Ganze fünf Jahre hat es gedauert, bis die DISNEY Animation Studios einen neuen Original Kinofilm (Sequels nicht mitgerechnet) auf die Beine stellen sollten. Doch bekanntlich wurde aus dem Einsatz in den Lichtspielhäusern aus Pandemiegründen nichts und die Maus musste auf den hauseigenen Streamingdienst zurückgreifen, wo der Film gegen Aufpreis geliehen werden kann. Jetzt erscheint Raya und der letzte Drache sowohl in physischer Form, als auch ohne weitere Kosten im Disney+ Abo. Optisch ist der Streifen erneut ein gewaltiger Schritt nach vorn, doch so ganz überzeugen konnte der, teilweise im Homeoffice entstandene, Film mich dann doch nicht…

Originaltitel: Raya and the Last Dragon

Regie: Don Hall, Carlos López Estrada, Paul Riggs, John Ripa

Sprecher englisch: Kelly Marie Tran, Awkwafina, Izaac Wang, Gemma Chan

Sprecher deutsch: Christina-Ann Zalamea, Maria Hönig, Francisco Palma Galisch, Gabrielle Pietermann

Artikel von Christian Jürs

Zunächst die gute Nachricht für alle Eltern, die bei den üblichen Gesangseinlagen, die man aus dem Hause Disney gewohnt ist, nur allzu gerne den schnellen Vorlauf betätigen würden: Ihr könnt die Fernbedienung beiseite legen, denn Raya und der letzte Drache kommt von der ersten bis zur letzten Minute ohne Musicaleinlagen aus. Natürlich kann dies, für diejenigen, die bei „Let it go“ in voller Inbrunst mitgeträllert haben, auch als Negativpunkt gewertet werden.

Doch kommen wir zur titelgebenden Hauptfigur – Raya. Diese wächst zunächst als glückliches Mädchen im fiktiven Land Kumandra auf. Dieses wurde einst neben Menschen auch von Drachen bewohnt. Als ein fremdes, dämonisches Wesen, erweckt durch Neid und Missgunst der Menschen, das Land angreift, stellen sich die Drachen dem Monster entgegen. Mit letzter Kraft vereinen sie ihre magischen Kräfte, woraufhin sie dem Wesen einhalt gebieten, sich jedoch selbst dabei opfern müssen. Doch Frieden will nicht so richtig einkehren, denn das Land hat sich in fünf verschiedene Clans aufgeteilt. Der Teil, den Rayas äußerst gütiger Vater regiert, ist im Besitz der letzten, verbleibenden Magie der Drachen, in modisch türkis leuchtender Kugelform. Logisch, dass die anderen Clans darauf scharf sind, vermuten sie doch, dass diese Kugel ihnen Reichtum und Ruhm bescheren würde. Als Rayas Vater, um den Frieden zwischen den Völkern zu erhalten, die anderen Stammesvertreter zu einem friedlichen Beisammensein einlädt, freundet sich Raya schnell mit der gleichaltrigen Namaari an, deren Mutter ebenfalls einen der Clans anführt. Doch Namaari hintergeht ihre neue Freundin und führt die verschiedenen Clans zu der von Raya ihr im Vertrauen gezeigten Magiekugel. Die Situation eskaliert. Durch den beim Aufeinandertreffen der Konfliktparteien entfesselten Zorn zerbricht die magische Kugel in mehrere Teile. Dadurch wird das dämonische Ungetüm, welches optisch ein wenig an die Masse aus Der Blob erinnert (nur halt in Lichtform und statt sie zu verdauen, versteinert das Wesen seine Opfer), zu neuem Leben erweckt. Losgelassen, verwandelt es den Großteil der Bevölkerung in leblose Statuen. Auch Rayas Vater ereilt sein als Elternteil in einem Disneyfilm vorbestimmtes Schicksal und er erstarrt zur leblosen Säule. Immer noch ein humaneres Schicksal als dass des Vaters von Simba oder gar der Mutter von Bambi (schnief) einst.

Diese ersten Filmminuten sind perfektes Disneyentertainment. Optisch noch einen Tick realistischer als bisher, stellt man uns die zwar typischen, aber auch sympathischen Figuren und die obligatorischen Bösewichte vor. Da der lustige Knuddelfaktor nicht fehlen darf, bekommt Raya noch ein niedliches Haustier an die Seite, welches wie eine Mischung aus Teddybär und Schildkröte ausschaut. Putzig. Sicher, hier wird nix neues geboten, dafür aber perfekte Familienunterhaltung. Dies führt der Film dann im Anschluss auch fort, jedoch mit einigen Schwächen.

Raya ist erwachsen geworden und kämpft sich, der Erfolgsformel aus Star Wars folgendend, wie Rey durch das teils öde Land hindurch. Ihr putziger Begleiter ist nun ausgewachsen und dient ihr als ungewöhnliches Transportmittel. Eine wirklich schöne Idee. Da Raya im Besitz eines der magischen Kugelteile ist, erweckt sie nach kurzer Screentime dann den zweiten Titelgeber zu neuem Leben: Sisu, der Drache.

