Dass WarGames damals ein gar nicht mal so doofer Film über die neuste technische Entwicklung (das Hacken) war, konnte man Anfang der 1980er noch nicht wissen. Man hatte schlichtweg noch nichts über diese neuerliche Entwicklung des „Einwählens“ in Computersysteme gehört, um dort dann irgendwelchen Unsinn zu treiben. Und bevor John Badham an Bord der Produktion kam, war das Originaldrehbuch von WarGames ein eher technischer und ernsthafter Computer-Film, der sich ganz um die neu entstandene Hacker-Szene drehen sollte. Doch Badham fand, dass das Drehbuch entschlackt werden müsste, da einfach zu viele Leute noch nie etwas von den technischen Vorgängen gehört haben, die im Film beschrieben werden. Dennoch blieben in der ersten Hälfte des Films etliche Abläufe des ersten Drehbuchentwurfs erhalten, die dann von Badham griffig, und auch für den Laien nachvollziehbar, herunter gebrochen wurden und ganz wesentlich zur analogen Computerthriller-Atmosphäre beitragen. Gute Hacker-Filme sind eine Rarität in der Filmwelt, oftmals ist es nur albernes Digital-Geklapper mit dümmlichen SchnickSchnack-Programmen und Laptops, die sofort ihr Betriebssystem hochgefahren haben, sobald man auch nur den Deckel berührt. Was lobe ich mir da doch die gute alte analoge Zeit, wo man Dinge noch linear lösen musste und man für das Knacken eines Passworts in der Bibliothek recherchieren musste. Biblio…was?? Ja, genau. Am Ende kann man es drehen und wenden, wie man will: Trotz des niedlichen Hollywood-Teenie-Love-Adventure-Rahmens gelang Badham einer der wenigen, guten Hacker-Filme überhaupt. Und das bei einem 42jährigen Film, der der erste seiner Art war und dem noch der eine oder andere Streifen nachfolgte. CAPELIGHT PICTURES brachten diese nostalgische Jugendkino-Erinnerung nun frisch restauriert heraus.

Originaltitel: WarGames
Regie: John Badham
Darsteller: Matthew Broderick, Ally Sheedy, Dabney Coleman, John Wood, Michael Ensign, Barry Corbin
Artikel von Kai Kinnert
Der 16-jährige Schüler und Hobbyhacker David (Matthew Broderick) glaubt, nach ein paar Klicks und Tricks erfolgreich in das Computersystem eines Videospielherstellers eingedrungen zu sein, wo die neuesten Kriegsspiele darauf warten, von ihm ausprobiert zu werden. Als er dazu aufgefordert wird, Nuklearraketen auf US-amerikanische Ziele zu richten, bringt er seine virtuellen Geschütze in Position – ohne zu ahnen, dass er sich nicht in einem Spiel befindet: Statt des Systems eines Spielekonzerns hat er unwissend das des nordamerikanischen Luftverteidigungskommandos NORAD angezapft und eine militärische Simulation gestartet, die das Kommando in höchste Alarmbereitschaft versetzt und als atomarer Überraschungsangriff der Sowjetunion gegen die USA gedeutet wird.

