In den vergangenen Jahren sah es für das renommierte Animationsstudio Pixar nicht allzu rosig aus. Trotz kontinuierlichem Output konnte die Schmiede, die mit TOY STORY (1995) den ersten vollständig computeranimierten Spielfilm produzierten, nicht an alte Erfolge anknüpfen. Dass aber die Fortsetzung ALLES STEHT KOPF 2 (2024), deren Vorgänger bereits neun Jahre zurückliegt, derart überraschend das Box-Office zum beben bringen würde, hatte wohl niemand vorher gesehen. Der Film mauserte sich nämlich zum internationalen Megahit und konnte im Kino bis Dato knapp 1,7 Milliarden US-Dollar einspielen, was ihn nicht nur zum erfolgreichsten Animationsfilm aller Zeiten macht, sondern ihn auch direkt in die Top Ten der umsatzstärksten Filme überhaupt katapultierte. Nun hat Walt Disney Studios den Dauerbrenner, neben der Aufnahme ins Programm von Disney+, im Vertrieb von Leonine Studios auch auf Scheibe veröffentlicht. Ob der Erfolg gerechtfertigt ist, erfahrt ihr in unserer Kritik.

Originaltitel: Inside Out 2

Drehbuch: Meg LeFauve, Dave Holstein

Regie: Kelsey Mann

Darsteller (Sprecher): Amy Poehler, Maya Hawke, Kensington Tallman, Liza Lapira, Tony Hale, Lewis Black, Phyllis Smith, Diane Lane, Kyle MacLachlan…

Artikel von Christopher Feldmann

Als Pixar 1995 mit TOY STORY den ersten abendfüllenden Spielfilm produzierte, der vollständig am Computer generiert wurde, galt dies als völlig bahnbrechend. Mittlerweile gehören Animationsfilme zum Kino wie das Streaming zum gewöhnlichen Haushalt, was auch die Ausnahmestellung des 2006 von der Walt Disney Company übernommenen Studios etwas ins Wanken brachte. Es gab nämlich eine Zeit, in der Pixar echte Meisterwerke in Folge ablieferte, beispielsweise FINDET NEMO (2003), DIE UNGLAUBLICHEN (2004), RATATOUILLE (2007), WALL:E (2008), OBEN (2009) und den oscarprämierten TOY STORY 3 (2010). In den folgenden Jahren erwies sich der Output als größtenteils beliebig, so wurden Fortsetzungen zu den großen Hits produziert, die in Sachen Qualität aber nicht an die Originale anknüpfen konnten, in den vergangenen Jahren blieben die großen Hits sogar, trotz originaler Stoffe, weitestgehend aus. Eine Ausnahmestellung hatte allerdings ALLES STEHT KOPF (2015), dem mit einer originellen Idee jenes Kunststück gelang, für das Pixar einst berühmt war, nämlich interessante und besondere Themen liebevoll aufzubereiten, so dass sie für ein kindliches aber auch für ein erwachsenes Publikum funktionieren. So visualisiert der Film die Gefühle eines kleinen Mädchens und gibt dem Publikum zu verstehen, dass auch negative Emotionen ihre Daseinsberechtigung haben. INSIDE OUT avancierte zum Kritikerliebling und zum Kinoerfolg, gewann sogar den Oscar für den besten Animationsfilm. Neun Jahre später erschien nun die Fortsetzung, welche zwar den Erfolg des Vorgängers um ein Vielfaches übertraf, inhaltlich aber trotz großer Unterhaltsamkeit wenig Neues zu bieten hat und an sich recht mutlos daherkommt.

Handlung:

Im Kopf des nun frischgebackenen Teenagers Riley wird plötzlich das Hauptquartier abgerissen, um Platz für etwas völlig Unerwartetes zu schaffen: neue Emotionen! Freude, Trauer, Wut, Angst und Ekel, die seit langem erfolgreich Rileys Kopf managen, sind sich nicht sicher, was sie fühlen sollen, als Zweifel auftaucht. Und es sieht so aus, als ob sie nicht die einzige Neue ist!

Auch wenn ich ALLES STEHT KOPF wirklich fantastisch fand und ihn mit für das Beste halte, was Pixar je auf die Leinwand gebracht hat, war mein Interesse an der Fortsetzung relativ überschaubar. Dies ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass mich das Studio in den vergangenen Jahren nicht mehr wirklich begeistern konnte und mich die Filme eher kalt ließen. So war ich fest überzeugt, mir den Kinobesuch zu klemmen und den Film dann im Heimkino nachzuholen. Ich hatte allerdings die Rechnung ohne meine Frau und deren Familie gemacht, die mich und meine Filmauswahl für einen Abend im Multiplex überstimmten. Statt DEADPOOL & WOLVERINE (2024) stand nun ALLES STEHT KOPF 2 auf dem Plan und trotz meiner Vorbehalte habe ich die Kinokarte nicht bereut. Die Fortsetzung ist verdammt unterhaltsam und fantastisch animiert aber auch thematisch sehr auf die breite Masse ausgelegt.

