Auch fast 60 Jahre später wirft das schreckliche Attentat auf den damaligen US-Präsidenten John F. Kennedy viele Fragen auf. Hat wirklich Lee Harvey Oswald den tödlichen Schuss abgefeuert und wenn ja, tat er es allein? Welche Rolle spielte die CIA in dieser Verstrickung aus unzulänglichen Ermittlungsarbeiten und gravierenden Widersprüchen? All das griff Politfilmer Oliver Stone bereits 1991 in seinem Spielfilm JFK – TATORT DALLAS auf und entfachte damit eine neue Diskussion um einen der schwärzesten Tage in der Geschichte der USA. Auf Basis im Nachhinein freigegebener Akten und Berichte und einem Sachbuch von James DiEugenio gräbt Stone in der Dokumentation JFK REVISITED – DIE WAHRHEIT ÜBER DEN TOD AN JOHN F. KENNEDY (2021), die hierzulande über DCM/Leonine erscheint, weiter in der mangelhaften Aufklärung und führt neue Erkenntnisse zu Tage. Ob das Ganze auch für diejenigen interessant ist, die nicht so sehr mit der Geschichte vertraut sind, erfahrt ihr in unserer Kritik.

Originaltitel: JFK Revisited: Through the Looking Glass

Regie: Oliver Stone

Artikel von Christopher Feldmann

Der 22. November 1963 stellt einen der schwärzesten Tage in der US-amerikanischen Geschichte dar. Bei einem Besuch in Dallas, im Bundesstaat Texas, wurde der damalige 35. Präsident John F. Kennedy durch zwei Gewährschüsse getötet. Ein Schuss traf dabei seinen Kopf, er erlag seinen Verletzungen wenig später im Parkland Memorial Hospital. Als mutmaßlicher Mörder wurde Lee Harvey Oswald verhaftet, der allerdings zwei Tage später vom Nachtclubbesitzer Jack Ruby erschossen wurde. Die Aufklärung des Attentats war allerdings von zahlreichen Pannen und Fehlern seitens der Ermittlungsbehörden geprägt, selbst die Autopsie des Leichnams wirft heute, aufgrund unzulänglicher Berichte und widersprüchlicher Zeugenaussagen, zahlreiche Fragen auf. Seit jeher hält sich die Theorie, dass der Präsident einer Verschwörung zum Opfer fiel, an der die CIA maßgeblich beteiligt war. Allerdings kam die, von Kennedys Nachfolger Lyndon B. Johnson eingesetzte, Warren-Kommission zu dem Schluss, dass es sich bei dem Verantwortlichen um Oswald als Einzeltäter handelte, was bis heute im höchsten Maße angezweifelt wird, zumal ein Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses festgestellt hatte, dass es sich sehr wahrscheinlich um mehrere Täter gehandelt habe. Bis heute konnte der Fall nie vollständig aufgeklärt werden, wurden doch zahlreiche Dokumente lange Zeit unter Verschluss gehalten oder sind auch heute noch nicht einsehbar.

Politfilmer Oliver Stone, der sich mit kritischen Werke wie PLATOON (1986) und WALL STREET (1987) einen Namen als Regisseur gemacht hatte und gerne den Finger in die Wunder der amerikanischen Gesellschaft und der Politik legt, griff die Ereignisse schließlich in seinem Film JFK – TATORT DALLAS (1991) auf. Das, mit u.a. Kevin Costner, Tommy Lee Jones, Gary Oldman und Donald Sutherland hochkarätig besetzte Drama, stützte sich auf die Verschwörungstheorie nach der Kennedy einem Komplott zum Opfer fiel, das bis in die höchsten Regierungskreise reichte. Der Film stützte sich damals auf das Buch ON THE TRAIL OF THE ASSASSINS von Staatsanwalt Jim Garrison, der unter Stones Regie von Costner verkörpert wurde. Das, zumindest im Director’s Cut, über 200 Minuten lange Epos war ein großer Erfolg, wurde für mehrere Oscars nominiert und entfachte die Diskussion um die Hintergründe des Attentats erneut, sodass als indirekte Folge in den späten 1990er Jahren weitere Archive geöffnet wurden. Diese, neu freigegebene Verschlusssachen und ein detailliertes Sachbuch von James DiEugenio bilden nun die Grundlage für die Dokumentation JFK REVISITED – DIE WAHRHEIT ÜBER DEN TOD AN JOHN F. KENNEDY (2021), in der Stone weitere Ermittlungsergebnisse in Zweifel zieht.

