Werwölfe gehören, neben Zombies und Vampiren, zu den wohl populärsten Monstern. Leider gibt es, entgegen den Blutsaugern und Gehirnlutscher, nur äußerst wenige, wirklich gelungene Filmvertreter ihrer Monster-Zunft. Diese Stephen King-Verfilmung, zu der der Horror-Meister sogar das Drehbuch beisteuerte, gehört seit frühester Jugend zu meinen All-Time-Favorites des Werwolf-Film-Genres. Damit widerspreche ich den damaligen Kritikern, die kaum ein gutes Haar an dem Film mit Gary Busey und Corey Haim ließen. Im Kino gefloppt und zudem noch geschnitten, hat sich PLAION PICTURES bereits vor Jahren dieser verkannten Horrorfilm-Perle angenommen. Jetzt erscheint der Gruselfilm in einer Neuauflage mit 4K UHD-Update. Ich verrate Euch, warum ich den Film so sehr liebe.

Originaltitel: Silver Bullet
Regie: Daniel Attias
Drehbuch: Stephen King (basierend auf dem Roman „Das Jahr des Werwolfs“)
Darsteller: Corey Haim, Gary Busey, Everett McGill, Megan Follows, Terry O´Quinn
Artikel von Christian Jürs
„Der letzte Vollmond in diesem Frühling war etwa einen Monat bevor die großen Schulferien begannen. Und in dieser Nacht begann ein grauenvoller Albtraum für unsere Stadt…“

Der Film, dessen einleitende Worte mir immer wieder einen wohligen Schauer über den Rücken jagen, beginnt in eben jener Frühlingsnacht im kleinen Örtchen Tarker Mills im Jahre 1976. Der stadtbekannte Säufer Arnie Westrum (Jack Gammon) wird beim Säubern der Bahnschienen sprichwörtlich einen Kopf kürzer gemacht. Hätte er mal nicht so laut von seinem Lieblingsbier (Rheingold) geschwärmt. Da die örtliche Polizei unter der Leitung Sheriff Hallers (Terry O´Quinn – der herzigste Stiefvater der Welt) von einem Unfall ausgeht, steht dem fröhlichen Frühlingsfest im kleinen Örtchen nichts im Wege. Hier lernen wir dann auch den Großteil unserer Haupt- und Nebenfiguren kennen. Da wäre zum einen der bereits erwähnte Sheriff Joe Haller. Dieser eröffnet zusammen mit Reverend Lowe (Everett McGill) die Feierlichkeiten, denen auch die Coslaw Geschwister beiwohnen. Diese bestehen aus der Teenagerin Jane (Megan Follows), die wir als erwachsene Frau die Geschichte aus dem Off erzählen hören, sowie dem im Rollstuhl sitzenden Marty (Corey Haim). Selbstverständlich lernen wir noch die Eltern der beiden kennen, wobei der Vater Bob (Leon Russom) im weiteren Verlauf der Handlung eher profillos und unbedeutend bleibt. Nan (Robin Groves), die Mutter der beiden, lernen wir als überforderte, auf den kranken Sohn fixierte Frau kennen, während Paps ihre Entscheidungen in Erziehungsfragen einfach nur abnickt und die vernachlässigte Tochter mit beruhigenden Worten beschwichtigt. Ebenfalls beim Frühlingsfest anwesend ist Brady (Joe Wright), der beste Freund von Marty, der Jane einen üblen Streich mit einer Schlange spielt, woraufhin diese in eine Pfütze fällt und sich die Klamotten einsaut. Ein Goldschatz, der Junge. Ja, Tarker Mills ist ein kleiner, ruhiger Ort irgendwo in North Carolina, der eigentlich, schaut man genau auf das Ortsschild, Tarker´s Mills heißt. Klang aber doof für uns Deutsche, daher die Namensänderung.