Inhaltlich dreht sich der Film wieder um „Riley“, die nun im Teenageralter ist, was natürlich die Pubertät auf den Plan ruft. Diese entfaltet sich in Form von neuen Emotionen, die Einzug in die „Kommandozentrale“ halten. So stoßen Zweifel, Neid, Langeweile und Peinlich zu den bekannten Gefühlen Freude, Kummer, Ekel, Wut und Angst hinzu, was natürlich für reichlich Chaos im Oberstübchen führt. Eingebettet wird das Tohuwabohu in eine Rahmenhandlung, in der „Riley“ gemeinsam mit zwei Freundinnen an einem Eishockeycamp teilnimmt, bei dem die Freundschaft der Mädels auf die Probe gestellt wird, fühlt sich die Protagonistin doch zu den etwas älteren und in ihren Augen coolen Mitgliedern der Mannschaft hingezogen, vor allem da ihre besten Freundinnen die Highschool wechseln werden. So geht es natürlich in erster Linie um Freundschaft und um die eigene Identität, sowie durch Zweifel geprägte Überzeugungen. Somit bekommt man erzählerisch klassisches Disney-Garn serviert, das sich aber auch zu keinem Zeitpunkt an jenes Thema traut, welches eigentlich prädestiniert für den Film gewesen wäre.

Es fällt nämlich schnell auf, das für Teenager völlig normale Emotionen wie Lust oder Begierde überhaupt nicht auftauchen. Gerade das Erwachen der eigenen Sexualität spart ALLES STEHT KOPF 2 völlig aus und konzentriert sich stattdessen auf eine Handlung, die schon in drölfzig Animationsfilmen verbraten wurde.

Dass die eben genannten Gefühle hier unter den Teppich gekehrt werden liegt natürlich daran, dass der Film in erster Linie für ein Familienpublikum konzipiert wurde, das man besonders in den USA natürlich nicht mit sexuellen Themen belästigen möchte. ALLES STEHT KOPF 2 fühlt sich somit stets weichgespült an, denn es hätte Möglichkeiten gegeben, solche Themen anzuschneiden oder zumindest harmlos zu bebildern. Somit wirkt das Ganze nie wirklich authentisch, fast schon verzerrt, um für eine möglichst breite Masse konsumierbar zu sein. Natürlich ist das irgendwo Wunschdenken aber es wäre schön gewesen, wenn man hier etwas mutiger gewesen wäre.

Stattdessen setzt man wieder auf die Komik der einzelnen Emotionen, was beim zweiten Mal natürlich nicht originell aber immer noch unterhaltsam ist. ALLES STEHT KOPF 2 macht trotz seiner Versäumnisse (ich hätte mir von der gesamten Rahmenhandlung etwas mehr Biss gewünscht) verdammt viel Spaß, was vor allem dem guten Zusammenspiel der einzelnen Charaktere und den teilweise wirklich witzigen Gags geschuldet ist. Ich habe mich stellenweise erwischt wie ich laut lachen musste, denn der Film funktioniert trotz seiner kindlichen Auslegung auch für Erwachsene, vor allem weil man sich stets selbst hinterfragen und auf die eigene Jugend zurückblicken kann, in der man mit Gefühlschaos zu kämpfen hatte. Dies wird einmal mehr durch einen wunderbaren Voice-Cast unterstützt, dessen deutsche Synchronisation ebenfalls gelungen ist.

Auch optisch sieht ALLES STEHT KOPF 2 hervorragend aus, zumindest aus meiner Perspektive. Da die Handlung dieses Mal nicht nur in der Kommandozentrale stattfindet und getreu dem Motto „Größer, schneller, weiter“ bei Fortsetzungen eine Reise durch Inneres erzählt, punktet der Film durch schöne optische Einfälle, die hervorragend bebildert sind. Zwar fühlt sich das Ganze stets wie eben eine klassische Fortsetzung an, man hat aus dem Material aber das Beste herausgeholt, sodass sich die 90 Minuten Laufzeit nie zu lang oder gar zäh anfühlen, sondern insgesamt kurzweilig und pointiert. An die Klasse des Vorgängers kommt das Sequel aber nicht ganz heran, es fehlt einfach ein frischer Aufhänger oder gar eine wirklich originelle Idee, stattdessen hat man sich auf den größten gemeinsamen Nenner geeinigt und nochmal Das gemacht, was schon in Teil 1 funktionierte, wenn auch in wirklich gut.

Walt Disney Pictures hat den Animationsspaß schon vorab bei Disney+ veröffentlicht und hierzulande nun im Vertrieb von Leonine Studios die physische Version nachgereicht, leider nur in Form von Blu-ray und DVD, auf eine 4K-Ausgabe des Films müssen Fans und Sammler vorerst verzichten. Uns lag zur Sichtung die DVD vor, Bild- und Tonqualität sind auch für jene Verhältnisse mehr als solide. Als Extras gibt es Featurettes, zusätzliche Szenen und den Trailer.

Fazit:

ALLES STEHT KOPF 2 (2024) ist eine gelungene Fortsetzung und ein großer, kurzweiliger Spaß für die ganze Familie, sowohl für die Kleinen als auch für die älteren Semester. Allerdings fehlt ihr etwas der Mut zu gewissen Themen und einer wirklich neuen Idee. Insgesamt ein Film, der more of the same ist aber dennoch wunderbar unterhält.

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