Seit mehreren Jahren werden Actionfans die gefühlt immer gleichen JOHN-WICK-Verschnitte vor die Füße geworden. Das Konzept „Einer gegen Alle“ ist wieder hip und so ziemlich jeder Star der was auf sich hält darf mit der Knarre im Anschlag böse Buben über den Jordan schicken. Entsprechend gleichgültig reagierte ich auf die Ankündigung, dass jetzt auch BREAKING-BAD-Star Bob Odenkirk in das Geschäft der unnachgiebigen Arschtreter einsteigen würde. Dass aber mit NOBODY (2021) dabei der wahrscheinlich beste Actionfilm des Jahres entstehen würde, hatte ich nicht erwartet. Universal Pictures Home Entertainment hat das kurzweilige Vergnügen nun ansprechend im Heimkino veröffentlicht und warum der Film eine echte Empfehlung ist, erfahrt ihr in unserer Kritik.

Originaltitel: Nobody

Drehbuch: Derek Kolstad

Regie: Ilya Naishuller

Darsteller: Bob Odenkirk, Aleksey Serebryakov, Connie Nielsen, Christopher Lloyd, RZA, Michael Ironside, Colin Salmon…

Artikel von Christopher Feldmann

Als Liam Neeson im Jahr 2008 mit TAKEN über die Kinoleinwände fegte, eröffnete sich ein ganz neues Geschäftsfeld für findige Produzenten. Man nehme einen ehrwürdigen Darsteller, der in der Vergangenheit mit dem Genre kaum Berührung hatte, und inszeniert diesen als knallharten Actionhelden. Dass der jeweilige Star dabei gar kein trainierter Fighter ist, spielte keine Rolle, die fehlende Dynamik in den Actionszenen wird ganz einfach im Schnitt gelöst. So folgten in den kommenden Jahren die immer gleichen Vehikel, die mit völlig zerschnittenen Kampfszenen vorgaukelten, dass der jeweilige Hauptdarsteller ein krasser Dude ist. Gott sei Dank hat JOHN WICK (2014) diesen Trend abgelöst. Nicht nur bescherte der Streifen Keanu Reeves einen zweiten Karriere-Frühling, man hatte auch das Gefühl, dass sich die Macher endlich mal wieder Mühe gaben, gut choreographierte und ansprechend, sowie stylisch gefilmte Action zu bieten, auch wenn die Story mehr als nur dünn war. Plötzlich wurde aber auch dieses Konzept gehörig gemolken. Neben zwei Fortsetzungen zu JOHN WICK (eine weitere ist derzeit in der Mache), schossen die Rip-Offs wie Pilze aus dem Boden. THE EQUALIZER (2014), ATOMIC BLONDE (2017), PEPPERMINT (2018), ANNA (2019) oder AVA (2020) sind nur ein paar Beispiele. Auch in diesem Jahr gab es Nachschub, etwa mit dem Netflix-Film KATE (2021) oder GUNPOWDER MILSHAKE (2021), der demnächst hierzulande erscheint. Alles Gründe, warum mir NOBODY (2021) im Vorfeld nicht mehr als ein müdes Schulterzucken abringen konnte. Entgegen meiner Erwartungen wurde ich allerdings positiv überrascht, denn dieser kleine feine Actionkracher beweist, dass mit dem richtigen Team hinter der Kamera doch noch einiges möglich ist.

Handlung:

Seit einer gefühlten Ewigkeit ist für den zweifachen Familienvater Hutch Mansell (Bob Odenkirk) jede Woche wie die Woche zuvor. Doch sein monotoner Alltag bestehend aus einem routinierten Arbeits- und Familienleben wird jäh durchbrochen, als zwei Einbrecher in sein Haus eindringen. Er könnte sich zwar wehren, doch er gibt nach. Bis seine Tochter Abby (Paisley Cadorath) später glaubt, dass ihr Armband von den Einbrechern gestohlen wurde. Dann macht sich Hutch, ohne sich von seiner Frau Becca (Connie Nielsen) oder seinem Sohn Blake (Gage Munroe) zu verabschieden, auf die Suche nach den Eindringlingen. Zugute kommt ihm dabei, dass er nicht immer ein Büroangestellter war und über Fertigkeiten verfügt, die man bei ihm nicht vermuten würde. Als er sie einsetzt, verletzt er den Bruder des brutalen russischen Gangsters Yulian Kuznetsov (Aleksey Serebryakov), der daraufhin eine wahre Armee in Bewegung setzt, Hutch zu fassen …

