Da ist er also, der Film des Jahres, zumindest, wenn wir der Oscarverleihung Glauben schenken wollen. Regisseur und Drehbuchautor Sean Baker (Tangerine) inszenierte eine moderne, ganz eigene Cinderella-Variante auf Speed, in der Mikey Madison (Once Upon a Time In… Hollywood) die Pretty Woman gibt – im Gegensatz zu Julia Roberts aber mit vollem, ungedoubelten Körpereinsatz. CAPELIGHT PICTURES veröffentlichte die wilde Mischung aus Romanze, Roadmovie, Komödie und Drama jetzt in verschiedenen Editionen im Heimkino. Ob der Film seinem Hype gerecht wird, verrate ich Euch in meiner Rezension.

Drehbuch & Regie: Sean Baker

Darsteller: Mickey Madison, Mark Eydelshteyn, Paul Weissman, Lindsey Normington, Yura Borisov

Artikel von Christian Jürs

Damit hatte wohl kaum jemand gerechnet. Die gerade einmal (zum jetzigen Zeitpunkt) 26-jährige Mickey Madison schnappte Demi Moore, der Favoritin für den Oscar als Beste Hauptdarstellerin, die in The Substance eine großartige Performance ablieferte, den Goldjungen vor der Nase weg. Ich war neugierig: ist ihre Darstellung der titelgebenden Anora / Ani wirklich so beeindruckend, dass die Vergabe gerechtfertigt war? Bislang fiel mir die junge Dame lediglich in ihren Rollen in Once Upon a Time In… Hollywood und dem 2022´er Scream auf. Die Serie Better Things, in der sie eine der Hauptrollen spielte, ging bislang an mir ungesehen an mir vorüber.

Anora, genannt Ani (Mickey Madison) arbeitet als erotische Tänzerin in einem exklusiven Stripclub. Notgeile Kerle bei einem Lapdance in Ekstase zu bringen ist für sie etwas, dass sie auf Autopilotstellung erledigt. Dies ändert sich, als sie dort auf Vanya (Mark Eydelshteyn), den Sohn eines russischen Oligarchen, trifft. Beide finden sich auf Anhieb sympathisch, weswegen er sie auch außerhalb des Stripclubs bucht – für Sex. Es soll nicht bei einer Nummer bleiben und so unterbreitet Vanya ihr das Angebot, sie eine Woche für 15.000$ exklusiv zu mieten. Ani geht auf das Angebot ein und verbringt mit dem reichen Studenten und seinen Freunden eine aufregende Woche voller Alkohol, Drogen und Sex. Als ihre gemeinsame Zeit sich dem Ende naht, macht Vanya Ani einen spontanen Heiratsantrag, auf den die junge Frau freudig eingeht.

Und so fliegen die beiden nach Las Vegas, wo sie sich gegenseitig das Ja-Wort geben. Ani kündigt daraufhin ihren Job im Stripclub und zieht mit Sack und Pack in Vanyas Villa ein. Alles scheint wie im Märchen zu sein. Doch dann bekommen Vanyas Eltern Wind von der Ehe mit der Erotik-Tänzerin. Es dauert nicht lange, da klingelt es bei Vanya an der Tür…

Zu diesem Zeitpunkt macht der Film, der bislang eine Mischung aus Erotikfilm, Drama und Romanze war, eine komplette Kehrtwende. Ohne zu viel zu spoilern, sei erwähnt, dass plötzlich Comedy- und Road Trip-Elemente bei Anora Einzug halten und die zweite Hälfte des 139 Minuten langen Streifens damit höchst amüsant gestalten. Ab diesem Moment kommen noch drei weitere Figuren zur Handlung hinzu, die den Unterhaltungswert nochmal enorm steigern (wobei die erste Filmhälfte ebenfalls beeindruckt mit krachenden Club-, Sex- und Partyszenen).

Im Zentrum der Handlung aber steht, logischerweise, Anora – und die wird ganz fantastisch verkörpert von Mickey Madison. Zugegeben, das Drehbuch von Regisseur Sean Baker ist daran nicht ganz unschuldig, denn der verpasste seiner Hauptfigur mehrere Ecken und Kanten und ausreichend Situationen, um sich schauspielerisch zu beweisen. Doch diese Hingabe, die Mickey Madison hier an den Tag legt, um alle Facetten ihrer Rolle zum Leben zu erwecken, von der sexy Erotikarbeiterin zur beißenden und schreienden Ehefrau, ist zweifellos einen Goldjungen wert gewesen. Spätestens in der letzten, emotional mitreißenden Szene, dürfte hier jeder Skeptiker nickend zustimmen.

Anora ist wahrhaft eine Wundertüte an Emotionen und inhaltlichen Wendungen – witzig, erotisch, spannend, traurig – und dabei erstaunlich lebensecht und kompetent inszeniert. Vielleicht am besten beschrieben als Mischung aus Pretty Woman und Der schwarze Diamant mit tollen Darstellern und geleitet von kompetenter Regie. Mir lag zur Rezension das Mediabook vor. Bild- und Tonqualität (DTS-HD Master Audio 7.1) sind großartig, die Synchronisation ist ebenfalls gelungen. Im Bonusbereich gibt es eine tolle, 67-minütige Dokumentation über den Filmdreh, Casting-Clips, entfallene Szenen und Trailer. Im Mittelteil des Mediabooks befindet sich zudem ein stabiles Booklet mit Bildern und einem Interview mit Sean Baker, geführt von Bert Rebhandl.

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