John Hyams ist zurück! Der Sohn von Regisseur und Kameramann Peter Hyams legt über acht Jahre nach seinem krachenden Meilenstein UNIVERSAL SOLDIER – DAY OF RECKONING (2012) seinen neuesten Spielfilm vor. In ALONE – DU KANNST NICHT ENTKOMMEN (2020) begeben wir uns mit einem Entführungsopfer auf eine spannende Tour de Force in die amerikanische Wildnis. Koch Films sorgt nun für eine Heimkino-VÖ des packenden Thrillers, der einmal mehr beweist, dass Hyams zu den großen Hoffnungsträgern des Genrefilms zählt. Mehr dazu in unserer Kritik!

Originaltitel: Alone

Drehbuch: Matthias Olsson

Regie: John Hyams

Darsteller: Jules Willcox, Marc Menchaca, Anthony Heald…

Artikel von Christopher Feldmann

2009 ertönte ein Donnerschlag im Bereich des Direct-to-Video-Actionfilms. Newcomer John Hyams versammelte die mittlerweile in die Jahre gekommenen Recken Jean-Claude van Damme und Dolph Lundgren für eine Fortsetzung zu Roland Emmerichs Hollywood-Debüt UNIVERSAL SOLDIER (1992). Eifrige Fans befürchteten eine weitere für den Grabbeltisch produzierte Gurke, immerhin gestaltete sich schon der erste Sequel-Versuch UNIVERSAL SOLDIER – DIE RÜCKKEHR (1999) als Vollkatastrophe, die die Kinokarriere des belgischen Spagatkünstlers endgültig beendete. Doch alle Skeptiker wurden eines Besseren belehrt, denn der schlicht mit dem Untertitel REGENERATION versehene Film war nach Jahren das vermutlich Beste und auch Härteste, was Fans der beiden Kult-Schläger zu sehen bekamen. Vermutlich hat Hyams seinem Vater Peter, der selbst ein versierter Genre-Routinier ist und bei diesem Film als Kameramann fungierte, öfters über die Schulter geschaut, denn der Streifen war und ist ein echtes Action-Brett. Dass Hyams keine Eintagsfliege war, bewies er drei Jahre später, denn nach der, durch ein Mini-Budget etwas schleppend geratenen, FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR-Variante DRAGON EYES (2012) legte er mit UNIVERSAL SOLDIER – DAY OF RECKONING (2012) noch einmal nach und schuf einen der beeindruckendsten Actionfilme der 2010er Jahre, in dem van Damme, Lundgren und Neuzugang Scott Adkins ordentlich auf die Kacke hauen, verpackt in einen unfassbar brutalen, surreal anmutenden, psychologisch cleveren und hervorragend inszenierten Feuersturm von Film. Danach wurde es auffällig still um den Hoffnungsträger, denn Hyams wechselte vorübergehend zum Fernsehen und war als Regisseur und Produzent an Formaten wie Z NATION (2014-2018), BLACK SUMMER (seit 2019) und CHICAGO P.D. (seit 2014) beteiligt. Mit ALONE – DU KANNST NICHT ENTKOMMEN (2020) versuchte er sich nach jahrelanger Abstinenz endlich wieder an einem abendfüllenden Spielfilm, der ein Remake des schwedischen Thrillers NIGHT HUNT – DIE ZEIT DES JÄGERS (2011) darstellt. Genre-Fans sollten die kommende Veröffentlichung der amerikanischen Variante nicht verpassen, denn unter dem schlichten Titel verbirgt sich ein kurzweiliger, spannender und intensiver Nägelkauer.

Handlung:

Bloß raus aus ihrem alten Leben, denkt sich Jessica (Jules Willcox) und gibt Gas in ihrem Volvo, als sie Portland hinter sich lässt. Eine ganz normale Fahrt soll es werden. Bis Jessica auf einer einsamen Landstraße einen alarmierend langsam fahrenden SUV vor sich überholt, der sie sofort darauf bedrängt. Gerade noch kann sie einen Crash mit einem Lastwagen verhindern. Fortan taucht der Fahrer (Marc Menchaca) immer wieder auf, unvermittelt, aus heiterem Himmel, drängt sich in Jessicas Leben. Bildet sie sich die Bedrohung nur ein? Doch dann schlägt der Fremde zu. Er verschleppt Jessica, der erst jetzt das Ausmaß des Albtraums bewusst wird, der vor ihr liegt – und aus dem nur sie selbst sich befreien kann…

ALONE beginnt nicht untypisch. Eine junge Frau sucht den Neuanfang, packt ihre sieben Sachen zusammen und bricht in eine ungewisse Zukunft auf. Sie ist auf der Flucht vor der Vergangenheit und steuert ohne es zu wissen in eine nicht gerade rosige Zukunft. Der Film zeichnet das Bild einer gebrochenen Persönlichkeit, deren Dämonen wir erst im weiteren Verlauf der Handlung kennenlernen werden. Einsame Straßen und eine gespenstische, kühle Atmosphäre umgeben Jessica auf ihrem Weg, bis ein mysteriöser SUV-Fahrer ihren Weg kreuzt, der fortan immer wieder auftaucht und ihre Panik steigen lässt. Eine Prämisse, die der kundige Zuschauer nicht zum ersten Mal serviert bekommt, etablierten bereits Meisterwerke wie Steven Spielbergs DUELL (1971) und der Schocker THE HITCHER (1986) das Motiv des Katz- und Mausspiels auf den offenen, verlassenen Straßen Amerikas. Auch Hyams bedient sich diesem dienlichen Konzept, spart sich aber ausschweifende Schnörkel und nutzt es, um die Spannungsschraube so richtig anzuziehen. Dabei wird sichtlich mit den Erwartungen des Zuschauers gespielt. ALONE nimmt sich Zeit, die Bedrohung aufzubauen und sie, vorerst, immer wieder ins Leere laufen zu lassen, um schließlich gnadenlos zuzuschlagen. Dabei nutzt er das verfügbare Zeitfenster, um die Hauptfigur zu etablieren, mit Nuancen ihre Gefühlswelt zu skizzieren und den Drang nach einem neuen Leben allgegenwärtig werden zu lassen.