Bevor man sich an einen zweistündigen Schinken wie JFK REVISITED heranwagt, sollte man sich allerdings in Klaren sein, dass es sich hier um keine locker-flockige Doku handelt, die man mal eben kurz wegknuspern oder an die man ohne Vorwissen herantreten kann. Um die gezeigten Ereignisse einordnen zu können, sollte man im Fall Kennedy etwas belesen sein oder zumindest den Film aus dem Jahr 1991 gesehen haben. Oliver Stone spart sich eine ausgiebige Rekapitulation des Verbrechens und auch die zahlreichen Ungereimtheiten, an denen er sich schon vor 30 Jahren abarbeitete. Stattdessen konzentriert man sich vorwiegend auf einzelne Details, die ausführlich behandelt werden. In der ersten Hälfte werden überwiegend zwei Themen bearbeitet, zum einen die Einzeltäterfrage, die nach neuen Erkenntnissen und in den letzten Jahren freigegebener Dokumente nicht mehr zu halten sei. Laut Experten sei es unmöglich, dass Oswald den Präsidenten mit mehreren Schüssen getötet haben soll. Einen anderen Schwerpunkt bildet die Autopsie des Leichnams im Parkland Memorial Hospital, die absichtlich von Ärzten mit mangelnder Erfahrung durchgeführt worden sei. Anhand der neuen Dokumente wird dargestellt, dass mehrere Kugeln im Spiel waren, was von Zeugenaussagen belegt aber von der Warren-Kommission nicht berücksichtigt wurde. Offizielle Aufzeichnungen sollen gefälscht worden sein und nicht mit dem übereinstimmen, was damalige Anwesende gesehen hätten. Mit zahlreichen Expertenaussagen beleuchtet Stone beide Schwerpunkte ausführlich, bevor er in der zweiten Hälfte Gedanken zur Tat und zum Motiv der Täter in den Vordergrund rückt.

Hier gestaltet sich die Dokumentation allerdings etwas spekulativ. Zu einem wirklichen Ergebnis kommt Stone auch hier nicht, stattdessen konzentriert er sich darauf, lediglich bereits in Zweifel gezogene Aussagen und Ergebnisse noch weiter in Zweifel zu ziehen. Man könnte das Ganze eher als einen Epilog zu JFK – TATORT DALLAS (1991) betrachten, denn maßgeblich neue Erkenntnisse liefert Stone hier nicht, stattdessen versucht er die Verschwörungstheorien rund um das Attentat und die CIA als Drahtzieher zu festigen, was auch daran liegen mag, dass noch zahlreiche Dokumente und Berichte unter Verschluss sind und vor 2029 nicht freigegeben werden. Daher hat die Dokumentation, trotz ihrer zum Nachdenken anregenden Enthüllungen und den faszinierenden Theorien, einen etwas faden Beigeschmack, bleibt alles am Ende doch immer noch in gewisser Weise Spekulation, ohne klares Ergebnis, zumal Stone auch viel Polemik betreibt und keine andere Sichtweise zulässt. Der Regisseur selbst, der es sich natürlich nicht nehmen lässt, ein paar Mal bedeutungsschwanger durchs Bild zu laufen, verteidigt seine Ansichten damit, dass sie durch Fakten belegt sind. Das mag zumindest für die unzulängliche Autopsie oder die schlampige Ermittlungsarbeit zutreffen, beim Blick auf die möglichen Täter bleibt es allerdings immer noch Spekulation.

Auf den „Unterhaltungswert“ heruntergebrochen, ist JFK REVISITED nur für diejenigen geeignet, die entweder Stone-Fans sind oder generell großes Interesse an dem berühmten Fall haben. Wer wenig mit Thema vertraut ist, wird schon an seine Grenzen stoßen und viele Zusammenhänge gar nicht einordnen können, zumal Stone hier mit seinem Mix aus klassischen Talking-Heads-Interviews und Archivmaterial nicht den Otto-Normal-Verbraucher anspricht. JFK REVISITED ist schon eine eher trockene Angelegenheit, deren Thema aber auf mich immer noch eine große Faszination ausübt, der ich mich nicht entziehen kann, habe ich auch schon seinen Spielfilm von 1991 mehrmals gesehen und mich dabei immer wieder in dem Material verloren. Von daher konnte ich auch der Dokumentation einiges abgewinnen, auch wenn sich der tatsächliche Mehrwert in Grenzen hält. Mit zwei Stunden Laufzeit wird es zumindest nicht ganz so ausufernd wie man meinen könnte. Übrigens wurden die Voice-Overs von Whoopi Goldberg und Donald Sutherland beigesteuert, letzterer spielte bereits im damaligen Spielfilm eine Nebenrolle.

DCM/Leonine bringen JFK REVISITED am 19. November in die Kinos und veröffentlichen sie schon eine Woche später digital als Kaufversion. Im Dezember folgt dann die On-Demand-Variante und eine DVD. Uns lag ein Screener mit der Originalversion inklusive deutscher Untertitel vor.

Fazit:

Wer sich für den Fall um die Ermordung Kennedys begeistern kann und nach immer neuen Details dürstet, der wird an JFK REVISITED – DIE WAHRHEIT ÜBER DEN TOD AN JOHN F. KENNEDY (2021) nicht vorbeikommen, auch wenn die Dokumentation zu keinen wirklich neuen Ergebnissen oder Enthüllungen kommt, sondern eher weiter an bereits angezweifelten Theorien rüttelt. Somit eher nur denjenigen zu empfehlen, die in der Materie sind, alle anderen werden ihre Probleme haben.

Christopher auf Letterboxd – Your Life in Film folgen

Zurück zur Startseite