Es ist mal wieder Zeit für waschechtes Skandalkino aus der Blütezeit der DVD. Eine Zeit, in der Filmenthusiasten auf der Suche nach dem heißesten Scheiß in den Untiefen der Erwachsenenfilme waren. Ein heißer Anwärter auf den Titel des provokantesten Stück Kinos der frühen 2000er Jahre ist mit Sicherheit das blutige wie auch pornographische Roadmovie BAISE-MOI – F*** MICH! (2000), welches seiner Zeit in seinem Heimatland Frankreich für Aufregung sorgte. Nachdem er im vergangenen Jahr frühzeitig vom Index entlassen wurde, veröffentlichen Arthaus und Studiocanal den Low-Budget-Film nun neu als Blu-ray und DVD. Wir haben uns den Streifen zu Gemüte geführt und ob sich hier eine Kaufempfehlung aussprechen lässt, erfahrt ihr in unserer Kritik.

Originaltitel: Baise-moi

Drehbuch & Regie: Virginie Despentes, Coralie Trinh Thi

Darsteller: Karen Lancaume, Raffaela Anderson…

Artikel von Christopher Feldmann

BAISE-MOI – F*** MICH! (2000). Dieser zarte wie klangvolle Titel begleitete mich durch meine gesamte Jugend und dass nicht, weil der Film selbst bleibenden Eindruck hinterlassen hatte. Um ehrlich zu sein, hatte ich ihn mir nie angesehen, obwohl ich immer auf der Suche nach dem krassen Scheiß war, also nach den Filmen, die einen besonders skandalträchtigen Ruf genießen. Dabei stand bei der französischen Independent-Produktion nie die graphische Härte im Fokus, sondern immer die Tatsache, dass es hier echten Sex, ergo Hardcore-Pornographie zu sehen gibt. Das war vermutlich auch der Grund, warum ich nie Ambitionen hegte, mir die DVD zu besorgen, denn wie jeder andere auch, konnte ich mir bei Bedarf Pornos im Internet ansehen und hatte daher keine Verwendung für einen knapp 80-minütigen Film in Home-Video-Optik. Nun, viele Jahre später, hat es BAISE-MOI ungekürzt mit 18er-Freigabe ins hiesige Heimkino geschafft. Weg ist er, der Mythos des indizierten Machwerks, das man mit Glück nur unter der Ladentheke erwerben konnte, weshalb am Ende nicht mehr übrig bleibt, als billigst gedrehter Schund mit Hardcore-Szenen.

Handlung:

Hass und rohe Gewalt prägen den Alltag von Manu (Raffaëla Anderson) und Nadine (Karen Lancaume). Nachdem Manu mehrfach vergewaltigt worden ist, erschießt sie im Affekt ihren Bruder. Unterdessen tötet Nadine im Streit ihre Mitbewohnerin und muss mit ansehen, wie ihr bester Freund erschossen wird. Auf ihrer Flucht treffen beide Frauen aufeinander und beschließen, gemeinsam Rache an der von Brutalität und Härte geprägten Gesellschaft zu nehmen. Allein das Töten bringt ihnen die sadistische Genugtuung, die sie am Leben hält.

BAISE-MOI hatte bei seiner Veröffentlichung große Probleme. Bekam der Film in Frankreich zuerst noch eine Freigabe ab 16 Jahren, wurde er kurze Zeit später, in Folge mehrerer Klagen, auf eine 18er-Freigabe hochgestuft, bevor er vom Staatsrat ein „X“ verpasst bekam, was ihn aus den allgemeinen Kinos verbannte. So durfte die Buchverfilmung ausschließlich in Kinos gezeigt werden, zu denen Minderjährige keinen Zutritt haben, sprich Pornokinos. Auch in Deutschland fristete das Werk sein Dasein in Programmkinos aber immerhin unzensiert. Mit der Veröffentlichung auf dem DVD-Markt folgte die Indizierung, eine Vergewaltigungsszene wurde zur Entschärfung sogar abgedunkelt.