Vom gängigen Psycho-Duell entwickelt sich der Streifen dann schließlich zum beinharten Entführungs- und Survivalthriller, denn Jessica ist einem Psychopathen ins Netz gegangen, der sie nun im Keller seiner Waldhütte gefangen hält. Was nun passiert, beweist, dass der Regisseur seine Hausaufgaben gemacht hat, denn ALONE ist zutiefst geerdetes Spannungskino, welches sich zu keiner Zeit bei an den Haaren herbeigezogenen Twists und Turns bedienen muss, um den Zuschauer bei den Eiern zu packen. Hyams und das gute Drehbuch von Matthias Olsson setzen auf Natürlichkeit und innere Logik, denn Jessica handelt stets nachvollziehbar, was es sehr einfach macht, mit der Figur zu connecten. Zudem ist sie vielschichtig gezeichnet und aus einer gebeutelten Persönlichkeit entwickelt sich eine Frau, die sich ihren Dämonen stellt und sich nicht unterkriegen lässt. Das Alles nach dem besten „Show, don’t tell“-Prinzip, denn der Film verzichtet auf ausgiebige Erklärungen oder Motive, was das Ganze nochmal spannender macht.

Herzstück des Nägelkauers ist die schweißtreibende Jagd durch die Wildnis, bei der Jessica ihrem Peiniger oberflächlich unterlegen ist. Immer wieder bietet ALONE dem Zuschauer spannende Einzelmomente, die durch exzellent fotografierte Bilder verbunden werden. Natürlich wollen wir an dieser Stelle keine Spoiler kundtun aber es bleibt bis zum Ende spannend, bevor nach gut 90 Minuten der Abspann einsetzt. Als bekennender Fan des intensiven Spannungskinos kann ich nur sagen: Alles richtig gemacht!

Auch auf inszenatorischer Ebene gelingt dem Regisseur wieder einmal ein Volltreffer, der eigentlich Beweis genug sein sollte, dass er endlich größere Projekte bekommt. Wunderschöne Landschaftsaufnahmen und erhabene Drohnen-Flüge schaffen ein Gefühl für die einsame Weite der Wildnis, während das größtenteils auf zwei Personen reduzierte Duell trotzdem eine kammerspielartige Atmosphäre vermittelt, die trotz der gefühlten unendlichen Weite etwas sehr beengtes, fast schon klaustrophobisches an sich hat. Auch die typischen Plansequenzen und ausufernden Schwenks kommen hier zum Einsatz, die die Schönheit der Natur mit der Grausamkeit der Handlung vermischen. In Sachen Gewaltdarstellung hält sich der Filmemacher dieses Mal allerdings merklich zurück. Wo in seinen UNIVERSAL-SOLDIER-Filmen noch Köpfe weggeschossen wurden, setzt ALONE mehr auf die psychologische Gewalt, denn auf deftige Gore-Einlagen. Getragen wird die knackige Laufzeit von einer hervorragenden Jules Willcox, die mit reduzierten Worten und viel Körpersprache das gebrandmarkte aber nicht zu unterschätzende Opfer gibt, das sich schlussendlich gegen ihren Peiniger erhebt. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal eine so glaubhafte Frauenfigur in dieser Art Film gesehen habe aber es dürfte lange her sein. Nicht weniger beeindruckend ist Marc Menchaca als Psychopath im Holzfällerhemd, der mit Brille und Walross-Schnorres wie der Nachbar von Nebenan wirkt aber mit dämonischer Boshaftigkeit brilliert, quasi die Creep-Version von Ned Flanders. Ein kurzes Gastspiel gibt zudem Anthony Heald, dessen Szene mich auf der Sitzkante gehalten hat.

Koch Films veröffentlicht diese Genre-Perle demnächst im hiesigen Heimkino. Neben der Blu-ray und der DVD gibt es den Film auch digital zu erwerben. Die Bild- und Tonqualität ist wie gewohnt sehr gut und als Extras gibt es ein Featurette, einen Behind-the-Scenes-Clip, eine Bildergalerie und den Trailer.

Fazit:

ALONE – DU KANNST NICHT ENTKOMMEN (2020) erfindet das Rad nicht neu und setzt auf bewährte Plot-Points. Was Regisseur John Hyams allerdings daraus macht, ist erstklassig gespieltes, exzellent fotografiertes und bis zum Schluss mitreißendes Spannungskino wie man es mittlerweile selten zu sehen bekommt. Ein Film, den ich gerne im Kino auf einer Leinwand gesehen hätte. Klare Empfehlung für Genre-Fans!

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