Wer hätte in den letzten Jahren ernsthaft damit gerechnet, dass der einstige Oscarpreisträger Adrien Brody, der damals für seine Leistung in Der Pianist ausgezeichnet wurde, nochmal eine Dankesrede für den Erhalt eines Goldjungen halten würde? Zwar trat er in den letzten Jahren immer wieder in den Filmen von Wes Anderson auf, Rollen in so mancher Filmgurke (ja, ich meine Dich, Giallo!) hinterließen jedoch nicht den Eindruck, dass Brody nochmals zu alter Stärke gelangen könnte. Gleiches gilt für Guy Pearce, der hier ebenfalls einen zweiten Karriere-Frühling einläutet. Abgerundet wird das Schauspiel-Trio von der wunderbaren Felicity Jones, die eine besonders starke Performance abliefert. Mit einem lächerlichen Budget von nur 10 Millionen Dollar schuf Regiewunderkind Brady Corbet (Vox Lux) ein deutlich teurer wirkendes Mammutwerk. UNIVERSAL PICTURES veröffentlichte das fiktive Biopic um einen jüdischen Architekten, der sich, nachdem er bereits den Holocaust überlebte, beruflich und privat erneut durch sämtliche Höhen und Tiefen kämpfen muss.

Originaltitel: The Brutalist

Regie: Brady Corbet

Darsteller: Adrian Brody, Felicity Jones, Guy Pearce, Joe Alwyn, Raffey Cassidy, Stacy Martin

Artikel von Christian Jürs

Der Brutalist markiert die Rückkehr eines todgeglaubten Genres, dem Monumentalfilm. Eingeteilt in mehrere Kapitel (inklusive Prolog und Epilog) und im Mittelteil unterbrochen von einer Intermission mit Melodie und Pausenbild (die im Heimkino von fünfzehn auf eine Minute reduziert wurde). Regisseur Brady Corbet, der mit seiner Lebensabschnittsgefährtin Mona Fastvold das Drehbuch verfasste, wollte Großes erschaffen – genau wie sein Hauptcharakter im Film selbst.

Im Jahr 1947 wandert der ungarisch-jüdische Architekt László Tóth (Adrien Brody) nach Amerika aus, um dort einen Neuanfang zu wagen. Seine Ehefrau Erzsébet (Felicity Jones) musste er in Europa zurücklassen. László plant aber, sobald er Fuß gefasst hat in seiner neuen Heimat, sie schnellstmöglich nachziehen zu lassen. Unterstützung erhält er von seinem Cousin Attila (Alessandro Nivola) in Pennsylvania, der ihm in seiner Wohnung, wo er mit seiner Ehefrau Audrey (Emma Laird) lebt, ein Bett und außerdem einen Job im eigenen, kleinen Möbelgeschäft anbietet, wo László sich fortan um das Design der Verkaufsstücke kümmern soll.

Als eines Tages Harry Lee (Joe Alwyn), Sohn des schwerreichen Tycoons Harrison Lee Van Buren Sr. (Guy Pearce) dem Möbelunternehmen den Auftrag erteilt, eine moderne Bibliothek im Hause seines Vaters zu errichten, scheint das Glück perfekt und László kann all sein Wissen und seine Kreativität voll ausleben. Doch der unter Launen leidende Harrison Lee ist empört, als er erfährt, dass ohne seine Zustimmung der Bau in Auftrag gegeben wurde. Statt das meisterhafte Design zu würdigen, schmeißt er Attila und László ohne Bezahlung aus seinem Anwesen. Als dann noch Audrey den Architekten fälschlicherweise sexuelle Belästigung unterstellt, setzt Attila seinen Cousin auf die Straße.

Fortan arbeitet László auf dem Bau und lebt in einem Männerwohnheim, wo er Freundschaft mit seinem Kollegen Gordon (Isaach De Bankolé) schließt. Beide ersticken ihre Hoffnungslosigkeit nach Feierabend im Opiumrausch. Der amerikanische Traum scheint für László gestorben zu sein. Dann aber nimmt der ihm gegenüber damals aus der Haut gefahrene Harrison Lee wieder Kontakt zu dem ungarischen Architekten auf, nachdem ein renommiertes Magazin seine Bibliothek als meisterhaft bezeichnet hatte. Der Tycoon macht László ein gewaltiges Angebot. Bei einem Empfang in seiner Villa eröffnet er ihm und den anderen, geladenen Gästen, dass László ein riesiges Kulturzentrum errichten soll, bestehend aus einer Bibliothek, einem Auditorium, einer Sporthalle und einer Kapelle. Ein Mammutprojekt und zugleich die Chance für László, endlich seine Ehefrau, sowie seine Nichte Zsófia (Raffey Cassidy), nach Amerika zu holen. Erzsébet ist mittlerweile, aufgrund der Mangelernährung im Konzentrationslager, an Osteoporose erkrankt und an den Rollstuhl gefesselt. Doch sie ist eine Kämpferin, die ihren Mann stets unterstützt. Dessen Drogenprobleme scheinen derweil ein großes Hindernis für die Errichtung des Kulturzentrums zu sein.

Das fiktive Leben eines Architekten, eingebettet in einem über drei Stunden langen Monumental-Epos – Ich muss gestehen, dass ich mehr als skeptisch an den Film herangegangen bin, da die Prämisse nicht sonderlich spannend klingt. Umso überraschter war ich, dass Der Brutalist erstaunlich kurzweilig über den Bildschirm flimmerte. Dies liegt zum einen an den hervorragenden Schauspielern, wobei mir Felicity Jones besonders gut gefiel (obwohl sie erst in der zweiten Filmhälfte auftaucht). Es ist aber natürlich auch Brady Corbets filmischer Leidenschaft zu verdanken, dass sich der, an Meisterwerke wie Es war einmal in Amerika oder There will be blood erinnernde Film, trotz Mini-Budget, opulent und herrlich altmodisch anfühlt. Optisch ist Der Brutalist, gefilmt im analogen VistaVision-Format, ebenfalls eine Augenweide. Dass bei den Gebäuden und bei der Aussprache von Worten in ungarischer Sprache KI zur Unterstützung hinzugezogen wurde, mag dem ein- oder anderen zwar sauer aufstoßen, es sollte aber niemanden davon abhalten, sich Der Brutalist zumindest einmal anzuschauen. Seine Filmpreise (u.a. drei Oscars) gewann der Film vollkommen zurecht.

Großes, opulentes Schauspiel-Kino, gedreht für schmales Geld in Ungarn und Italien, mit Bildern, die beweisen, dass Regisseur Brady Corbet, der früher als Schauspieler tätig war, ganz genau weiß, was er da inszeniert. Man darf gespannt sein, was er uns als nächstes kredenzt.

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