Cinestrange Extreme frönt weiter dem „Schund“ und spendiert der hauseigenen Bahnhofskino-Reihe einen weiteren Eintrag. Für #9 widmete man sich erneut einem Werk aus der Vita von Italiens Schmuddel- und Rip-Off-Papst Bruno Mattei und dessen „Partner in Crime“ Claudio Fragasso. Allerdings kommen in SCALPS (1987) aka ES GEHT UM DEINEN SKALP, AMIGO weder frivole Frauengefängnisse noch Zombies oder stumpfe RAMBO-Imitate vor, stattdessen versuchten sich die Beiden an einem klassischen Italowestern mit Fokus auf die Rache indigener Völker an rassistischen Südstaatlern. Dass man hier kein ambitioniertes Drama erwarten sollte, dürfte dabei auf der Hand liegen. Nun erscheint das Genre-Spätwerk in drei limitierten Mediabook-Varianten und wir verraten euch, was euch erwartet.

Originaltitel: Scalps

Alternativer deutscher Titel: Es geht um deinen Skalp, Amigo!

Drehbuch: Bruno Mattei, Roberto Di Giorlamo, José María Cunillés

Regie: Bruno Mattei, Claudio Fragasso

Darsteller: Mapi Galán, Vassili Karis, Alberto Fanese, Charly Bravo, Beni Cardoso, José Canalejas…

Artikel von Christopher Feldmann

Das italienische Genrekino eiferte schon immer internationalen Trends nach. Sorgte ein Film oder gar ein ganzes Genre für internationalen Zuspruch, sprudelte die südeuropäische Filmindustrie förmlich vor Epigonen, die die Vorbilder entsprechend nacheiferten, meist etwas günstiger und vor allem reißerischer. Speziell in den 1980er Jahren hatte diese Formel Hochkonjunktur. Zombiefilme, Endzeitstreifen oder im philippinischen Dschungel gedrehte Söldnerspektakel schossen wie Pilze aus dem Boden und sorgten vor allem in den Videotheken für klingelnde Kassen. Bruno Mattei, dessen bekanntestes Pseudonym sicherlich Vincent Dawn war, gehörte zu den unangefochtenen Königen dieser Disziplin. So drehte der findige Italiener im Fahrwasser zu George A. Romeros DAWN OF THE DEAD (1978) den Heuler DIE HÖLLE DER LEBENDEN TOTEN (1980), der unter Trashfans Kultstatus genießt und das nicht nur, weil Mattei gleich den gesamten Goblin-Score recycelte. Mit THE RIFFS III – DIE RATTEN VON MANHATTEN (1984) beackerte er den Endzeit-Trend, auf Tinto Brass‚ Skandalfilm CALIGULA (1979) folgten CALIGULA UND MESSALINA (1981), sowie NERO UND DIE HUREN DES RÖMISCHEN REICHES (1982). Als schließlich RAMBO II – DER AUFTRAG (1985) international für reißenden Absatz sorgte, drehte Mattei auf den Philippinen ähnlich gestrickte, nur weitaus kostengünstigere Actionheuler wie COBRA FORCE (1987), DER KAMPFGIGANT (1987) oder BORN TO WIN (1988). Selbst erfolgreiche Kultfilme wie ALIENS (1986) oder PREDATOR (1987) wurden mit Italo-Rip-Offs wie CONTAMINATOR (1989) und ROBOMAN (1989) „geadelt“. Bei den meisten dieser Streifen (so auch hier) beteiligte sich Claudio Fragasso an der Produktion. Dass Mattei zwischen all diesen Exploitationfilmen ausgerechnet den Italo-Western wiederzubeleben versuchte, erscheint dabei mutig, war das Genre doch schon mehr als zehn Jahre vor der Entstehung von SCALPS (1987) klinisch tot. Und trotzdem schickte Mattei sich an, eine zumindest in ihren Grundzügen nachvollziehbare und glaubhaft motivierte Rachegeschichte zu erzählen. Das macht den Streifen zwar sicher nicht zur Offenbarung aber zumindest zu einem angenehm schaubaren Film, der natürlich nicht auf die gewohnten Gewaltausbrüche verzichtet.

