In den 1930er Jahren zog das Verbrecherpaar Bonnie Parker und Clyde Barrow eine blutige Spur durch den mittleren Westen der USA und sorgte damit für großes Aufsehen, inklusive Legendenbildung. Nun hat sich der Streaming-Anbieter NETFLIX zur Aufgabe gemacht, den Mythos von Bonnie & Clyde weniger romantisierend aufzuarbeiten. Das zeigt sich schon darin, dass sie im kürzlich veröffentlichten Drama THE HIGHWAYMEN (2019) kaum zu sehen sind. Stattdessen schlägt sich der Film ganz und gar auf die Seite von Woody Harrelson und Kevin Costner, die als alternde Revolverhelden Jagd auf das wohl berühmteste Duo der Kriminalgeschichte machen. Ob der Film der Geschichte neue Aspekte abgewinnen kann und über die Laufzeit von über zwei Stunden fesseln weiß, erfahrt ihr in unserer Kritik.

Originaltitel: The Highwaymen

Drehbuch: John Fusco
Regie: John Lee Hancock

Darsteller: Kevin Costner, Woody Harrelson, Kathy Bates, Kim Dickens, John Carroll Lynch, William Sadler…

Artikel von Christopher Feldmann

Die damalige Weltwirtschaftskrise ist ein dunkles Kapitel in der Geschichte, und besonders in den Vereinigten Staaten war eine hohe Kriminalitätsrate an der Tagesordnung. Neben Verbrechern wie John Dillinger, waren Bonnie Parker und Clyde Barrow das wohl schillerndste Räuber-Gespann, die regelmäßig Tankstellen, Lebensmittelgeschäfte und kleine Banken heimsuchte. Auch zahlreiche Morde, meistens an Polizisten, gehen auf ihr Konto und obwohl beide recht skrupellos zu Werke gingen, avancierte das Pärchen schon bald zu Volkshelden, die sich, für viele Bürger, gegen das System auflehnten. Spätestens mit Arthur Penns filmischer Betrachtung BONNIE & CLYDE (1967) hielten die berühmten Verbrecher Einzug in die Popkultur. Obwohl der Film, mit Warren Beatty und Faye Dunaway in den Hauptrollen, zum Hit wurde und auch bei den OSCARS gut vertreten war, hagelte es auch scharfe Kritik. Arthur Penn vermied nämlich eine objektive Darstellung und romantisierte die Beiden als gescheiterte Variante des amerikanischen Traums, und verklärte sie damit fast schon zu Anti-Helden. Diesen Umstand versucht nun NETFLIX zu korrigieren und bringt mit THE HIGHWAYMEN einen Film auf den heimischen Bildschirm, der bereits seit 2005 in der Entwicklung steckte. Ursprünglich waren einmal Robert Redford und Paul Newman für die Hauptrollen im Gespräch, jedoch wagte sich kein Studio an die Produktion. Wie gut, dass es eben unseren lieben Streaming-Dienst gibt, der langsam zur Resteverwertung für fallengelassene Projekte avanciert, denn auch wenn THE HIGHWAYMEN wesentlich unromantischer daherkommt, als noch Penns bekannter Filmklassiker, im Kino hätten wohl die wenigsten ein Ticket für das Drama gelöst, in dem nun Kevin Costner und Woody Harrelson zu bewundern sind. Das liegt wahrscheinlich daran, dass John Lee Hancocks neuste Regie-Arbeit vor Allem eines ist: Stinkelangweilig!

Handlung:
Seit Monaten sorgen die beiden Verbrecher Bonnie Parker (Emily Brobst) und Clyde Barrow (Edward Bossert) für Empörung bei der Regierung, vor Allem bei der texanischen Gouverneurin „Ma“ Ferguson (Kathy Bates). Jeder Versuch, die Beiden zu schnappen scheitert kläglich, weshalb der resoluten Dame bald das Wasser bis zum Hals steht. Als letzten Ausweg, reaktiviert sie, auf Bitten ihres Vertrauten Lee Simmons (John Carroll Lynch), den ehemaligen Texas Ranger Frank Hamer (Kevin Costner), der als legendärer Revolverheld aus einer Zeit gilt, in der Befugnisse noch nicht so klar festgelegt waren. Nach anfänglichem Zögern, nimmt er den Fall jedoch an und begibt sich mit seinem früheren und mittlerweile heruntergekommenen Partner Maney Gault (Woody Harrelson) auf die Suche nach den Staatsfeinden.

