Deutsche Zuschauer sind bekanntlich Liebhaber französischer Erfolgsstoffe, weshalb es sich hiesige Filmemacher oft nicht nehmen lassen, gleich ein Remake der entsprechenden Vorlagen zu produzieren. Nach der Komödie DER VORNAME (2018) stellt CONTRA (2020) für Regisseur Sönke Wortmann die zweite Adaption eines Kinohits aus Frankreich dar und vereint einmal mehr alle Ingredienzien des deutschen Feel-Good-Kinos. Ob der Film mit Nilam Farooq und Christoph Maria Herbst (im allseits beliebten STROMBERG-Modus) seiner Vorlage gerecht wird, erfahrt ihr in unserer Kritik, denn Constantin Film hat ihn just im Heimkino veröffentlicht.

Originaltitel: Contra

Drehbuch: Doron Wisotzky

Regie: Sönke Wortmann

Darsteller: Nilam Farooq, Christoph Maria Herbst, Hassan Akkouch, Ernst Stötzner, Mohamed Issa…

Artikel von Christopher Feldmann

Wir deutschen Kinogänger mögen es gerne beschaulich und locker leicht, zumindest wenn man der breiten Masse glaubt, die dafür sorgt, dass die immer gleichen, romantisch angehauchten Komödien der Herren Schweiger, Schweighöfer und Co. ordentlich Profit machen. Die Deutschen lachen eben gern, egal wie plump oder müde das Ganze gestrickt sein mag. Selbst wenn es um etwas ernstere, gesellschaftskritische Themen geht, ist das hiesige Publikum deutlich gnädiger, sobald es auch mal etwas zu lachen gibt und die Geschichte mit diesem kaum zu beschreibenden Feel-Good-Gloss überzogen wird. Perfektes Beispiel ist da die wirklich furchtbare Komödie DAS PERFEKTE GEHEIMNIS (2019), selbst das Remake eines französischen Films (wobei das wahre Original eigentlich aus Italien stammt), die wirklich interessante Themen über Beziehungen und Vertrauen zwischen Partnern verhandelt, sich aber schlussendlich zur plumpen, homophoben, frauenfeindlichen Scheiße entwickelt. Das Ergebnis waren über fünf Millionen Kinozuschauer. Ganz so erfolgreich war CONTRA (2020) zwar nicht, was wahrscheinlich auch dem coronabedingten Kinoeinsatz geschuldet sein dürfte, aber auch bei diesem Film lässt sich ein bestimmtes Muster erkennen, wurde eine wichtige, gesellschatsrelevante Geschichte doch abermals mit dem klischeehaften Feel-Good-Gloss des Mainstreamkinos überzogen.

Handlung:

Jura-Professor Richard Pohl (Christoph Maria Herbst) droht von seiner Universität zu fliegen, nachdem er die Jura-Studentin Naima Hamid (Nilam Farooq) in einem vollbesetzten Hörsaal beleidigt hat. Als das Video viral geht, gibt Universitätspräsident Alexander Lambrecht (Ernst Stötzner) seinem alten Weggefährten eine letzte Chance: Wenn es dem rhetorisch begnadeten aber auch überaus zynischen Professor gelingt, die Erstsemestlerin Naima für einen bundesweiten Debattier-Wettbewerb fitzumachen, wären seine Chancen vor dem Disziplinarausschuss damit wesentlich besser. Pohl und Naima sind gleichermaßen entsetzt, doch mit der Zeit sammelt die ungleiche Zweckgemeinschaft erste Erfolge – bis Naima erkennt, dass das Multi-Kulti-Märchen offenbar nur einem Zweck dient: den Ruf der Universität zu retten.

Liest man sich die Inhaltsangabe durch, kann man auch mit weniger Filmwissen erahnen, was den Zuschauer bei einem Film wie CONTRA erwartet. In erster Linie zielt das Ganze natürlich auf den klassischen Culture-Clash ab, in dem ein arroganter Uniprofessor aus der, zumindest so angedeuteten Oberschicht, und eine Studentin mit Migrationshintergrund aus eher bescheidenen Verhältnissen aufeinandertreffen, sich natürlich nicht leiden können aber trotzdem irgendwie miteinander klarkommen müssen. Dass die Story natürlich in ausgetretenen Pfaden wandelt, kann man dem Film an sich nicht vorwerfen, basiert er doch auf einer französischen Vorlage mit dem Titel DIE BRILLIANTE MADEMOISELLE NEILA (2017). Beide Filme verlaufen relativ gleich und trotzdem ist es mal wieder die deutsche Version, die einen beherzten Griff in die Klischeekiste wagt.

