Sieben Regisseure, sieben Kurzgeschichten und literweise Kunstblut. Mit SCARE PACKAGE (2019) veröffentlichte Studio Hamburg kürzlich einen vielversprechenden Anthologiefilm im hiesigen Heimkino, der nicht nur versucht den Vibe zahlreicher Schocker aus den 1980er Jahren aufleben zu lassen, sondern auch so ziemlich jedes Genre-Klischee durch den Kakao zieht. Ob wir es hier mit einem neuen Kultfilm zu tun haben, erfahrt ihr in unserer Kritik.

Originaltitel: Scare Package

Regie: Courtney Andujar, Hillary Andujar, Anthony Cousins, Emily Hagins, Aaron B. Koontz, Chris McInroy, Noah Segan, Baron Vaughn…

Darsteller: Jeremy King, Noah Segan, Toni Trucks, Chase Williamson, Baron Vaughn, Zoe Graham, Byron Brown, Chelsey Grant, Luxy Banner, John Bloom…

Artikel von Christopher Feldmann

Anthologiefilme haben gerade im Horror-Genre Tradition. Zwar sind wirklich bekannte Highlights rar gesät, jedoch wird der erste Film dieser Art auf das Jahr 1919 datiert, produziert in der damaligen Weimarer Republik. Seit den 1960er Jahren entstehen regelmäßig Anthologien für das Kino, beispielsweise BLACK SABBATH (1963) von Mario Bava, die Hammer-Produktion DR. TERROR’S HOUSE OF HORRORS (1965), George A. Romeros CREEPSHOW (1982) oder TWILIGHT ZONE: THE MOVIE (1983). In der jüngeren Vergangenheit stießen beispielsweise THE ABCs OF DEATH (2012) oder V/H/S (2012) auf Publikumszuspruch, während die Halloween-Anthologie TRICK ‚R TREAT (2009) immer noch als Geheimtipp unter Genrefans gehandelt wird. Mit SCARE PACKAGE (2019), der im letzten Jahr exklusiv bei Shudder veröffentlicht wurde, kann die lange Liste dieser besonderen Sorte Film nun um einen weiteren Vertreter erweitert werden. Wer allerdings gruselige Unterhaltung erwartet, dürfte enttäuscht werden, handelt es sich bei dem kostengünstig produzierten Streifen doch um eine Parodie, die sich offensichtlich an das Kino der 1980er Jahre anbiedert und mit reichlich Meta-Humor durch alle erdenklichen Klischees wildert.

Handlung:

Chad Buckley (Jeremy King) liebt Horrorfilme und ist einsam. Er steht den ganzen Tag in seiner schlecht laufenden Videothek RAD CHAD’S HORROR EMPORIUM und streitet sich mit seinem einzigen Stammkunden Sam (Byron Brown). Doch seine neue Aushilfe Hawn (Hawn Tran) reißt ihn aus seiner Lethargie. Denn Hawn hat keine Ahnung von Horrofilmen und Chad fühlt sich berufen, ihm eine ausführliche Einweisung in sein Lieblingsgenre zu geben. Und so beginnen sieben schaurige, urkomische und makabere Geschichten, die Hawn und dem Zuschauer die Regeln und Spielarten des Genres auf blutige Weise näherbringen…

SCARE PACKAGE punktet gleich zu Beginn mit einer wirklich cleveren und witzigen Idee. Der Cold Opener, der auch als COLD OPENER betitelt zu dem Sammelsurium der einzelnen Episoden zählt, erzählt die Geschichte eines Horrorfilmcharakters, der darunter leidet, immer nur als Randfigur auftreten zu müssen, um den Plot in Gang zu setzen. Also beschließt er in einer Halloween-Nacht, in der er einer Babysitterin und ihrer Freundin die Stromleitung kappen muss, aus seiner Funktion auszubrechen und selbst in die Handlung einzugreifen, mit fatalen Folgen, immerhin ist es Halloween und sein Name Mike Myers. Eine wirklich coole Eröffnung für eine Genre-Parodie, die mit Witz und viel Meta-Humor punktet und allein schon aufgrund ihrer originellen Idee funktioniert, auch wenn Videothekar Chad das Drehbuch aus Mikes Feder als etwas zu „meta“ erachtet, wie nach der Titeleinblendung geschildert wird. Schon in dieser Episode wird klar, dass wir es hier nicht mit einem ernsten Horrorfilm zu tun haben, sondern mit einer albernen Gag-Parade, die sich an diversen Subgenres und den dazugehörigen Regeln abarbeitet. So bedienen sich die sechs folgenden Episoden dem Werwolf-Film, dem Body-Horror, dem Slasher ala FREITAG DER 13. (1980), nebst Sequels, dem okkulten Grusel oder auch dem Italo-Horror.

