. Dabei fängt Rothery gut an. Die verschneite Landschaft, die Musik und die Kamera, die Atmosphäre der Forschungsstation…all´ das findet eine schöne Stimmung und braucht dafür wenig Aufwand. Die Forschungsstation passt mit seinen Kanten und Fluchten und auch die eckigen Androiden J1 bis J3 können Sympathien erwecken. Dabei vermisst Almore seine tote Frau und gibt sich den Erinnerungen an ihre gemeinsame Zeit hin, kommuniziert mit dem gespeicherten Bewusstsein über die Androiden und setzt seine ganze Hoffnung auf J3, dem Finale seiner Forschungsversuche. Doch die künstliche Reunion mit seiner Frau droht zu scheitern, denn die Forschungsstation soll geschlossen werden – und sei es mit Gewalt.

Je länger allerdings das zart-melancholische SF-Drama andauert, desto mehr schimmert ein Netflix-Charakter durch, der die Nummer halb aufgebrüht wirken lässt. Es ist in Archive ein bisschen so, als wäre nach den ersten Minuten das lange Intro eines Games zu Ende und die Spielhandlung setzt ein. Alle Situationen sind gesetzt und die Story muss nun greifen, Symbolik darf nicht alles sein, der Laden muss in Schwung kommen. Doch während Duncan Logan sein Debüt Moon jederzeit im Griff hatte, beginnt es sich bei Gavin Rothery zu ziehen.

Das alle drei Androiden einen unterschiedlichen Entwicklungsstand in der KI haben (Kind, Teenie und Erwachsen) ist ein schöner Einfall, der sogar zu einem Androiden-Selbstmord führt, doch schafft es Rothery nicht, seine Story auf Dauer packend und straff zu inszenieren.

Es tröpfelt so vor sich hin und J3 entsteigt letztendlich einem Westworld-3D-Drucker – die Ehefrau ist zurück. Allerdings ist ihr Gesicht weiß und mit verwinkelten Linien versehen, was ungewollt irritierend ist. Ihre Bemalung, die wohl irgendwie Körperplatten simulieren soll, wirkt wie Bodypainting, dazu noch die Augen, die zweifelsohne menschlich sind und somit konträr zum Rest stehen. Westworld war so schlau, seine Androiden nach der Herstellung wie ein Mensch aussehen zu lassen und konnte so die Augen des Schauspielers glaubwürdig weg spielen, Rothery geht in seinem Film jedoch einen anderen Weg und lässt seinen Androiden künstlich aussehen, nur eben mit echten Menschenaugen. Gerade die Augen bekommt der 3D-Drucker perfekt hin, den Rest aber nicht. Das ist inkonsequent und kreativ wenig durchdacht. Während die Kamera in den Außenaufnahmen und in dem langen Gang der Forschungsbasis noch die richtigen Bilder findet, zerfasert sich die Optik zunehmend in den Dialogszenen und strandet gerade dann im Look einer austauschbaren TV-Produktion, als die weiß bemalte Androiden-Zombie-Braut Stacy Martin die Szenerie betritt.

Was allerdings wahrlich gelungen ist, ist die Filmmusik, die einen Retro-Elektro-Sound atmet und ganz erheblich die Bilder von Archive aufwertet. Steven Price hat fantastische Arbeit geleistet, die Musik ist das größte Pfund an diesem Film. Die Kamera ist gut, aber nicht gut genug, um den zunehmenden Konflikt in der Story in Kinobilder festzuhalten. Stattdessen wird es konventionell und lässt so die Forschungsbasis zur Bühne werden. Aber gerade dann, als man als Zuschauer tief durchatmen möchte und auf die Uhr schaut, kommt das Finale, kommt die Auflösung.

Die Nummer hat einen Kniff und das ist gut so. Die Überraschung von Archive gelingt und zeugt davon, das Gavin Rothery drei Ideen hatte, um diesen Film zu machen. Da ist die grundlegende Idee für das erste Drittel, später der Selbstmord und dann der Schluss. Dazwischen wird es dann auf Dauer schon mal langweilig. Archive ist ein durchwachsenes Debüt, das viele Vorbilder hatte, aber nur selten die Oberfläche des Zitierens verlässt und sich so im Timing und im Anspruch verheddert. Schade eigentlich. Aber der Abgang ist gut.

Das Bild der Blu-ray ist satt und die Außenaufnahmen mit dem Schnee sind toll. Der Ton ist gut. Als Extras gibt es Interviews mit Gavin Rothery, Theo James und Stacy Martin, Kinotrailer und ein 28-seitiges Booklet.

Trailer:

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