Handlung:

In einem entlegenen Fort der Südstaatler kann Kommandant Colonel Connor (Alberto Fanese) das Kriegsende nicht akzeptieren. Seine Männer sollen weiterkämpfen; zunächst schickt er sie los, um die äußerst attraktive Häuptlingstochter Yari (Mapi Galán) in den von ihm befehligten Militärposten zu holen. Weil aber deren Vater, Häuptling Schwarzer Adler, die Herausgabe der Schönheit strikt verweigert, richten die Soldaten unter den Indianern ein Massaker an und nehmen die aufgrund der Connorschen Order verschonte, sich allerdings vehement wehrende Yari unter Anwendung von Gewalt mit sich. Nach einem ersten gescheiterten Fluchtversuch während einer Rast an einem Fluss gelingt ihr beim zweiten Mal – diesmal nachts – das Entkommen. Ihr Weg führt sie zum Anwesen des allein lebenden Ranchers Matt (Vassili Karis). Dieser ist nach dem Tod seiner Frau Evelyne ein ähnlich überzeugter Indianerhasser wie Connor; er hat aber, da er früher selbst unter dem fiesen Colonel als Lieutenant gedient hat, aller Gewalt abgeschworen und führt ein zurückgezogenes Leben.

Der Italowestern hatte seine Hochphase in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre. Fast schon im Akkord wurde ein Film nach dem anderen produziert, bevor das Genre in den 1970er Jahren langsam aber sicher zu Grabe getragen wurde. Die harten, staubigen Reißer wurden immer mehr zu Komödien umstrukturiert, vor allem in Deutschland setzte man immer mehr auf flapsige Synchronisationen im Sprücheklopferstil, was durch den Erfolg des Duos Bud Spencer & Terence Hill begünstigt wurde. Mit düsteren Spätwestern wie VERDAMMT ZU LEBEN – VERDAMMT ZU STERBEN (1975), KEOMA (1976) oder MANNAJA – DAS BEIL DES TODES (1977) erschienen die so ziemlich letzten Genreproduktionen, die wesentlich rauer, schmutziger und auch melancholischer waren. Danach war das Genre gewissermaßen tot und auch SCALPS vermochte es nicht, es wiederzubeleben. Warum sich Mattei anno 1987 an einem Film dieser Art versuchte, erschließt sich mir nicht aber vielleicht gehörte es ja unter italienischen Regisseuren zum guten Ton, mindestens einen Western in seiner Vita zu haben.

In Gänze sticht SCALPS etwas aus dem matteischen Werk heraus, handelt es sich hier zur Abwechslung mal nicht um den hanebüchenen Trash, für den der Filmemacher berühmt und auch beliebt ist. Tatsächlich ist ES GEHT UM DEINEN SKALP, AMIGO (der Titel gefällt mir weitaus besser) ein fast schon klassischer Western mit einer nachvollziehbaren Geschichte und auch einer in weiten Teilen recht stimmigen Dramaturgie. Im Grunde geht es um ein indigenes Mädchen, das Rache an den fiesen Südstaatlern nehmen möchte, da diese ihren Stamm auf dem Gewissen haben. Soweit so gut, auch wenn man als Zuschauer nicht so ganz nachvollziehen kann, warum die Soldaten auch nach dem Bürgerkrieg immer noch mordend umherziehen und was der sadistische Colonel nun genau von „Yari“ will. Nachvollziehbare Charaktere und vielschichtige Figurenzeichnung waren noch nie die Stärke von Drehbüchern zu Matteifilmen, jedoch folgt auf den etwas schwachen Build-Up ein ziemlich deftiges Massaker an einem Indianerstamm, bei dem Köpfe skalpiert oder abgeschlagen, Frauen vergewaltigt oder Menschen aller Altersklassen über den Haufen geballert werden. Der Film lässt keinen Moment aus, um die Soldaten als blutrünstige Psychopathen darzustellen, die sich am Leid der Indianer förmlich aufgeilen. Hier schwingt man schon derbe mit der Exploitationkeule, auch wenn SCALPS zumindest auf ausgedehnte Schmier-Sexszenen verzichtet (die Hauptdarstellerin mindestens einmal nackt zeigen ist aber natürlich unumgänglich).