So bekommt der Professor natürlich einen tragischen Background spendiert, der dazu führte, dass er zum Zyniker wurde, anscheinend weil das Publikum sonst gefahrlaufen könnte, keine Emotionen aufzubringen. Es ist zwar nur ein kleiner dramaturgischer Kniff aber so bezeichnend für das deutsche Kino, denn es muss immer irgendeine Form von Rechtfertigung her. Aber auch abseits dieser Fußnote verrennt sich das Skript in Schubladen, auch wenn CONTRA ja eigentlich ein Plädoyer gegen das entsprechende Denken sein soll. So trieft gerade die Figur der Naima nur so vor altbackenen Klischees. Als Migrantin ist sie natürlich vollkommen unterprivilegiert, lebt im Plattenbau und muss mit ihrer Familie mühsam Geld zusammenkratzen, dass sie nicht abgeschoben werden, weil sie keinen deutschen Pass haben. Der Bruder hängt auf der Straße mit den Klischee-Assis aus dem Block herum, bekommt Ärger mit der Polizei und Naima muss sogar früh Morgens Zeitungen austragen, um seine gering entlohnte Arbeitsstelle zu sichern. Und immer dann wenn der Blick in die sozialen Brennpunkte Frankfurts schweift, ertönt die Rap-Musik auf der Tonspur, richtig originell. Auch im Falle von Richard Pohl verkneift sich der Film nicht die gängigen Charakterisierungsszenen eines typischen Zynikers. In bester Tradition verdienter Arschlöcher wie Bill Murray in GROUNDHOG DAY (1993) vergrätzt Pohl Kollegen wie auch Studenten, scheint keine Freunde zu haben, ist emotional total unnahbar und speist im Edelrestaurant, während in der dazu stattfindenden Schnittmontage Naima unter emotionalem Druck in ihrem Zimmer büffelt.

Es ist schon komisch, dass CONTRA auf der einen Seite gegen Alltagsrassismus, Schubladendenken und Vorurteilen plädiert, sich selbst aber in jedem denkbaren Klischee ergibt, das man in Bezug zur Handlung so finden kann. Leider gibt auch diese nicht allzu viel her. Ein Film, in dem es um Sprache, Rhetorik und den gezielten Umgang damit geht, sollte dies auch zum zentralen Thema haben. Davon sieht man aber recht wenig, denn wie Naima plötzlich von der unbeholfen stammelnden Anfängerin zur superkrassen Debattieremeisterin avanciert, passiert eher so im Off. Im ersten Match geht sie noch völlig unter und schafft es nur dank äußerer Umstände in die nächste Runde, in dieser rasiert sie dann schon komplett. Vom Training und dem damit verbundenen Eintauchen in die der Rhetorik erfährt der Zuschauer rein gar nichts. Dazu gibt es noch eine nette aber nicht sonderlich aufregende Liebesgeschichte und ein paar schwärmerische Shots von Frankfurt und Heidelberg.

Liest man im Vorspann, dass hier Sönke Wortmann auf dem Regiestuhl Platz nahm, um den Film zu inszenieren, erübrigen sich eigentlich sämtliche Fragen. Der steht nämlich seit seinem Kinohit DER BEWEGTE MANN (1994) für deutsche Komödiengebrauchsware und versuchte sich lediglich mit dem Sportdrama DAS WUNDER VON BERN (2003) an einem etwas ambitionierterem Stoff. In den letzten Jahren lag sein Fokus mit DAS HOCHZEITSVIDEO (2012), FRAU MÜLLER MUSS WEG (2015) und DER VORNAME (2018), dessen Fortsetzung DER NACHNAME (2022) dieses Jahr erscheinen soll, auf leichten, maximal gefälligen Komödien, perfekt auf das breite deutsche Publikum zugeschnitten. Auch bei der Besetzung verzichtet man auf Experimente, zumindest darf Christoph Maria Herbst als Professor seinen STROMBERG-Modus aktivieren und wieder den arroganten Arsch geben, eine Rolle die der Schauspieler wahrscheinlich im Schlaf beherrscht und für die er sich nicht weit aus dem Fenster lehnen muss. Trotzdem überzeugt Herbst und spielt seine Partnerin Nilam Farooq mit Pauken und Trompeten an die Wand. Die ehemalige YouTuberin agiert ziemlich hölzern und gestelzt, tatsächlich fand ich sie sogar aktiv schlecht. So entsteht leider auch nie eine Dynamik zwischen den Figuren und man kann sich lediglich an Herbst erfreuen.

Uns lag dankenswerterweise die DVD-Version aus dem Hause Constantin Film vor. Bild- und Tonqualität sind dem Format entsprechend gut, als Bonus gibt es „Character Pods“ zu den Hauptfiguren und ein Musikvideo, inklusive Making-Of.

Fazit:

CONTRA (2020) ist typisch deutsches Wohlfühlkino, dass sich entgegen seiner Botschaft in plumpen Klischees verliert und eine vorhersehbare Handlung nach Schema F serviert, in der das eigentliche Thema viel zu kurz kommt. Auch die Hauptdarstellerin ist fehlbesetzt und als Zuschauer kann man sich am Ende lediglich an Christoph Maria Herbst erfreuen, der seine übliche Performance gewohnt gut abliefert. Meine Mutter wird den Film mögen und das fasst es eigentlich ganz gut zusammen.

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