Bob Odenkirk gehört zu jenen Schauspielern, die man mit vielem verbinden würde, jedoch nicht mit knallharter Actionkost. Bekannt wurde US-Amerikaner mit der Sketch-Comedy MR. SHOW WITH BOB AND DAVID (1995-1998), einem breiten Publikum ist er spätestens seit seiner Rolle als „Saul Goodman“ in BREAKING BAD (2008-2013), sowie dem Spin-Off BETTER CALL SAUL (seit 2015) ein Begriff. Dass der talentierte Künstler aber auch als taffer, schießwütiger und zuschlagender Berserker überzeugt, hätte ich persönlich nicht gedacht. NOBODY spielt zu Beginn ganz clever mit den Erwartungen des Zuschauers, die natürlich das nächste Action-Vehikel im JOHN-WICK-Stil erwarten, was dünne Story und maximales Spektakel bedeutet. Tatsächlich wäre es sehr einfach gewesen, mit Odenkirk genau dasselbe Prozedere durchzuspielen, das auch Keanu Reeves wieder aus der Bedeutungslosigkeit hervorgeholt hat. Drehbuchautor Derek Kolstad, der auch das Skript zur eben erwähnten Blaupause lieferte, ließ sich aber zumindest eine smarte Variation einfallen und zeichnet Protagonist „Hutch“ als vom trockenen Alltag gelangweilten, von der Routine fast schon zerfressenen Jedermann, in dem es einfach nur brodelt. Natürlich hat auch dieser Mann eine Vergangenheit, die seine kämpferischen Skills rechtfertigt, allerdings hält er sich zurück und geht brav in der Firma seines Schwiegervaters arbeiten, fährt täglich mit dem Bus, lebt erschreckend distanziert von seiner Famile (vor allem von seiner Frau) und vergisst jeden Dienstag den Müll zur Abholung auf den Gehsteig zu stellen. Und mit jedem weiteren Bild der unterhaltsamen Montage zu Beginn wird uns klar, dass dieser Mann einfach keinen Bock mehr hat.

Der Trailer suggeriert derweil, dass „Hutch“ nach einem Einbruch in sein Haus austickt, weil die Übeltäter vermeintlich ein Armband seiner Tochter haben mitgehen lassen. Tatsächlich löst der Film dieses Set-Up relativ smart auf, denn der Familienvater, der aus bestimmten Gründen bei dem Einbruch keinen Finger gerührt hat, sucht nur nach einem Ventil, um seine angestauten Aggressionen loszuwerden. Allerdings muss er gezwungenermaßen feststellen, dass nicht alles so ist wie es scheint, mehr will ich nicht verraten. Der eigentliche Stein des Anstoßes ist eine Busfahrt, in der „Hutch“ (zu diesem Zeitpunkt einfach nur noch auf Zinne) ein paar russische Arschloch-Proleten aufmischt, weil diese eben zur falschen Zeit am falschen Ort sind. Was er natürlich nicht weiß, einer der Prügelknaben ist der Bruder eines fiesen Gangsters, der daraufhin natürlich alles in Bewegung setzt, um unserem Helden die Hölle heiß zu machen. Das ist dann auch der Punkt, an dem NOBODY in die erwartbaren Gefilde abdriftet und handelsübliche Kost abliefert. So muss sich Odenkirk durch eine ganze Schar an Gangstern prügeln und schießen, bis eben nur noch einer steht. Das ist wahrscheinlich der größte Kritikpunkt, den sich der Film gefallen lassen muss, denn nach einem wirklich guten Set-Up mit einer gewissen Doppelbödigkeit gibt es eben wieder das, was wir schon aus zahlreichen anderen Streifen kennen.