Die Qualität ist dabei allerdings schwankend. Während der Auftakt ziemlich Laune macht und auch die zweite Episode ONE TIME IN THE WOODS durch derbe Gore-Effekte und absurden Humor überzeugen kann, baut der bunte Reigen ziemlich ab. Sowohl der Werwolfhorror/Selbsthilfegruppen-Hybrid M.I.S.T.E.R., der selbst vor Me-Too nicht halt macht, als auch die Giallo-Hommage GIRLS NIGHT OUT OF BODY können bis auf nette Konzepte nicht überzeugen. Lediglich THE NIGHT HE CAME BACK AGAIN! PART IV: THE FINAL KILL wird jedem Slasher-Fan noch ein Schmunzeln abringen können, wenn eine Gruppe Klischee-Opfer versucht, einen, immer wiederkehrenden Sommercamp-Killer zu beseitigen versucht. Allerdings stellt die darauffolgende Besessenheits-Nummer SO MUCH TO DO das qualitative und auch inhaltliche Schlusslicht dar. Verbunden ist alles durch eine Rahmenhandlung um Horror-Videothekar Chad, der seinem neuen Mitarbeiter Hawn die Weisheiten des Horrorfilms lehrt und sich dabei mit seinem nervigen Stammkunden Sam auseinandersetzen muss. Dieses verbindende Geplänkel der Rahmenhandlung, das sich natürlich stilecht in einer Videothek abspielt, ist dann fast schon amüsanter als ein Großteil der einzelnen Episoden, vor allem weil sie im Finale selbst zu einer vollwertigen, wenn auch etwas zu langen Geschichte wird, die sich um einen Killer in einer Forschungseinrichtung dreht, dem Charakter-Stereotypen zum Opfer fallen, an denen irgendwelche Experimente durchgeführt werden sollen.

SCARE PACKAGE wildert mit Freuden durch die Geschichte des Genres. Killer, die nicht totzukriegen sind, Final Girls oder bestimmte Dialoge geben hier den Nährboden für 100 abstruse Minuten, die zwar nicht immer überzeugen können aber mit ihrer straffen Inszenierung für wenig Leerlauf sorgen. Selbst die schwachen Episoden sind angenehm kurz, so dass sich gewisse Ermüdungserscheinungen erst in der letzten halben Stunde einstellen. Das Konzept ist dabei recht erfrischend und vermutlich die Ausgeburt waschechter Fans, die einem ganzen Genre ein Denkmal setzen. Allerdings bewegt sich Ganze auch in relativ ähnlichen Bahnen, denn auch wenn hier durchaus andere Genres referenziert werden, irgendwie landet es immer wieder beim Slasher, der wohl beliebtesten Horror-Spielart des anvisierten Kult-Jahrzehnts. Auch die Musik mit ihrem inflationären Synth-Einsatz untermauert dies immer wieder. Die Gags schwanken ebenfalls in ihrer Güte. Stimmt das Konzept und auch die Umsetzung, funktionieren die Witzeleien und parodistischen Einschübe oft, in anderen Szenen wirken sie einfach nur albern und deplatziert. SCARE PACKAGE wirkt wie ein Fan-Projekt diverser Nerds, denen das Storytelling und das komödiantische Timing nicht vollends zu liegen scheint, deren Ideenreichtum aber bemerkenswert ist. Besonders die Tatsache, dass die Episoden fließend verbunden sind, sorgt für einen guten Flow.

Rein optisch ist die Diversität nicht sonderlich groß. Man sieht schnell, dass das Budget nicht allzu hoch war, fehlt es doch an wirklich ausgefeilten Inszenierungen. Würde nicht damit geworben, dass hier unterschiedliche Regisseure am Werk waren, man käme gar nicht auf Idee, so ähnlich sind sich die einzelnen Episoden in ihrer Stilistik. Für Freude dürfte allerdings die Tatsache sorgen, dass ein Großteil des Budgets in die Umsetzung der praktischen Effekte geflossen sein muss, denn SCARE PACKAGE fährt einiges an derbem Splatter auf. Köpfe platzen, Eingeweide werden zu Tage gefördert, Körper zerteilt und das Kunstblut schießt literweise aus den Wunden der einzelnen Figuren. Hier konnten sich die Effektkünstler so richtig austoben, so dass auch der letzte Gorehound auf seine Kosten kommt. Die Freigabe ab 18 Jahren ist gemessen an der Zeigefreudigkeit absolut gerechtfertigt, auch wenn aufgrund der maßlosen Überzeichnung und dem immer präsenten Humor eine 16er-Kennzeichnung auch in Ordnung gewesen wäre.

Bild- und Tonqualität der Blu-ray sind gut, auch die deutsche Synchronisation kann man als gelungen bezeichnen. Extras sind keine vorhanden.

Fazit:

Schraubt man seine Erwartungen etwas herunter, kann man mit SCARE PACKAGE (2019) durchaus Spaß haben. Die absurde Anthologie punktet mit guten Ideen, viel Fan-Liebe und guten Effekten, allerdings sind nur ein Teil der einzelnen Episoden wirklich gelungen. Wer Lust auf reichlich Gore, absurden Humor und 80er-Nostalgie hat, der kann durchaus einen Blick riskieren.

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