„Sie sind der beste Feuchtdurchwischer den wir haben!“ Und mit Feuchtwischer kann nur Steven Seagal gemeint sein, die Preßwurst des Actionfilms, stets im XXXL Sakko gewandet und meist sitzend im Bild. Ob sich der sitzende Grapsch-Opa jemals wieder in solide, filmische Sphären aufschwingen kann ist fraglich. Man wird ja nicht jünger. Und ob CONTRACT TO KILL ein weiser Karriereschritt war, wird sich nun zeigen.

Originaltitel: Contract to Kill

Drehbuch und Regie: Keoni Waxman

Darsteller: Steven Seagal, Russell Wong, Jemma Dallender

Artikel von Kai Kinnert

Anfang der 90er drehte Seagal tatsächlich einige gelungene, gut choreografierte Actionfilme mittleren Budgets mit ruppiger, in Deutschland stets geschnittener, Action. In guten Kampfsequenzen und auf dem Höhepunkt seiner Martial-Arts-Kunst konnte Seagal glaubwürdig den asiatischen Actionfilm auf den amerikanischen Markt transferieren und drehte so zwar platte, aber hart gemachte Streifen wie BROOKLYN MASSAKER oder ZUM TÖTEN FREIGEGBEN. Durch den Erfolg seiner Filme wuchs das eh schon nicht kleine Ego von Steven ins Übergroße und er nahm immer mehr Einfluss auf den Inhalt der Filme und die Inszenierung seiner Rolle – was dann zum Einbruch seiner Karriere führte. Die Filme wurden schlechter. Ohne großes Studio im Rücken produzierte sich Seagal fortan meist mit den immer gleichen Leuten selbst und drehte mit wenig Budget in Osteuropa oder Kanada. Und je älter der Frauengrapscher Seagal wurde, um so dicker wurde er und um so weniger konnte er sich in den Kämpfen bewegen. Cool wie Horst Tappert zu seinen besten Zeiten lässt Seagal die Action an sich vorbeigehen, bewegt vielleicht nochmal einen Finger oder dreht seine Schulter. Den Rest löst die Schnittfolge. Die Kamera begann für Seagal zu kämpfen und nicht umgekehrt.

Die Marke Steven Seagal bleibt seit 1988 unverändert und findet so fast schon tragische Züge, da die filmische Entwicklung nicht mit alterte. Jean-Claude van Damme war so schlau, sich eine Brechung seiner Figur durch JCVD oder JEAN-CLAUDE VAN JOHNSON zu gönnen und mit seinem Alter und seinen Filmen zu kokettieren. Ihm gelang so, auch mit besseren Regisseuren, ein würdevolleres Dasein im B-Movie-Kosmos, als Steven Seagal, der hier in CONTRACT TO KILL mit Keoni Waxman als Regisseur dreht. Waxman ist zugleich Produzent mit seiner Firma Actionhouse Movies, mit der er schon einige Seagal-Streifen drehte. Schlimmste Voraussetzungen also. Daher öffne ich mir zur Sichtung des Films vorsichtshalber ein Bier. Es kann losgehen.

Waxman beginnt untalentiert und hat den Film in den ersten 8 Minuten eigentlich schon durch schlechtes Timing und billige Effekte ruiniert. Nicht nur, dass uns ein schlechter Schauspieler mit Zottelbart, hier ein CIA Vorgesetzter, schnell mal die Handlung erklärt, sondern, dass auch in der Szene zuvor ein Flugzeug explodiert, und zwar so schlecht, dass sogar ich den Effekt 2006 mit Adobe Premiere 6.0 hinbekommen habe. Nachdem uns Rumänien als Istanbul verkauft worden ist, sitzt jetzt Steven Seagal wie ein fetter Däumling mit Bart am Tisch einer mexikanischen Kneipe und erfährt von dem CIA Fuzzi mit angeklebtem Bart, dass arabische Terroristen die Narcos kaufen, um über die Schmugglertunnel bei Mexiko in die USA zu kommen. Dazu gäbe es ein Treffen in Istanbul zwischen den arabischen und mexikanischer Bossen, welches Seagal verhindern muss. Steven nimmt den Job an und will neben neuen Klamotten auch noch einen Jet, als es endlich zu einem Streit am Nebentisch kommt und so den Zuschauer von diesem schlechten Dialog befreit.

Eine Mexikanerin hat Streit mit zwei Typen, was Feminist Seagal auf den Plan ruft. Endlich bahnt sich ein Handgemenge an, genau deswegen sehen wir ja Seagal-Filme. Aber als ich Seagal in den ersten Minuten des Streifens fett am Tisch sitzen sah, fühlte ich mich an Dieter Pfaff erinnert, und wertete das als schlechtes Zeichen. Immerhin hat Dieter Pfaff ob seiner Leibesfülle die TV Serie BLOCH nur noch im Sitzen oder irgendwo abgestützt spielen können. Und tatsächlich – Seagal haut den beiden Streithähnen im Sitzen eine rein. Ein Move war dabei tatsächlich ganz gut, dafür musste Seagal allerdings aufstehen. Der erste Fight Schulnote „Drei“, wenn auch pomadig verpackt.

Danach sitzt Seagal wieder an einem Tisch, mit den typisch verschränkten Armen, und verhört einen Araber, den die Grenzpatrouille am Zaun der US-Grenze hopps genommen hat. Dabei spricht Steven alle möglichen Sprachen, weiß alles und bringt sämtliche Informationen auf den Punkt. Al Qaida, der IS, das Sonora Kartell, indianische Ureinwohner, Erschießungen, alles spielt hier eine Rolle. Der Araber scheint beeindruckt vom Wissen Seagals und überlegt, ob er nicht doch lieber auspacken sollte.