Bereits in der Folgenacht darf das Monster wieder zuschlagen, denn im Gegensatz zur Buchvorlage Circle of the Werwewolf / Das Jahr des Werwolfs rennt Meister Petz hier auch in Nicht-Vollmondnächten herum. Eine weise Entscheidung, wäre die Geschichte über ein Jahr gestreckt vermutlich weit weniger spannend und kompakt geraten. Diesmal zerfetzt das Monster buchstäblich eine suizidgefährdete Schwangere (Wendy Walker), die von ihrem Freund im Stich gelassen wurde. Sowas nennt man Entscheidung abnehmen. Am Folgeabend lernen wir dann den coolsten Charakter des Streifens kennen – Auftritt von Onkel Red, dem sympathischen Haudegen, der für Marty und Jane irgendwo zwischen Vaterfigur und Kumpel angelegt wurde – ein echt cooler Onkel halt. Diesen spielt Gary Busey (Gefährliche Brandung – Point Break) bravourös und nimmt die Leinwand mit jedem Auftritt voll ein. Denn Onkel Red ist eine Figur mit Ecken und Kanten. Ein saufender Frauenheld, der sich trotz aller Charakterschwächen rührend um seinen Neffen kümmert und dabei die Herzen der Zuschauer erobert. Anfangs noch betrunken mit Marty beim Poker spielend in Szene gesetzt (sehr zum Leidwesen von Martys spießiger Mutter, die ihr krankes Kind in Watte taucht), bekommt Red mit jedem Auftritt mehr und mehr Sympathiepunkte. Doch auch der Werwolf bleibt weiterhin nicht untätig und so wird der schmierige Vater (James A. Baffico) von Martys Klassenkameradin Tammy (Heather Simmons) kurzerhand in seinem Gewächshaus zum Fleischspieß verarbeitet (ich bekomme gerade Appetit auf Döner). Einer der größten Gänsehaut-Kills findet jedoch Offscreen statt. So sehen wir zunächst die Kleinstadt-Alkoholiker in der Kneipe von Lawrence Tierney, der diesmal nicht von Männern in schwarzen Anzügen umgeben ist, deren Namen aus Farbtönen bestehen. Just als sich der Hilfssheriff mit dem Großmaul der Bar anlegt, kommt Bradys besorgter Vater herein und fragt, ob jemand seinen Sohn gesehen hat. Schnitt auf Sheriff Haller mit blutverschmiertem Drachen in der Hand. Eben jenem Drachen, mit dem Brady zuletzt spielend zu sehen war. Die am Abend darauf losziehende Bürgerwehr wird höchst atmosphärisch in den nebligen Sümpfen zu Frikassee verarbeitet.

Die darauffolgende Beerdigungsszene entpuppt sich als äußerst bizarr. Diese macht zwar im Nachhinein Sinn und ist sowohl von den Masken als auch von der Atmosphäre her ausgezeichnet inszeniert, wirft aber auch Fragen auf, die ungefähr 20 Filmminuten später aufgelöst werden. Ich werde hier aus spoilertechnischen Gründen nicht näher drauf eingehen. Bis es so weit ist, baut Onkel Red einen Motorradrollstuhl für Marty, mit dem sich der 11-jährige Junge in der Realität mit Sicherheit um einen Baum gewickelt hätte. Der heiße Ofen trägt die Aufschrift „Silver Bullet“ und würde Vin Diesel Staub schlucken lassen. Trotz aller Gefahren dient der Feuerstuhl jedoch zur Rettung in letzter Sekunde. Denn Marty, der von seinem Onkel eine Tüte voller Feuerwerkskörper geschenkt bekommt, fährt nachts allein an eine Brücke, wo er ungestört seine Raketen starten kann. Eine grandiose Idee, wo doch gerade ein Psychomörder nachts umher geht. Und tatsächlich treffen Marty und der Werwolf hier erstmals aufeinander. Marty entpuppt sich jedoch als kreativ und funktioniert eine der Raketen zur Schusswaffe um mit der er das linke Auge des Wolfsmenschen trifft. Am nächsten Tag weiht er seine Schwester in das Geheimnis ein. Jane macht sich auf, um beim Pfandflaschensammeln für die Kirchengemeinde einen Bewohner mit Verletzung am Auge zu finden….
