Dank der hervorragenden Arbeit von Plaion Pictures kam ich einmal mehr in den Genuss, eine Bildungslücke zu schließen, spendierte das Label doch Sindey Lumets Polizei-Krimidrama PRINCE OF THE CITY – DIE HERREN DER STADT (1981) eine liebevolle HD-Veröffentlichung im Mediabook. Auch wenn es sich hierbei um ein etwas weniger prominentes Werk des Meisterregisseurs handelt, sollten Cineasten hier dennoch einen Blick riskieren, immerhin könnte man den Film fast schon als geistiges Sequel zu Lumets SERPICO (1973) bezeichnen. Warum die Geschichte eines korrupten Rauschgiftfahnders, der gegen seine eigene Einheit arbeitet, so packend ist, erfahrt ihr in unserer Kritik.

Originaltitel: Prince of the City

Drehbuch: Jay Presson Allen, Sidney Lumet; nach dem gleichnamigen Roman von Robert Daly

Regie: Sidney Lumet

Darsteller: Treat Williams, Jerry Orbach, Richard Foronjy, Don Billett, Kenny Marino, Carmine Caridi, Tony Page…

Artikel von Christopher Feldmann

Als Regisseur Sidney Lumet im Jahr 2011 verstarb, hinterließ US-amerikanische Regisseur und Drehbuchautor ein beeindruckendes Gesamtwerk. Viermal war Lumet für den Regie-Oscar nominiert, leider blieb dieser ihm ebenso versagt wie eine Trophäe für das beste Drehbuch. Zwar wurde ihm 2005 der Ehrenoscar verliehen, wett machen konnte dieser die sträfliche Vernachlässigung beim wichtigsten Filmpreis der Welt allerdings nicht. Dennoch kann man sich als Filmfan mit zahlreichen Meisterwerken trösten, die Lumet im Laufe seiner Karriere auf die Leinwand brachte. Zu diesen zählen u.a. das noch immer zu den fünf besten Filmen aller Zeiten (laut IMDb) zählende Gerichtsdrama DIE ZWÖLF GESCHWORENEN (1957), der Antikriegsfilm EIN HAUFEN TOLLER HUNDE (1966), die Agatha-Christie-Verfilmung MORD IM ORIENT-EXPRESS (1974), das auf wahren Ereignissen beruhende Drama HUNDSTAGE (1975), die beißende Mediensatire NETWORK (1976) und allen voran die Romanverfilmung SERPICO (1973), mit Al Pacino in einer seiner besten Rollen.

Es sollte aber nicht das einzige Mal bleiben, dass sich Lumet am von Korruption zerfressenen Polizeiapparat abarbeitet. 1981 inszenierte er das Drama PRINCE OF THE CITY – DIE HERREN DER STADT (1981), in dem der Regisseur die Perspektive wechselt. Statt einem rechtschaffenden Polizisten, steht nun ein selbst korrupter Drogenfahnder im Zentrum der Geschichte, der sich daran macht, die eigene Einheit ans Messer zu liefern. Ein großer Erfolg war dem mit 160 Minuten üppigen Werk zwar nicht beschienen, sehenswert ist der kühle Polizeikrimi mit Neo-Noir-Atmosphäre aber allemal.

Handlung:

„Das Erste, was ein Cop lernt, ist, dass er niemandem außer seinem Partner vertrauen kann“, erklärt Detective Danny Ciello (Treat Williams) dem stellvertretenden Staatsanwalt. „Ich schlafe mit meiner Frau, aber ich lebe mit meinen Partnern. Ich würde sie nie im Stich lassen.“ Doch auf Dauer kann er die allgegenwertige Korruption nicht mit seinem Gewissen vereinbaren. Er schließt sich einer Sonderkommission an, die polizeiliche Kriminalität untersucht. Jetzt ist er in der Rolle des Verräters und wird für seine ehemaligen Partner zur Bedrohung.

Wie schon SERPICO (1973) basiert auch PRINCE OF THE CITY auf einer wahren Geschichte, nämlich der des Robert Leuci, der in den frühen 1970er Jahren gegen die Korruption und die kriminellen Machenschaften in seiner eigenen Einheit des Rauschgiftdezernats vorging. Diese wurde 1978 vom ehemaligen Polizisten Robert Daley für den gleichnamigen Roman adaptiert. Dass Lumet hier die Regie übernahm, ist nicht überraschend, immerhin machte der Filmemacher in den 1950er Jahren eigene Erfahrungen mit der Thematik, als er unter Druck stand, Kollegen ans Messer der Kommunistenhatz zu liefern, um der berüchtigten „Blacklist“ zu entgehen. Diese Zerreisprobe findet sich auch im Film wieder, in dem die Hauptfigur „Danny Ciello“ als Spitzel arbeitet aber sich vehement weigert, seine Kollegen und gleichzeitig auch Freunde zu verraten.

Ursprünglich war Al Pacino für die Hauptrolle vorgesehen, allerdings lehnte er das Projekt ab, und Brian De Palma, der monatelang am Drehbuch arbeitete, sollte die Regie übernehmen. Warum schlussendlich doch Lumet zum Zug kam und wie viel Arbeit De Palmas noch im Film vorhanden ist, lässt sich nicht wirklich nachvollziehen. Geschadet hat der Personalwechsel dem Ganzen aber nicht, denn PRINCE OF THE CITY ist ein packender Copthriller geworden, der seinen Fokus mehr auf die emotionale wie auch persönliche Komponente legt. Wer hier einen reißerischen Actionfilm erwartet, wird gewissermaßen enttäuscht in den Abspann entlassen, handelt es sich hier doch eher um eine Milieu- und Charakterstudie, die an die Nieren geht.