Dann sitzt Steven am nächsten Tisch, hier mit seiner jungen Kollegin Zara Hayek (Jemma Dallender) die fast noch schlechter spielt, als ihr Boss John Harmon (Steven Seagal). Unterstrichen wird das durch die miese Drohnenszene im Anschluß, bei der Matthew Sharp (Russell Wong) sein Nicht-Können als Drohnenspezialist beweist und Dallender mit einer Soft-Air rumfuchtelt. Später wird eine laute Drohne in den Ausmaßen eines Rasenmähers zur unauffälligen Beschattung von Gangstern in Istanbul benutzt und ich öffne mein nächstes Bier. Kann das wahr sein?

Während unsere Drohne die Gangster in einem Hotelzimmer sucht, erledigt Harmon in günstigen Actioncuts die nächsten zwei Wachen im Hoteltreppenhaus. Dabei bedient sich der Film stets der gleichen Bildfolge: Einige Close Ups von Seagal werden mit Cuts auf seine Hände und die Treffer unterschnitten. Je weniger der Regisseur von der optischen Dynamik der Martial-Arts-Abläufe weiß, desto schneller und näher werden die Schnitte. Und Waxman hat bis Minute 43, solange läuft der Film gerade, keine Ahnung von Action. Allerdings wusste er dann doch gerade mit der Drohne zu überraschen. Was für ein Fuchs, dieser Waxman.

Von nun an ist Harmon mit einem alten, gelben Camaro in den Straßen von Istanbul auf der Flucht, dem schlechtesten aller Fluchtfahrzeuge. Ein Heckantriebler in Gelb und miese Rückprojektionen, der Rest gedreht in irgendwelchen rumänischen Straßen, heben die Verfolgungsjagd auf SHARKNADO Niveau. Danach sitzt Harmon endlich wieder auf einem festen Stuhl, telefoniert dabei und wir erfahren spannendes. Russell Wong tut einem fast leid, das er für diesen Quatsch unterschrieben hat. Er tippt derweil auf einem Computer herum und verleitet Hayek und Harmon dazu, die verquaste Handlung erneut ellenlang zu erklären. Danach darf Seagal endlich mit Jemma Dallender ins Bett. Er angezogen, sie barbusig. Ganz der alte Daddy. Der Film trällert weiter und mir kommt die Me-Too-Bewegung in den Sinn. Steven Seagal wurde schon vor 15 Jahren vorgeworfen, ein Schwein zu sein, aber es hat keinen interessiert. Plötzliche Action reißt mich aus den moralischen Gedanken heraus und Jemma Dallander darf hier ein paar Tritte und Kopfnüsse verteilen und wird dann doch entführt. Harmon erledigt zwar noch einen Mexikaner mit einer Metallstange, doch er kommt zu spät. Auch hier wieder schnelle Cuts, immerhin wird der Gegner recht ordentlich abgemistet.

Danach, ja genau, sitzt Harmon wieder. Nun in einem Auto und erklärt erneut das Geschehen. Die weiterhin schlechte Rückprojektion der Autofahrt erheitert. Aber was soll´s, immerhin sitzt jetzt die entführte Hayek wie eine schmollende Göre auf einem Sofa vor den türkischen und mexikanischen Kartellbossen und wird unliebsam aus dem Raum gezerrt. Draußen, vor dem offensichtlich rumänischen Hotel (wir sind in Istanbul), bahnt sich die Befreiung Hayeks durch Harmon und Drohnen-Wong an. Wieder kommt der Rasenmäher zum Einsatz. Harmon schaltet ein Wache aus und macht das tatsächlich mit einer ganz guten Eröffnung des Kampfes.

Hier kann es Seagal plötzlich noch. Seine Attacke mit den Armen ist für Sekunden mit voller Wucht da und der Schnitt lässt es für einen Moment zu, das nur Seagal das Tempo im Kampf vorgibt. Danach fallen Kamera und Schnitt ins Koma zurück und zerhacken Russell Wongs anschließende Action ebenso. Von nun an überschlagen sich die Ereignisse, Kampf hier, Action da, Tralala. Was ist das nur für ein Gebäude,in dem die da gedreht haben? Das Setting passt ja so gar nicht. Wo ist eigentlich Hayek? Seagal und Wong töten sich zu den Gangsterbossen hoch. Dabei erwachen Regie und Kamera kurz aus dem Tiefschlaf und geben Russell Wong eine deutliche bessere Kampfszene als zuvor. Hier wieder eine satte „Drei“. Auch Seagal darf beim Verdreschen seiner Gegner noch mal einen Tick besser ran, immerhin sind wir hier jetzt im Finale. Ich habe ob der vielen Toten ein bisschen den Überblick verloren. Aber deswegen ist Harmon wohl auch der beste Feuchtwischer der CIA. 80 waren es bestimmt. Der Film endet mit ein paar Pannen im Abspann.

Ich trinke meinen letzten Schluck Bier und denke, was das soll. Ja, ok. In den letzten 20 Minuten gab´s irgendwie nur noch auf die Fresse. Und Steven Seagal hatte da auch keine Zeit zum Sitzen. Aber das war es dann auch schon. Die wenigen Sekunden brauchbarer Seagal-Action reichen nicht aus, um diesen günstig hingeschluderten Filmfurz zu retten. Die Karriere von Steven Seagal bleibt im Keller.

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