Im Audiokommentar amüsieren sich die Filmemacher über die Eröffnungsszene. Zwei Soldaten treten ihren Dienst am „Roten Knopf“ an, der in diesem Falle ein zweifacher Drehschalter ist, der von zwei Leuten gleichzeitig gedreht werden muss, um die Rakete abzufeuern. Es kommt dann plötzlich zu einem Alarm, der Atomkrieg geht los, und die Raketen müssen abgefeuert werden. Der eine Soldat ist bereit für die atomare Apokalypse – der andere nicht. Er zögert, er kann es nicht. Daraufhin zückt der Soldat seine Waffe (es ist Michael Madsen) und droht den skrupelhaften Soldaten zu erschießen. Gelächter bei den Filmmachern! Die Szene ergibt keinen Sinn, da man ja zwei Leute braucht, um die Rakete abzufeuern – warum also erschießen? Wieso überhaupt? Warum haben sie Waffen dabei? Und was hat es mit dem Rest des Filmes zu tun? Nicht viel, aber sie fanden die Szene gut, beruht sie doch auf einer Zeitungsmeldung und war einer der auslösende Momente, das Drehbuch zu WarGames zu entwickeln.
Als WarGames in die Kinos kam, war das mit dem Hacken der „neuste Shit“ von dem allerdings kaum ein Normalsterblicher etwas wusste. Es ahnte damals niemand, dass man in WarGames gerade den Anfang des digitalen Zeitalters miterlebte und das 42 Jahre später sogar kleine Telefone, womöglich sogar elektrische Zahnbürsten, mehr Rechenleistung haben, als der bedrohlich brummende WORP Computer, der, dank David, aus einer Simulation heraus einen atomaren Angriff starten möchte. Doch wie kann man den brummeligen WORP Computer (War Operation Plan Response) nun stoppen? Klar: Man holt sich den Hacker David, von dem man schon wusste, dass er sich ins NORAD Netzwerk eingewählt hatte, und hofft auf einen rettenden Einfall des Jungen. Die Rechenaufgabe, alle Kombinationen im TicTacToe durchzuspielen, wird WORP abshließend in die Knie zwingen – soweit keine Überraschung. Überraschend ist allerdings, dass WarGames auch heute noch sehenswertes und gut gemachten Entertainment ist. Dabei ist WarGames ein Low-Budget-Film, wie die Filmemacher im Audiokommentar immer wieder bestätigen. Man war – zurecht – ziemlich stolz darauf, für 12 Millionen Dollar einen so aufwändigen Film gedreht zu haben. Die Kulissen das NORAD Komplexes wurden alle nachgebaut, wobei John Badham große Angst hatte, dass das Publikum die Kommandozentrale mit Stanley Kubriks Dr. Seltsam assoziieren würde. Also achtete man darauf, keine Steilvorlage zu liefern, denn sobald man auch nur eine Sekunde lang an Peter Sellers denken müsste, hat WarGames verloren. Eine Anspielung gibt es jedoch auf Stanley Kubrik. Bei Kubrik hieß es immer „In der Kommandozentrale wird niemals gerannt!“ – und genau das passiert im letzten Drittel des Films: der Computertechniker stürzt in die Zentrale und rennt und springt zum Vorgesetzten, der daraufhin sagt: „In der Kommandozentrale wird niemals gerannt!“

Die Zentrale der NORAD ist – auch nach heutiger Betrachtung – noch immer ein großartiges Set. Die Kulisse sieht einfach gut aus, man hat sich bei der Gestaltung der NORAD-Sequenzen große Mühe gegeben und wirklich mit viel Liebe zum Detail gearbeitet. Eine der großen Schutztüren (es die silberne mit der mächtigen Verriegelung) ist sogar echt gegossen worden. Man hatte für den Film tatsächlich eine riesige Bunkertür aus Stahl herstellen lassen, mit allem Drum und Dran, und die im Studio in die Kulisse eingebaut. Dabei ist die Tür allerdings einmal aus der Verankerung gerissen und ungebremst auf den Studioboden gekracht, was zur Spaltung des Steinbodens führte.
John Badhams Film ist dank seiner großartigen Besetzung (Matthew Broderick und Ally Sheedy spielen charmant und sind ein glaubwürdiges Teenager-Paar), einer guten Recherche, einer sorgfältigen Kameraführung, der straffen Inszenierung und den atmosphärischen Kulissen auch heute noch sehr kurzweilig und unterhaltsam anzusehen. Dazu noch die Szene, die man heute so nicht mehr drehen könnte: die Helikopter-Szene. Broderick und Sheedy flüchten in der Dunkelheit über offenes Feld vor einem verfolgenden Helikopter, der immer wieder sehr dicht über die Protagonisten hinweg donnert und sie umkreist. Im Audiokommentar rückte Badham dann damit heraus, dass dies nicht getrickst wurde. Broderick und Sheedy rennen selber improvisiert über das Feld und der Helikopter fliegt tatsächlich SEHR dicht über die Köpfe der Schauspieler hinweg. Damals kein Problem, heute undenkbar.

WarGames ist ein runder und gelungener John Badham-Film, der mir – dank seiner oben aufgezählten Vorteile – überraschenderweise auch heute noch sehr gut gefallen hat, was ich nicht von jedem Film aus den frühen 1980ern sagen kann. So manchen Film hält man lieber ungesehen in guter Erinnerung, bei diesem hier ging es gut aus. Darauf eine Partie TicTacToe!
Das Bild der gesichteten Blu-ray ist sauber, satt und klar, der Ton ist gut. Als Extras gibt es ein interessantes 24-seitiges Booklet mit einem Text von Tobias Hohmann, einen Audiokommentar von Regisseur John Badham und den Drehbuchautoren Lawrence Lasker und Walter F. Parkes (deutsch untertitelt), Originalkinotrailer, und Deutscher Kinotrailer (restauriert), auf einer Bonus-Blu-ray Loading WarGames: Das Making-of, Hacker greifen an, NORAD: Festung des Kalten Krieges, Tic-Tac-Toe: Ein Strategiespiel von historischer Bedeutung (alles deutsch untertitelt).
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