Allerdings hängt das Ganze dann spätestens ab der Hälfte ziemlich durch. Wenn „Yari“ schließlich mit Rancher-Raubein „Matt“ sympathisiert bekommt der Zuschauer größtenteils eher maue Dialoge vorgesetzt. Tatsächlich passiert lange Zeit recht wenig und auch dann wenn sich beide auf der Flucht vor den Häschern befinden, sieht man die immer gleichen Hügel über die unser Duo stolpert. Hier setzt Mattei erstaunlich wenig auf Halligalli, denn egal wie blöde oder lachhaft seine späteren Filme auch gewesen sind, der Italiener kompensierte dies immer mit reichlich Krachwumm, an dem man sich erfreuen konnte. SCALPS schindet viel Zeit bis zu dem zugegebenermaßen ramboesquen Finale, in dem „Yari“ dann schließlich Dynamitpfeile verschießt und „Matt“ blutigst vom Oberschuft malträtiert wird. Dass Mattei eine Lanze für indigene Völker bricht, mag auf den ersten Blick ganz nett sein, allerdings ist das auch nur Mittel zum Zweck, denn an einer wirklich authentischen Betrachtung dieser Unruhen, vor allem nach dem Bürgerkrieg, hat der Film kein Interesse. Schnell wird aus „Yari“ eine Kampfamazone, die ihren Feinden ebenfalls den Skalp vom Kopf schneidet und kein Erbarmen kennt.

Immerhin geht SCALPS inszenatorisch klar. In Anbetracht dessen, was Mattei und sein Busenfreund Claudio Fragasso in den 1980er Jahren so alles zusammengeschustert haben, sieht der Film optisch relativ gut aus. Ein paar schöne Kamerafahrten und auch recht saubere Effektarbeit sorgen für ein gewisses Niveau. Zwar versucht man immer wieder in Einstellungen, Montagen oder Musikuntermalung an große Vorbilder zu verweisen, jedoch fehlt es dafür einfach an zu viel Fingerfertigkeit und auch der Score klingt ein wenig nach einer Library, in der man die Suchbegriffe „Western“ und „Italy“ eingegeben hat. Dass Mattei gerne freizügig in Sachen Gewaltdarstellung unterwegs war zeigt sich im übrigen auch hier, bietet SCALPS doch einige harte Momente, die auch optisch ausgekostet werden. Allerdings werden diese auch keinen Gorehound hinter dem Ofen vorlocken.

Cinestrange Extreme veröffentlicht den Streifen nun hierzulande als HD-Premiere in drei Mediabooks. Bild- und Tonqualität der Blu-ray sind recht ordentlich, wobei ich gerade die Farben als einen Tick zu blass empfand aber das ist Ansichtssache. Im Bonusmaterial finden sich eine Bildergalerie, sowie Trailer, das 24-seitige Booklet stammt von Harald Mühlbeyer.

Fazit:

SCALPS (1987) aka ES GEHT UM DEINEN SKALP, AMIGO! ist kein vergessenes Western-Juwel, sondern ein simpel gestrickter, geradliniger Italo-Streifen mit einigen Härten. Bruno Mattei liefert hier Unterhaltung auf solidem Niveau, lässt aber den Wahnsinn seiner sonstigen Werke vermissen, weswegen der Film zwar qualitativ etwas hochwertiger aber bei weitem nicht so unterhaltsam wie beispielsweise DIE HÖLLE DER LEBENDEN TOTEN (1980), DER KAMPFGIGANT (1987) oder CONTAMINATOR (1989) ist.

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