Sisu wird im Original von Rapperin und Schauspielerin Awkwafina eingesprochen. Als Schauspielerin mag ich die Dame eigentlich recht gerne. Sowohl in der Tragikomödie The Farewell, als auch in dem recht originellen Paradise Hills – Flucht aus dem Wunderland gefiel mir ihre Schauspielerei. Als betont modern-flippiger Drache mit aufgesetzt komischen Momenten zerrt sie allerdings an meinen Nerven. Dies ist nicht die Schuld von Awkwafina, sondern von den Autoren, die hier nicht auf einen Komiker wie einst Robin Williams, Eddie Murphy oder Will Smith zurückgriffen. Doch selbst die hätten aus den hektisch heruntergeratterten Witzen in moderner Sprache wohl wenig herausholen können (wobei ich einmal, bei einem bösen Hundewelpenwitz, durchaus lachen musste). Erstaunlich dabei ist, dass Sisu, sobald sie sich in eine menschliche Form verwandelt, weit weniger nervig daher kommt. Umso besser, dass dies den gesamten Mittelteil der Geschichte einnimmt. Was folgt, dürfte klar sein: Raya, ihr Schildkrötenteddy und der Drache machen sich auf den Weg, die fehlenden Teile wieder zu vereinen, die Drachen zu erwecken, das Böse zu besiegen und die versteinerten Menschen zu neuem Leben zu erwecken, damit diese in Zukunft friedlich miteinander leben können. Verpackt in ein rasantes Abenteuer, voller gut gemachter Action. Kurzweil par excellence? Leider nicht ganz.

Zu glatt poliert wirkt Raya und der letzte Drache auf den filmerfahrenen Konsumenten. In Zeiten, in denen im Internet der Aufschrei nach teils übertriebener Political Correctness groß wird, begeht der Mauskonzern diesmal wirklich keinen Fehler. So werden die Charaktere beinahe allesamt passend von Asiaten eingesprochen (ein Apu-Gate war also nicht zu erwarten), was durchaus lobenswert ist. Auch entpuppen sich die eigentlichen Bösewichte als gar nicht so fies, um die Kleinen nicht zu sehr zu erschrecken. Nicht auszudenken, wenn sich Namaari wirklich als das kaltblütige Monster, welches anfangs noch aus einem Mad Max Endzeitfilm zu stammen schien, entpuppen würde. Nein, ein Kampf auf Leben und Tod zwischen den Kontrahentinnen bleibt aus. Stattdessen wird sich am Ende friedlich in den Armen gelegen. Eine lobenswerte Botschaft, damit die Helikoptereltern keine erbosten Bewertungen hinterlassen. Ich hingegen, fordere umgehend Scar zurück.

Es ist natürlich löblich, wenn Disney, um sein Publikum zu halten, jetzt die moderne Schiene fährt. Aber müssen die Hauptcharaktere wirklich Sätze von sich geben wie „Bling ist voll mein Ding?„. Es klingt, als hätte Daggi Bee mit am Dialogbuch geschrieben. Vielleicht bin ich aber auch einfach nur altmodisch eingestellt, immerhin saß ich als Kind in Filmen wie Aristocats im Kino (der heute nicht mehr im Kinderbereich von Disney+ angeboten wird…was bin ich doch verdorben).

Sein größtes Problem hat der Film mit den Nebenfiguren, die allesamt aus dem Disney-Katalog zu stammen zu scheinen. Neben dem Schildkrötenteddy gibt es noch ein diebisches Baby, dass mit drei knuffeligen Affen gemeinsam arbeitet. Warum dieses eine Baby so intelligent ist? Keine Ahnung, jedenfalls heftet sich das Quartett an Rayas Fersen. Außerdem gibt es noch den smarten, alleinlebenden Jungen, der ein Restaurant und Schiff in Kombination betreibt, seit er seine Eltern an das böse Wesen verlor. Mit fortlaufender Handlung schließen sich immer mehr Figuren unserer Titelheldin an, die aber allesamt nur wenig Charakter bekommen. Beeindruckend ist allerdings die Animation des Kriegers Tong, der so unfassbar realistisch ausschaut, dass ich zweimal hinschauen musste.

Umso bedauerlicher, dass mir zur Rezension lediglich die DVD-Variante zur Verfügung stand. Dieses Medium ist für einen Hochglanzanimationsfilm wie Raya und der letzte Drache leider arg veraltet. Trotzdem, obwohl die HD-Schärfe fehlt, kann man erkennen, wie brilliant der Film optisch gelungen ist. Im Bonusmaterial gibt es in dieser Version lediglich den Kurzfilm Noch einmal wir, samt Einleitung. Die Blu-ray Variante kann da mit diversen Featurettes, Outtakes, Interviews, etc deutlich mehr punkten (mit Sicherheit auch optisch!). Die Special Edition enthält sowohl die Blu-ray, als auch die DVD Version und diverse Sammelkarten (siehe Bild). Auf eine 3D-Variante verzichtet man mittlerweile leider, was schade ist, da besonders Animationsfilme hier viel Tiefenwirkung erzeugen konnten. Doch das Zeitalter 3D-TV ist leider Geschichte. Ebenso wie 4K-Ultra HD – auch hiervon hat sich Disney bei den physischen Veröffentlichungen verabschiedet.

Insgesamt optisch lohnenswertes Animationskino, welches die Kids aber deutlich mehr unterhalten dürfte, als seine Eltern.

Trailer:

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