Der walisische Regisseur Gareth Evans setzte mit THE RAID (2011) und dessen Fortsetzung THE RAID 2 (2014) neue Maßstäbe im Martial-Arts-Kino. Eine weiterer Film wird vermutlich nicht mehr kommen, Fans der indonesischen Schlachtplatten könnten aber bei der russischen Variante auf ihre Kosten kommen, die sinngemäß auf den Titel RUSSIAN RAID – FIGHT FOR JUSTICE (2020) hört und von Tiberius Film nach dem bereits erfolgten VoD-Release demnächst auch auf Disc veröffentlicht wird. Ob auch Mütterchen Russland deftige Klopper-Kost kann, erfahrt ihr in unserer Kritik!

Originaltitel: Russkiy Reyd

Drehbuch: Denis Kryuchkov, Olga Loyanich, Robert Orr

Regie: Denis Kryuchkov

Dartseller: Ilya Antonenko, Vladimir Chuprikov, Nikita Kologrivyy, Ivan Kotik, Vladimir Mineev…

Artikel von Christopher Feldmann

Handlung:

Ex-Elitesoldat Nikita (Ivan Kotik) wird von einem zwielichtigen Auftraggeber angeheuert. Er soll die private Sicherheitstruppe einer Fabrik neutralisieren. Während des Angriffs merken Nikita und seine top ausgebildeten Kämpfer schnell, dass die Fabrik einem gefährlichen Warlord mit Kontakten um Militär gehört. Nikita nimmt den Kampf an, denn insgeheim hat er mit seinem Gegner noch eine Rechnung offen.

Die Story von RUSSIAN RAID an dieser Stelle zu betrachten, macht insofern wenig Sinn, da den geneigten Zuschauer ein Plot erwartet, der nur mit zwei zugedrückten Augen als solcher zu bezeichnen ist. Nach einem nicht allzu ausgiebigen Prolog, der sich um eine verdeckte Operation dreht, bei der man auch nicht näher erfährt, zu was sie gut sein mag, wissen wir schon mal grob, welchen emotionalen Motor der Film als Antrieb für die folgenden 100 Minuten verwendet. Gut, eigentlich wissen wir nicht mehr, als dass Nikita ein richtiger Bad-Ass von Elite-Soldat ist und noch irgendeine Rechnung mit einem fiesen Militär-Fuzzi offen hat, der vermutlich sinistere Geschäfte abwickelt. Eine Trainings-Montage, in der unser Held unter anderem krasse Polka-Moves zum Besten gibt, sollen noch einmal verdeutlichen, dass mit ihm nicht gut Kirschen essen ist und man sich mit ihm besser nicht anlegen sollte.

Der russische Actioner, für dessen Drehbuch übrigens unter anderem Robert Orr zuständig war, der auch den dritten UNDERWORLD-Film AUFSTAND DER LYKANER (2009) mitentwickelt hat (um wenigstens eine einzige halbwegs bekannte Randnotiz einzubauen), spart sich ausgedehnte Exposition und geht relativ schnell zur Sache. Nach der Rekrutierung des Teams, mit denen Nikita das Fabrikgebäude infiltrieren soll (wobei infiltrieren etwas hoch gegriffen sein dürfte) sind gerade einmal 20 Minuten vergangen und wir bekommen die erste Schlägerei geboten, woraufhin im Minutentakt geschlagen, getreten und geschossen wird. Die persönlichen Motive der Figuren rücken dabei erwartungsgemäß in den Hintergrund, wobei auch keine der hier in Erscheinung tretenden Personen irgend eine weitere Dimension bietet. Das ist auch nicht schlimm, selbst THE RAID verzichtete ebenfalls auf entschleunigende Dialogszenen oder bremsende Charaktermomente, sondern konzentrierte sich auf den kinetischen Effekt und schuf erstklassiges Action-Kino. RUSSIAN RAID versucht dies auch, es fühlt sich jedoch nie passend an, vor allem weil der Tonfall hier wesentlich leichter ist.

Die Action besteht größtenteils aus Hand-to-Hand-Combat-Szenen, die dem Zuschauer der Reihe nach präsentiert werden. Regisseur Denis Kryuchkov hat sichtlich seine Schwierigkeiten damit, seine Akteure gebührend in Szene zu setzen. Die geben sich nämlich allerlei Mühe mit schnellen Fäusten und harten Tritten die Illusion zu erzeugen, wir hätten es hier mit einem Martial-Arts-Film zu tun. Allerdings sucht man das Filigrane und Akrobatische der fernöstlichen Kollegen hier vergebens. Gemäß dem Klischee des rauen, rustikalen Russen, sind auch die Kampfszenen hier eher geerdet gehalten. Statt furiosen Stunts und geschmeidigen Choreographien wird hier noch klassisch geprügelt, mit der Eleganz eines Hinterhof-Boxers. Wahrscheinlich war dies vom Regisseur auch so intendiert, immerhin verzichtet man auf die üblichen Sound-Effekte, sondern setzt auf eine natürliche Geräuschkulisse, die die ständigen Kloppereien realistischer machen sollen.

Allerdings nutzt sich das optische wie auch akustische Action-Konzept schnell ab, schafft es Kryuchkov doch selten, die richtigen Einstellungen zu finden und eine gewisse Dynamik in die Szenen zu bringen. Auch der Schnitt wirkt oft relativ unüberlegt, was dazu führt, dass die Action nie einen wirklichen Impact besitzt, was schade ist, da hier definitiv Potenzial vorhanden ist, geben sich die Beteiligten doch sichtlich Mühe, physisch zu überzeugen. Das scheint auch generell ihr Verkaufsargument zu sein, denn schauspielerisch ist hier nicht viel zu holen, vor allem weil Nikitas Untergebene größtenteils einfach nur unsympathische Schläger sind. Der Protagonist selbst erfüllt lediglich nur die Grundanforderungen, bleibt ansonsten aber auch recht blass.

Tiberius Film veröffentlicht den Streifen demnächst als Blu-ray und DVD im Handel. Die digitale Version ist bereits bei entsprechenden Anbietern erhältlich. Uns lag ein Screener vor, der mit guter Bild- und Tonqualität überzeugen konnte, die deutsche Synchronisation ist, gemessen an der Preisklasse, solide. Als Bonus gibt es auf der Scheibe lediglich den Trailer zu bewundern.

Fazit:

RUSSIAN RAID – FIGHT FOR JUSTICE (2020) ist gespickt mit zahlreichen Actionszenen, was aber noch lange nicht bedeutet, dass es sich hier um einen guten Actionfilm handelt. Seinem indonesischen Namensvetter wird der Streifen selbstverständlich nicht gerecht, fehlt es doch hier ganz klar an der fehlenden Expertise im Bereich Inszenierung. Die Russen haben bewiesen, dass sie andere Genres wie Fantasy und Horror beherrschen, beim Kampfsport-Action-Metier besteht aber noch Lernbedarf!

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