Wie man sieht, sorgte das Ganze durchaus für Aufregung, betrachtet man den Film aber mal losgelöst von irgendwelchen kritischen Stimmen, darf man sich durchaus fragen, warum stets so ein Bohai gemacht wurde. Bei BAISE-MOI handelt es sich schlicht und ergreifend um provokantes wie freizügiges Exploitationkino, quasi eine Art NATURAL BORN KILLERS (1994), nur in billig und mit Pornoszenen versehen. Die Regisseurin Virginie Despentes, die hier ihren eigenen Roman adaptierte, will vordergründig etwas über die Verrohung der Gesellschaft erzählen, schildert das Umfeld der beiden Protagonistinnen als von Gewalt und Hass dominiertes Elend, in dem niemand einer Arbeit nachgeht, jeder ständig Alkohol und Drogen zugeneigt scheint und sich Frauen wie „Nadine“ Geld als Gelegenheitsprostituierte dazu verdienen. Dabei dient eine ausgedehnte wie auch explizite Vergewaltigungsszene als Katalysator für die folgenden Ereignisse, auch wenn „Manu“ so abgeklärt und emotional desillusioniert erscheint, dass sie die Tortur ohne große Emotionen hinnimmt. Der Spott des eigenen Bruders ist dann allerdings zu viel, weshalb sie ihm auch prompt den Schädel wegpustet. Getreu dem Motto „Gewalt schafft Gewalt“ zieht das sich schnell findende Duo („Nadine“ hat inzwischen ihre meckernde Mitbewohnerin gekillt) durch Frankreich, um zu töten und zu vögeln. Das ist nicht gesellschaftskritisch, sondern in jeder erdenklichen Weise plakativ und ein billiges Mittel, um ausgiebig Sex und Gewalt zu frönen. Wirklich etwas zu sagen, hat BAISE-MOI nicht, die Motivation wirkt fadenscheinig und auch auf der „Story“-Ebene läuft Alles auf das erwartbare Ende hinaus.

Aber selbst der halbseidene gesellschaftskritische Aspekt verpufft aufgrund der schwachen schauspielerischen Leistungen und die stellenweise wirklich dämlichen Dialoge. Dass man für die Produktion zwei professionelle Pornodarstellerinnen wie Karen Lancaume alias Karen Bach und Raffaëla Anderson verpflichten konnte, mag vielleicht ein Coup gewesen sein, um authentische Sexszenen in den Film einbauen zu können, als ernstzunehmende Darstellerinnen, die Emotionen transportieren müssen, taugen beide wenig. Als Zuschauer knüpft man keinerlei Bindung zu den Figuren, denn wenn sie nicht gerade schlecht geschriebene Sätze aufsagen, töten sie Menschen oder lassen sich von fremden Männern penetrieren. Eigentlich ist BAISE-MOI nur eine öde Abfolge von Sex- und Gewaltszenen, die obendrein auch noch schwach inszeniert sind.

Optisch sieht der Film wie ein Home-Video-Amateurstreifen aus. Die rotzige, schmierig verwaschene Optik versprüht zwar auf der einen Seite einen gewissen Flair, für die Figuren und die Handlung ist die Billigpornofilmoptik allerdings weniger förderlich. Auch die Gewaltspitzen sind mäßig getrickst, denn Schüsse fallen meistens im Off, das Endergebnis bekommt der Zuschauer danach präsentiert. Manchmal wird auch auf Menschen geschossen, ohne das ein Einschuss sichtbar ist. Mit nicht mal 80 Minuten Laufzeit ist BAISE-MOI dankbar kurz geraten, auch wenn sich diese schon teilweise sehr zäh anfühlen. Dass es nicht wenige Filmfans gibt, die den Film in die Kunstfilmecke stecken, ist für mich unverständlich, dann müsste man nämlich auch nahezu jeden Clip auf XHamster oder PornHub als Kunst deklarieren. Einzig der Soundtrack ist noch positiv hervorzuheben, vermittelt dieser doch diesen ganz bestimmten, rauen wie auch dreckigen Vibe.

Arthaus/Studiocanal veröffentlichen das Machwerk neu als Blu-ray und DVD. Bild- und Tonqualität sind nicht besonders berauschend, was aber der originalen Produktionsqualität geschuldet ist. Hier würden wir fast schon sagen, dass man sich mit der DVD begnügen kann, sollte man beim Blauling doch keine echtes HD-Erlebnis erwarten. Die Extras beinhalten ein Making-Of, Trailer, sowie ein Booklet. Ein Wendecover ohne FSK-Flatschen ist ebenfalls vorhanden.

Fazit:

BAISE-MOI – F*** MICH! (2000) genießt unter Freunden des harten Kinos einen gewissen Kultstatus und man kann dem Film eine Art Strahlkraft freilich nicht ganz absprechen. Wenn man aber nicht gerade 14 Jahre alt und heiß auf krassen Shit ist, bleibt ein billigst produzierter, spekulativer und schlecht gespielter Mix aus mäßig getrickster Gewalt und platter Hardcore-Pornographie.

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