Der Werwolf von Tarker Mills ist eine zu Unrecht vergessene Perle der King-Verfilmungen, bei der der Meister selbst das Drehbuch verfassen durfte. Klar, an Meisterwerke wie Carrie – Des Satans jüngste Tochter, Shining, Die Verurteilten oder Misery kommt der Film inszenatorisch nicht annähernd heran, kann aber die typische, kingsche´ Kleinstadtatmosphäre wunderbar einfangen. Regisseur Daniel Attias ist zwar nur ein solider Handwerker in seinem Beruf, trotzdem gelang ihm der (beinahe) perfekte Gruselfilm für Jung und Alt. Die jüngeren Zuschauer orientieren sich an Marty, dem Außenseiter im Rollstuhl, als Identifikationsfigur. Dieser wird von Corey Haim, einem der wohl tragischsten Teeniestars der 80er, der seine größten Erfolge zusammen mit dem anderen Corey namens Feldman in Filmen wie The lost Boys oder Daddy´s Cadillac feierte, überzeugend dargestellt. Der andere Corey spielte zeitnah übrigens eine der Hauptrollen im genialen Stand by me – Das Geheimnis eines Sommers. Corey Haim hatte leider schon früh Probleme mit Drogen. So soll er in jungen Jahren auch Opfer von Kindesmissbrauch gewesen sein. Schaut man seine späten Werke, so erschrickt man über die bleiche Gestalt. 2010 verstarb er, als er angeblich sein Leben wieder im Griff hatte. Der eigentliche Star des Films heißt allerdings, wie bereits angedeutet, Gary Busey. Der Mann, der 1988 beinahe bei einem Motorradunfall verunglückte, spielt den Onkel Red nicht einfach, er nimmt die Leinwand mit jedem Auftritt voll in seinen Besitz. Denn seine Figur hat Ecken und Kanten. Ein saufender Frauenheld, der sich trotz aller Charakterschwächen rührend um seinen Neffen kümmert und dabei die Herzen der Zuschauer erobert. Diesem Onkel schauen wir gerne zu, bis hin zum spannenden, ja, wirklich gruseligen, Finale.

War der Film seinerzeit im Kino und auf VHS noch mit einer FSK 16-Freigabe nur gekürzt erhältlich, so veröffentlichte Kinowelt den Film vor einigen Jahren mit FSK 18-Freigabe ungekürzt (zur gleichen Zeit lief der Film auf dem Privatsender VOX bereits unzensiert mit 16er Warnung!). Die DVD von Kinowelt ist jedoch nicht zu empfehlen, besitzt sie doch einen Tonfehler in Minute 77. Das wäre nicht weiter schlimm, jedoch ist der Streifen von da an leicht asynchron (man beachte den Hammer in der Szene, in der die silberne Kugel hergestellt wird). Doch Koch Media, die heute Plaion Pictures heißen, haben dieses Manko vor Jahren behoben. Sie waren es, die Der Werwolf von Tarker Mills einst ungekürzt mit FSK 16-Freigabe in HD veröffentlichten. Jetzt haben sie nachgelegt und präsentieren den Film in gestochen scharfem 4K.
Der Film sieht wirklich hervorragend aus. Auch der Ton (Deutsch und Englisch in Linear PCM 2.0 Stereo) geht voll in Ordnung. Mir lag zur Rezension lediglich der 4K-Rohling vor. Dieser verfügt außerdem über drei Audiokommentare (Produzentin Martha De Laurentiis / Regisseur Daniel Attias / Komponist Jay Chattaway) und den Trailer. Außerdem sollen noch vier Featurettes und ein Booklet vorhanden sein.
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