Im Zentrum steht der bereits erwähnte, einst idealistische Detective „Danny Ciello“, eine große Nummer beim Rauschgiftdezernat der New Yorker Polizei. Dieser führt gemeinsam mit seiner Truppe ein waschechtes Regiment auf den Straßen der Metropole. Dank eines Mafia-Cousins gut vernetzt, weiß Ciello genau, was in der Drogenszene abgeht, muss jemand überführt werden, werden auch schon mal konkurrierende Dealer und Junkies erpresst. Auch vor Gericht wird gehandelt wie bei einer Viehauktion, bei der natürlich immer wieder ein paar US-Dollar in die Taschen der nach außen rechtschaffenden Cops wandern. Lumet inszeniert diese, vorzugsweise italo-amerikanischen Gesetzeshüter als selbstgefällige Gockel, die alles fest im Griff haben und auch bei der gemeinsamen Grillparty um keinen schnöden Spruch verlegen zu sein scheinen. Diese „Idylle“ zerbricht eines Tages, als Ciello mit seinen eigenen Machenschaften konfrontiert wird und erkennt, eine Grenze überschritten und seine einstigen Ideale verraten zu haben. Da steht auch schon die Dienstaufsichtsbehörde mit ihren internen Ermittlern des FBI auf der Matte und bequatschen den sonst so lässigen Ermittler, für sie als Spitzel zu arbeiten.

Es folgt recht schnell der psychische Verfall Ciellos, denn für den Cop sind seine Partner eine Art „Familie“, was er auch mit dem Satz „Ich schlafe mit meiner Frau, aber ich lebe mit meinen Partnern. Ich würde sie nie im Stich lassen.“ bekräftigt. Ciello weigert sich nämlich, seine Partner ans Messer zu liefern, doch schnell machen sich Verdächtigungen breit, dass er als Spitzel arbeitet, was ihm nicht nur Probleme mit den örtlichen Gangstern einbringt, sondern auch seine Kollegen hellhörig werden lässt und schnell verschwimmen die Grenzen zwischen Freund und Feind. Besonders stark dokumentiert der Film die Entwicklung des Protagonisten, der anfangs noch selbstsicher auftritt, im Verlauf der Handlung aber immer mehr zum Wrack verkommt, das weder ein normales Gespräch führen, noch den Tag ohne eine ordentliche Portion Pillen überstehen kann. Dass die Geschichte kein gutes Ende im herkömmlichen Sinne finden wird, liegt dabei auf der Hand und trotzdem gelingt es Lumet genug Spannung aufzubauen, so dass man als Zuschauer bis zum Ende hin mitfiebert.

Auch inszenatorisch ist der Regisseur auf der Höhe seiner Kunst und packt den Film in kühle Bilder, die gekonnt den vor Korruption und Kriminalität geschundenen Moloch New Yorks einfangen. Es ist genau dieses New York der frühen 1980er, dessen Schmutz und Gestank, dessen Hoffnungslosigkeit und Armut schon so manchen Genrefilm dieser Zeit „veredelten“. Wie die Location sind auch die Charaktere verkommen, eine individuelle Moral gibt es nicht, nur eine kollektive. Ciello ist so tief im Sumpf versackt, dass das Entkommen und die Annäherung an frühere Ideale zur Zerreißprobe werden, Paranoia macht sich breit, die auch nicht selten im Suizid ändert. Für die Kamera war übrigens Andrzej Bartkowiak verantwortlich, der sich in den frühen 2000er Jahren einen Namen als Regisseur durch Martial-Arts-Actionfilme im MTV-Style wie ROMEO MUST DIE (2000), EXIT WOUNDS (2001) und CRADLE 2 THE GRAVE (2003) einen Namen machte. Als Kameramann arbeitete er darüber hinaus noch an zehn weiteren Filmen mit Lumet zusammen.

Dass ursprünglich Pacino für die Hauptrolle angedacht war, macht Sinn aber dennoch punktet der Film mit einer relativ unverbrauchten und daher auch authentischen Besetzung, die von Treat Williams angeführt wird. Der im vergangenen Jahr verstorbene Schauspieler, der später auch viel im B-Movie-Segment unterwegs war, meistert seinen Part mit Bravour und legt hier wahrscheinlich die beste Performance seiner Karriere ab. Auch die restliche Besetzung, die überwiegend aus italo-amerikanischen Darstellern und auch dem ehemaligen Broadway-Star Jerry Orbach besteht, überzeugt vollends.

Die Blu-ray aus dem Hause Plaion Pictures überzeugt mit sehr guter Bildqualität und klarem Ton. Auf der Bonus-DVD finden sich noch die Dokumentation PRINCE OF THE CITY – DIE WAHRE GESCHICHTE, ein Interview mit Sidney Lumet, eine Bildergalerie und der Trailer. Ein Booklet von Stefan Jung rundet die Edition gekonnt ab.

Fazit:

PRINCE OF THE CITY – DIE HERREN DER STADT (1981) wird im Oeuvre von Sindey Lumet oft etwas vernachlässigt, trotzdem handelt es sich hierbei um ein stimmungsvolles, wirksam erzähltes und packend inszeniertes Polizeidrama. Ein Film, den man auf jeden Fall einmal nachholen sollte.

Amazon-Partner-Links:

Mediabook (Blu-ray & DVD)

Special Edition Doppel-DVD

DVD

Prime Video

Christophers Filmtagebuch bei Letterboxd – Your Life in Film

Zurück zur Startseite