Allerdings, und das muss man den Machern lassen, schaffen sie es, den Zuschauer durchweg bei der Stange zu halten. Das liegt in erster Linie an dem knackigen Tempo, denn mit gerade einmal 90 Minuten ist NOBODY erstaunlich kurzweilig und hat kein Gramm Fett zuviel auf den Rippen. Dazu kommt eben noch die verdammt gute Action, für die mal wieder echte Profis zur Verfügung standen. Da der Film von Chad Stahelski produziert wurde, kümmerten sich auch hier dessen Jungs von 87eleven Action Design um die Choreographie der entsprechenden Szenen, von denen der Kampf im Bus sicher das Highlight darstellt. Hier sitzt jeder Tritt, jeder Schlag und das in einer Dynamik, die man heutzutage selten im Kino zu sehen bekommt. Federführend verantwortlich war dabei übrigens Daniel Bernhardt, ein aus der Schweiz stammender Stuntman und Kampfsportler, der in den 1990er Jahren eine kurze Karriere als DTV-Actionstar verfolgte und Streifen wie BLOODSPORT II-IV (1996-1999) und PERFECT TARGET (1997) drehte, bevor er sich in zahlreichen Hollywood-Blockbustern als Choreograph und Stuntdouble verdingte. Auch hier ist er in besagter Szene als einer der russischen Bullys zu sehen. Durch jene Expertise schafft es NOBODY zu punkten, was auch in den restlichen Actionszenen zum Tragen kommt. Auch Regisseur Ilya Naishuller, der bereits für den Ego-Shooter-Film HARDCORE (2016) verantwortlich war, beweist hier ein ruhiges Händchen für übersichtliche, temporeiche Momente.

Ein wahrer Trumpf ist auch Bob Odenkirk, der sich hier richtig ins Zeug legt fast ein Jahr lang hart trainieren musste, damit er die Actionszenen selbst machen konnte. Diese Hingabe zahlt sich aus, nicht nur weil er körperlich wirklich überzeugt, sondern auch weil er einfach ein guter Schauspieler ist, der einen Film tragen kann. Ihm Gegenüber steht mit Aleksey Serebryakov ein würdiger Bösewicht, der zwar das klassische Klischee des russischen Gangsterbosses erfüllt, als singender und tanzender Nachtclubbesitzer mit einer Vorliebe für rauschende Partys aber das perfekte Gegenstück zu Odenkirk bildet. „Yulian“ will eigentlich lieber seinen Lifestyle genießen, sein Moralkodex fordert allerdings Rache für seinen Bruder, den er selbst nicht mal leiden kann. Abseits der beiden Hauptrollen hat NOBODY wenig zu bieten. Lediglich Christopher Lloyd und Rapper RZA sorgen als Vater und Bruder von „Hutch“ für ein paar tolle Szenen, Connie Nielsen, Gage Munroe oder auch Michael Ironside werden in Wegwerfrollen verheizt.

Universal Pictures Home Entertainment haben NOBODY im schicken Steelbook auf den Markt gebracht, wahlweise als 4K- oder einfache Blu-ray-Variante. Für den schmalen Geldbeutel gibt es auch noch das Keep-Case, sowie eine digitale Auswertung. Bild- und Tonqualität sind dem heutigen Standard entsprechend gut, im Bonusmaterial finden sich Deleted Scenes, Featurettes, sowie ein Audiokommentar.

Fazit:

Wenn ihr dieses Jahr nur einen der neueren Actionfilme schauen wollt, dann greift zu NOBODY (2021). Zwar schafft es der kurzweilige Kracher, trotz smarter Variationen, sich nie von seinem großen Vorbild JOHN WICK (2014) zu lösen und eigene Wege zu gehen, allerdings bekommt der geneigte Fan hier wirklich gut choreographierte und versiert inszenierte Actionszenen geboten, die von einem erstaunlich großartigen Bob Odenkirk getragen werden. Wer Bock auf krachende Unterhaltung hat, wird hier bestens bedient.

Christophers Filmtagebuch bei Letterboxd – Your Life in Film

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