Casablanca Records war einst das erfolgreichste Indie-Plattenlabel der USA. Das Label brachte, dank des Gespürs von Neil Bogart, reichlich Stars auf den Weg des Erfolges und produzierte schon 1975 Musikvideos für die eigenen Künstler. KISS fand ihren Anfang bei Casablanca Records, gefolgt von Donna Summer, Giorgio Moroder und Gladys Knight. Dank der ersten Musikclips gründete man außerdem eine Filmabteilung, die später Die Tiefe und 12 Uhr nachts produzierte, der 1979 auch noch zwei Oscars gewann (adaptiertes Drehbuch und Filmmusik). Neil Bogart hatte Gespür und Energie, sein Leben ist voll von Erinnerungen an große Momente der Popmusik, des Rocks und des Souls, Eigentlich guter Stoff für einen Musikfilm. Doch die Platte hat einen Kratzer. EUROVIDEO brachte den Streifen nun bei uns im Heimkino heraus.

Regie: Timothy Scott Bogart

Darsteller: Jeremy Jordan, Michelle Monaghan, Jay Pharoah, Lyndsy Fonseca, Dan Fogler, Ledisi

Artikel von Kai Kinnert

Was haben Donna Summer, Parliament, Gladys Knight, The Isley Brothers, die Village People, Bill Withers und KISS gemeinsam? Sie alle erreichten ihre musikalischen Höhepunkte durch das brillante Gespür des schillerndsten Musikmanagers der Musikindustrie, Neil Bogart, dem Gründer von Casablanca Records, der erfolgreichsten unabhängigen Plattenfirma aller Zeiten. Zusammen mit einem unkonventionellen Team junger Musikliebhaber sollten Neil und Casablanca Records Geschichte schreiben und die Musikindustrie für immer verändern. Ihre Mischung aus kreativem Wahnsinn, dem totalen Glauben aneinander und die unvergessliche Musik, die sie schufen, prägt unser Leben bis heute.

Der Film wurde von den Söhnen Neil Bogarts gedreht! Der Streifen ist ein kleines Familienunternehmen. Timothy Scott Bogart ist Drehbuchautor, Produzent und Regisseur des Films, während Evan Bogart für die Musik zuständig ist und alle Songs des Films neu einspielte. Ihr Vater hatte ein Gespür für Musik und leitete Casablanca Records mit viel Einsatz und runden Verkaufstricks, doch leider fehlte bislang eine filmische Aufarbeitung seines Lebens. Hatte er doch, und das tatsächlich, etlichen Künstlern einige Hits möglich gemacht, die die meisten von uns durchs Leben begleiteten. So entwickelte Neil Bogart, zusammen mit Gladys Knight, den letzten Schliff am Superhit Midnight Train to Georgia und brachte sogar die Village People an den Start.

Und Gladys Knight ist es dann auch, die den Film vor den Untergang bewahrt. Timothy Scott Bogart erzählt die Hommage an seinen Vater aus der Ego-Perspektive Neil Bogarts heraus, die dem Film letztendlich sein Potential raubt. Der Film möchte alles sein. Ein Biopic, ein Musikfilm und schmissiges Producer-Movie zugleich. Der Regisseur verheddert sich in den privaten Momenten seines Vaters und findet dabei keinen Rhythmus in den Musikszenen, denn zu wahllos und selbstgefällig wirkt das Geschehen. Das großartige Potpourri an Hintergrundinformationen wird leider nur grob angerissen und findet seinen besten Moment mit Gladys Knight. Hier wird der Film endlich musikalisch und gibt einen Einblick in die Entstehung eines Songs, was dank der Soul-Sängerin Ledisi glaubwürdig gelingt. Ledisi hat Soul in der Stimme und spielt den Song Midnight Train to Georgia glaubwürdig ein. Es ist der musikalisch beste Moment des Films, in dem endlich ein Gespür für die Musik aufkommt, die da gerade am Entstehen ist.  

Es gibt zwar einige Musiksequenzen, aber der Funke bei den, durch Evan Bogart gecoverten, Songs springt nicht so recht über. Wahrscheinlich waren die Rechte an der Originalmusik zu teuer, ebenso auch am Make Up von KISS, denn die Film-Band wirkt wie eine Coverband, was ja auch irgendwie zutreffend ist. Gerade die Musik, die das Leben von Neil Bogart so bestimmte, findet keine Kraft und lässt Timing und Wucht vermissen. Auch technisch schwächelt der Film dank seines Budgets. In den Konzertaufnahmen von KISS ist das Publikum ein schlechter Green Screen/LED Trick, wobei mangelhafte Hintergründe gleich an mehreren Stellen im Film auftauchen. Vorder- und Hintergrund passen nicht zusammen, man sieht, dass mit einigen Aufnahmen grob im Studio hantiert wurde. Der Film beginnt zu trudeln.

Und so will man gerade das Interesse an dem Film verlieren, als plötzlich diese Stimme zu hören ist. Ledisi singt als Gladys Knight wahrlich mit Soul, sie hat unüberhörbares Talent und Evan Bogart covert plötzlich richtig gut, wobei er die Soul Musik in Spinning Gold besser im Griff hat, als Rock oder Pop. Ledisis Stimme transportiert echtes Gefühl, Soul eben, und so musste ich nach Sichtung des Film gleich mal bei Youtube nach ihr suchen. Und tatsächlich, sie ist eine gute Soul Sängerin mit konstanter Karriere. Mir gefiel bei Youtube ihr schöner Song Anything For You oder der kraftvolle Auftritt beim Black Girls Rock Award 2018 im Aretha Franklin Tribute (ab 01:48min). Plötzlich erzählt der Film endlich die Entstehung eines Songs und verweilt bei Gladys Knight in einer filmisch-musikalischen Geschlossenheit, die die Inszenierung vorher vermissen lies. Beim Soul funktioniert der Film am besten, und Ledisi singt warmherzig und mit Tiefe. Zwar ist auch die Episode mit KISS und der Sprinkleranlage ganz unterhaltsam, und auch Giorgio Moroder/Donna Summer bergen Potential, aber der Film vertieft die musikalisch spannenden Momente einfach nicht. Alles kommt zu kurz. Es gibt zu sehr Flickwerk zwischen (manchmal) durchschnittlich gecoverten Musikszenen, dem Eheleben, privaten Erinnerungen und einem Finanzierungsgerangel mit Warner Bros.

Spinning Gold schöpft sein Potential nicht aus. Die Söhne Neil Bogarts ehren zwar (allerdings recht Ich-bezogen) ihren Vater, was auch ihr gutes Recht ist, verpassen so aber die musikalische Wucht der Songs, die ihr Herr Papa so prägte. Der Typ hat Welthits möglich gemacht und seine Söhne verlieren die Arbeit daran aus den Augen. Schade. Aber da gibt es ja noch Ledisi.

Das Bild der vorliegenden Blu-ray ist gut, sauber und satt, der Ton ist gut. Als Extras gibt es ein Making-of (Omu), Featurettes (OmU), Deleted Scenes, einen Audiokommentar mit Regisseur Timothy Scott Bogart und Byron Werner und ein Wendecover ohne FSK-Logo.

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