Das Genre des Erotik-Dramas ist – für mich – eines der überflüssigsten überhaupt. Gibt es etwas, was langweiliger ist, als erwachsenen Menschen dabei zuzusehen, wie sie, meist verheiratet, mit ihrem emotionalen Schicksal hadern und nun jemand Neues kennenlernen? Die Ehefrau, die beim Sex keine Erfüllung mehr findet und nun auf einen jungen, charismatischen Lover trifft – genau das passiert Nicole Kidman. Wow! Halina Reijin empfand die Geschichte (falls es denn eine ist) als verfilmenswert und schrieb ein Drehbuch, dass schlicht banal, vorhersehbar und überflüssig ist, gäbe es da nicht drei Punkte, die drei einzig guten Einfälle der Autorin, die Babygirl über den schwül-schwülstigen Unsinn ähnlich gelagerter Produktionen hebt. Die drei Punkte sind: die Besetzung, die Kameraführung und die letzte Einstellung auf Nicole Kidman, für die sie eigentlich eine Oscar-Nominierung verdient gehabt hätte. Was sie dort in der letzten Einstellung sagt, sind die besten Textzeilen, die im Drehbuch stehen und ergeben einen ganz großen Schauspielmoment für Nicole Kidman. Bessere Geschenke kann die Regie einem Schauspieler nicht machen. Dass Kidman was kann, zeigt sie in diesem Film, sie macht ihn eigentlich erst sehenswert. CONSTANTIN FILM brachte das Drama um verborgene Sehnsüchte und Dominanz nun im Heimkino heraus.

Regie: Halina Reijn

Darsteller: Nicole Kidman, Harris Dickinson, Antonio Banderas, Sophie Wilde

Artikel von Kai Kinnert

Romy Miller (Nicole Kidman) ist Gründerin und CEO eines Unternehmens, das gerade an der Börse durchstartet. Privat ist sie glücklich verheiratet mit einem renommierten Theaterregisseur (Antonio Banderas) und Mutter zweier Töchter. Unter den neuen Praktikanten in Romys Firma ist auch Samuel (Harris Dickinson), der sich selbstbewusst über alle Regeln hinwegsetzt, Romys Dominanz herausfordert und unterdrückte Leidenschaften in ihr entfacht. Sie beginnen eine Affäre, die bald alle Grenzen sprengt. Romy kann nicht mehr zurück, verliert zunehmend die Kontrolle und setzt damit alles aufs Spiel.

Der Film beginnt mit einem Orgasmus. Nicole Kidman sitzt auf ihrem Ehemann (Antonio Banderas), die Kamera filmt kunstvoll von oben auf das Gesicht von Kidman, der Rest des Bildes verläuft sich in Unschärfe. Kidman sieht gut aus, sie scheint für die Rolle auf eine Botox-Behandlung verzichtet zu haben. Kleine Falten und Spuren des Alters machen ihr Gesicht lebendig. Kaum ist der Orgasmus abgeklungen, läuft Kidman in ein Nebenzimmer an ihr Laptop und masturbiert zu einem Porno. Sie liebt ihren Ehemann – doch befriedigend ist es scheinbar schon lange nicht mehr. Am darauffolgenden Arbeitstag gibt Nicole wieder die souveräne Gründerin und CEO ihres Robotik-Unternehmens und empfängt die neuen Praktikanten. Darunter ist auch Samuel, ein attraktiver Hundeflüsterer, der ihr unlängst unten auf dem Gehweg auffiel. Ein losgerissener Köter drohte nämlich auf Kidman loszugehen, als ein strenger Pfiff und ein „Hier!“ den Hund von seiner Attacke abbringt. Samuel beruhigt den Hund mit einem Keks, streichelt ihn und übergibt ihn der Besitzerin, von der sich der Köter losgerissen hatte. Kidman und Dickinson wechseln ein paar Worte, bis sie ihn dann anschließend oben als Praktikant ihrer Firma wiedererkennt. Samuel (Harris Dickinson) ist selbstbewusst, attraktiv, tätowiert und „gechillt“, frech und ohne Berührungsängste. Kurz: ein Traum für ältere Damen, die in festgefahrenen Beziehungen feststecken. Man beginnt sich zu umkreisen; die Annäherung beginnt. Als die Annäherung dann erstmalig zu sehr ins Gewissen von Romy dringt, macht sie das, was viele Menschen machen, die dabei sind, ihren Partner zu betrügen: sie will sich ihrer Liebe zu ihrem Ehemann bestätigt wissen und macht ihm deutlich, wie sehr sie ihn liebt. Es ist, als müsste man sein eigenes Gewissen überlisten, um sich den emotionalen Abstieg des Betrügens vorher noch als unabdingbar schön zu reden.

Was folgt, hat man in ähnlichen Filmen schon tausendfach gesehen, nur eben ohne Nicole Kidman. Romy blüht noch einmal auf! Man geht tanzen, knutschen und ficken, wobei Samuel stets in sich ruht und Romy am erregenden Band der Dominanz führt. Doch Romy hat Kinder und einen Ehemann, das wird nicht lange gut gehen. Natürlich fliegt die ganze Sache auf, das Geschrei und das Geschubse unter den Alpha- und Beta-Männchen geht los, wenn auch nur kurz. Es stellt sich nun die spannende Frage, für wen sich denn Romy am Ende entscheiden wird. Die Lösung, die Halina Reijin für ihr völlig durchschnittliches Drehbuch findet, ist eine gute und mündet eben in dieser einen Einstellung auf Nicole Kidman, es ist ihre letzte in dem Film, in der sie ihre (vorher schon) grandiose Vorstellung auf Oscar-Niveau hebt. Hier findet sich die Essenz des Films wieder, hier nennt Kidman die Motivation für ihre Rolle, hier verlässt Reijin endlich die Augenwischerei der ansonsten nur angetäuschten Handlungstiefe und gibt Romy eine spürbare Menschlichkeit.

Babygirl ist Arthouse-Kino, fulminant gefilmt und souverän gespielt. Die Besetzung spielt durch die Bank das flache Drehbuch so gut weg, dass man glatt glaubt, der Film hätte etwas zu erzählen. Nicole Kidman spielt groß, uneitel, zart, herb, hart und verletzlich, kurz – einfach klasse. Sie macht aus der Story etwas spürbares, sie gibt der kurzatmigen Story mehr Tiefe, als es Reijin überhaupt skizzierte. Ebenso gut ist Harris Dickinson, der Kidman glaubwürdig um den Finger wickelt und auch mit Hunden in natürlicher Dominanz umgehen kann (ein Bild, mit dem der Film beinahe schließt), gefolgt von Antonio Banderas, der hier in seinen wenigen Szenen feinfühliges und nahbares Schauspiel abliefert. Wer sich im Ehebruch-Genre und im Sog der unerfüllten Wünsche wohl fühlt, sollte unbedingt einen Blick auf Babygirl wagen: formal ist der Film zeitgenössisches und gekonntes Kino, inhaltlich wird dem Altbekannten nur wenig Neues beigesteuert.

Das Bild der gesichteten Blu-ray ist sauber, satt und klar, der Ton ist gut. Als Extras gibt es First Look Featurette, Featurette Nicole Kidman, Interview Nicole Kidman & Halina Reijn, Pressekonferenz, Deleted Scenes, einen Audiokommentar mit der Regisseurin Halina Reijn,Trailer Deutsch und Trailer Englisch.

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