Eigentlich ist der Ansatz von THE HIGHWAYMEN gar nicht mal so verkehrt. Anstatt sich, wie schon gefühlt hundert andere Filme, mit den kultigen Kriminellen zu beschäftigen, wählt das Drama einen anderen Blickwinkel. Was haben eigentlich die Männer für eine Geschichte, die sie zur Strecke gebracht haben? Ein interessanter Aspekt, der bisher immer ausgespart wurde, denn auch Frank Hamer und Maney Gault waren Bonnie und Clyde nicht ganz unähnlich. Auch sie waren zum Zeitpunkt der Verbrechensserie irgendwie Aussätzige, alternde Revolvermänner, die in der aktuellen Gesellschaft keinen Platz mehr haben. Zu betagt, um im Dienst zu agieren, zu altbacken, und wahrscheinlich gesetzeswidrig, in ihren Methoden. Der Eine dümpelt durch seine Rente, der Andere liegt seiner Tochter auf der Tasche. Der große Unterschied liegt lediglich in den Ansichten. Während Hamer und Gault immer noch auf der Seite des Staates sind, sind die anderen Beiden eben klassische Kriminelle, die es zu stoppen gilt.

Doch das Konzept bleibt lediglich ein Konzept, denn der Film zieht aus seiner Prämisse keinen Mehrwert. THE HIGHWAYMEN ist von Anfang bis kurz vor Schluss ziemlich öder Käse, der zu keiner Sekunde mitreißt. Eigentlich besteht die NETFLIX-Produktion zu 80% aus Szenen, in denen Costner und Harrelson durch den mittleren Westen gondeln, in spärlichen Dialogen ihr Alter und Dasein reflektieren und an verschiedenen Orten darauf warten, dass sich Bonnie & Clyde mal blicken lassen. Okay, das kann auch interessant sein, wenn man ein tightes Drehbuch zur Verfügung hat. Autor John Fusco reiht jedoch eine träge Szene an die nächste. Da fällt besonders auf, dass unsere beiden Hauptfiguren kaum eine charakterliche Entwicklung durchmachen. Beide bleiben den ganzen Film über in einer Tonalität, lediglich gegen Ende nähern sich die beiden Raubeine etwas weiter an, aber auch nicht zu arg. Davor hat man als Zuschauer durchaus Schwierigkeiten am Ball zu bleiben, da sich zwei Stunden Monotonie wie eine halbe Ewigkeit anfühlt, und wenn nach einer Stunde eine Action-Szene, in Form einer Verfolgungsjagd einsetzt, ist diese auch gleich wieder vorbei. Das war es dann auch erstmal, bis der Film eben endet, wie er ja enden muss. Bodenständiges Storytelling stelle ich mir anders vor.

Auch John Lee Hancock holt mit seiner Inszenierung aus dem Stoff nie so wirklich viel heraus. Der Regisseur von Dramen wie SAVING MR. BANKS (2013) oder THE FOUNDER (2016) gewinnt dem langweiligen Treiben nichts Besonderes ab, sondern klebt mit der Kamera immer an Hamer und Gault, die im Auto sitzen, einen Kaffee trinken, wieder im Auto sitzen, telefonieren, irgendwo auf der Lauer liegen und dann…wieder im Auto sitzen. Die bildliche Statik schmälert den Unterhaltungswert noch weiter, was sicher nicht die Aufgabe eines Unterhaltungsmediums sein sollte. Immerhin funktioniert die Atmosphäre, denn Hancock fängt relativ gut das Flair der 30er Jahre ein und erzeugt mit Panoramabildern und weiten Einstellungen eine schöne Stimmung. Trotzdem hätte man bei dem Ganzen etwas auf die Tube drücken können, dann würde dieses Element nicht das einzig Positive sein.

Natürlich sind auch Costner und Harrelson gestandene Schauspieler und mit Sicherheit derartige Schwergewichte in Hollywood, so dass sie wohl keinem mehr etwas beweisen müssen. Auch wenn Beide ihre Rollen gut ausfüllen, lehnen sie sich hier darstellerisch nicht weit aus dem Fenster. Ihre Darbietungen als schweigsames Raubein und abgewrackter Alkoholiker im fortgeschrittenen Alter sind solide aber auch nicht mehr. Die restliche Besetzung ist nur Beiwerk und wahrscheinlich unterfordert. So hatte Kathy Bates, die noch am besten agiert, wohl nur zwei Drehtage, während William Sadler, als Barrow Sr., lediglich fünf Minuten im Film spendiert bekommt. Der Score von Thomas Newman fängt die melancholische Stimmung ganz gut ein, so richtig prägnant ist er aber auch nicht, was eigentlich zum Gesamtbild des Films ganz gut passt.

Fazit:
THE HIGHWAYMEN (2019) hat durchaus eine Geschichte, die man erzählen kann. Allerdings bietet die neue, hochkarätig besetzte, Produktion aus dem Hause NETFLIX keine interessanten Eigenschaften, die die Story auch nur ansatzweise spannend machen. John Lee Hancocks Road-Movie/Drama ist letztendlich ein zweistündiges Stück Ödnis, dass auch nicht unbedingt davon profitiert, dass das Ende von Anfang an klar ist. Für Costner und Harrelson kann man mal reinschauen, was als Abonnent nicht weiter weh tut, wer aber einen spannenden Thriller erwartet, der sollte sich nach einer Alternative umsehen oder einfach den Klassiker von Arthur Penn nochmal schauen. Der ist zwar romantisierend aber der wesentlich bessere Film!

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