Oscar-Preisträger Paolo Sorrentino, der große Lyriker des italienischen Gegenwartskinos, hat mit seiner bildgewaltigen und paradigmatischen Betrachtung auf eine von Gier und Glanz getriebenen Oberklasse der Besserverdiener erneut zugeschlagen. Im Mittelpunkt des Zweiteilers LORO, von dem nun der erste Teil erschienen ist, steht Silvio Berlusconi, der ausschließlich ob seines Talents der Manipulation und seiner vermeintlich clownesken und schillernden Persönlichkeit an die Spitze der italienischen Regierung gelangte, dann abgesetzt wurde und nun zurück an die Macht will. Erschlagend schön gefilmt, mit allerlei beißendem und brillant auf den Punkt gebrachten Witz, erinnert LORO phasenweise an WOLF OF WALL STREET. Doch macht das automatisch aus LORO einen guten Film?

Originaltitel: Loro 1 /Loro 2

Regie: Paolo Sorrentino

Darsteller: Toni Servillo, Elena Sofia Ricci, Riccardo Scamarcio, Kasia Smutniak

Artikel von Kai Kinnert

Es gibt nur ein dünnes Gewebe aus konkreter Handlung in diesem Film. Der Rest ist eine künstlerische, teils träumerische Betrachtung der Zwischenräume, die zur Macht von Berlusconi führten. Eine absurde Maßlosigkeit umgibt das gesellschaftliche Treiben im Druckkessel der Macht, das durch Verbindungen, Aufträge und Korruption mit dem System Berlusconi Geschäfte macht und durch gegenseitige Manipulation in eine selbst entlarvende Spirale führt. Jeder korrumpiert jeden, und alles kreist um den ewig gut gelaunten Cavaliere Berlusconi. Der geniale Verkäufer eines Traumes, seines Traumes, das er hemmungslos vorlebt. Als skrupelloser Immobilienmakler hat er es vom Schnulzensänger zum Multimiliardär, Medienzar, umjubelten Volkstribun und mächtigsten Mann des Landes gebracht. Jeder will sich seinen versprochenen Anteil schnappen, angetrieben von maßloser Gier nach Reichtum und Beifall, rauschhafter Entgrenzung und ewiger Jugend!

Ähnlich wie der toll gefilmte und überstrapaziert künstlerisch inszenierte LA GRANDE BELLEZZA (2013), erzählt sich LORO über lang ausgelebte lyrische Einfälle, die exorbitant einfallsreich gefilmt werden, jedoch ob ihrer Ungreifbarkeit an fühlbarem Erzählgerüst schnell langatmig wirken können. Regisseur Sorrentino lässt sich Zeit bei der Inszenierung seiner Ideen zu Motivationen und Charakterzügen seiner Hauptfiguren und leistet sich dabei in fast jeder Einstellung fotografisch Schönheit. Überhaupt: Schönheit. Italien, ein Land voller Schönheit. Alles ist schön, schön bunt, schön schön und schön dumm. In den ersten 45 Minuten widmet sich der Film dem Geschäftsmann und Partylöwen Sergio Morra (Riccardo Scamarcio), der in den Dunstkreis von Silvio Berlusconi empfohlen werden möchte und wir erleben das anhand von viel nackter Haut, schönen Frauen und Ecstasy. In dieser Phase gibt der Film Gas wie der Wolf von der Wall Street. Sergios Part wird flott erzählt, könnte jedoch auch erschrecken. LORO ist kein Biopic, sondern eine filmische Halluzination der breit gestreckten Art. Als Zuschauer sucht man nach einem voran treibenden Sinn im Geschehen und findet ihn erst mal nicht. Gerade als man nach 45 Minuten Sex und Party abschalten möchte, kommt Silvio Berlusconi ins Spiel und der Film gewinnt neu an Fahrt. Verschmitzt und bis zur Bösartigkeit manipulativ, eröffnet sich hier plötzlich eine Menge Wortwitz in den geschickt geschriebenen Dialogen und man erfährt in einer schönen Szene und in wenigen Sätzen, wie Manipulatoren alternative Fakten schaffen.

Als Berlusconi seinem Enkel klar macht, das er gerade statt in einen Haufen Scheiße auf einen Haufen frisch aufgeworfener Erde getreten ist, wird der Film plötzlich raffinierter. An Berlusconi perlt alles ab. Doch damit nicht alles hohl und verlogen an den Figuren in diesem Film ist, gibt es da noch die Liebe, die plötzlich in Berlusconi und Sergio schlummert. Sergio sucht sie noch und Berlusconi will das Herz seiner Frau zurück erobern. Und tatsächlich gelingt es LORO hier, eine gewisse Zartheit und Menschlichkeit den Figuren entgegen zu bringen. Das ist alles schön gefilmt und inszeniert, jedoch beginnt damit auch die Schwierigkeit des Films.

Es erreicht einen nicht. Das ist alles schön und gut gefilmt, es gibt auch genügend Witz in Sachen Bildgestaltung und Dialogen, jedoch will der Film einfach nicht mehr, als immer und immer wieder das Gleiche und schon bekannte wiederholen, ohne irgendwo hin zu wollen. Als Stimmungsbild zur Machtblase Berlusconis ist der Film genauso oberflächig, wie das, was er Berlusconi vorwirft und als freche Biopic-Aufbereitung mit irgendeiner klar erkennbaren Idee außerhalb seiner Optik, funktioniert LORO auch nicht. Wer nach 90 Minuten bei Sichtung des Streifens eine Pause einlegt, wird plötzlich feststellen, das es reicht. Man weiß jetzt alles. Berlusconi war ein manipulativer Charmeur, auf den Partys von Sergio regnet es Ecstasy und jeder liebt sich selber.

LORO – DIE VERFÜHRTEN ist bunt, cool und still, hat Witz, Liebe und Zartheit. Alles jedoch nur als Inszenierung einer filmischen Selbstverliebtheit durch Regisseur Sorrentino, der hier eine weitere Seifenblase der gepflegten Langeweile ablieferte. Jede Szene tut nur so, als erzähle sie etwas, jedoch dient sie nur einer ganz kleinen Idee, die im Film aber zu nichts führt. Der Streifen fängt eigentlich auch gut an. Wenn man sich auf den Anfang einlässt, gibt es ganz witzige Momente und einen guten Einstieg für Berlusconi. Doch dann passiert nichts mehr. Silvio Berlusconi war trotz seiner Liebe zu seiner Frau noch immer ein Arsch und zu keiner weiteren Erkenntnis kommt der Film. Doch dafür benötigt LORO 157 Minuten, also gut 100 Minuten länger als der Zuschauer.

Im Kino lief der Film als Zweiteiler, bei uns erscheinen beide Filme zusammengefügt zu Einem.

Das Bild der BD ist gut, der Film ist in schönen Farben, alles passt. Der Ton ist einwandfrei.

Trailer:

Zurück zur Startseite