Es gibt gewisse Geschichten, die wiederholen sich immer und immer wieder. Frankreichs Action-Exportschlager und Star-Produzent Luc Besson kann ein Lied davon singen, erzählt er doch selbst seit 30 Jahren seine Story um eine unbescholtene Frau, die zur unbezwingbaren Kampfmaschine heranreift immer wieder neu. Auch sein aktuelles Werk ANNA (2019) vertraut auf bereits etablierte Motive, ohne aber irgendetwas Neues zu erzählen. Nun erscheint der Actionthriller unter STUDIOCANAL im Heimkino und wir schauen mal, ob er sich wenigstens für einen netten Abend eignet.

Originaltitel: Anna

Drehbuch & Regie: Luc Besson

Darsteller: Sasha Luss, Luke Evans, Helen Mirren, Cillian Murphy, Lera Abova, Eric Godon…

Artikel von Christopher Feldmann

Luc Besson hat viel für die Außenwirkung des französischen Kinos getan. Während sich andere Landsleute aus der heimischen Filmindustrie vorzugsweise seichten Komödien und Arthouse-Dramen gewidmet haben, stand der Name Besson schon immer für internationale Kost, besonders im Action-Genre. Mit seiner Produktionsfirma EUROPACORP, die er im Jahr 2000 gründete, beliefert der Produzent, Autor und Regisseur stets den Mainstream und konnte schon einige Hits verbuchen. Egal ob Franchises wie TAKEN (2009-2015), THE TRANSPORTER (2002-2015) oder TAXI (1998-2018), Besson hat seit knapp 20 Jahren in Allem die Finger drin. Dabei betätigte sich der Franzose oft auch selbst als Regisseur und schuf mit LÉON – DER PROFI (1994) und DAS FÜNFTE ELEMENT (1997) immerhin zwei Filme, die heute Klassiker-Status genießen. Seit Jahren läuft es aber nicht mehr so prall, erwiesen sich doch sowohl die eigenen Arbeiten, also auch viele der, von ihm produzierten, Streifen als Flops, was vor allem daran liegt, dass die unterschiedlichen Produktionen meist immer dieselbe Sauce sind. Die große Kehrtwende sollte im Jahr 2017 mit der ambitionierten Comic-Verfilmung VALERIAN eingeleitet werden, doch der sündhafte teure Blockbuster erlitt sagenhaften Schiffbruch, weswegen die Zukunft von EUROPACORP alles andere als gewiss ist. Was her muss, ist ein Hit, dachte sich der gute Luc und drehte prompt den etwas preisgünstigeren Actionfilm ANNA (2019), den aber auch kaum jemand sehen wollte. Mag vielleicht daran liegen, dass die schon dutzendfach aufgewärmte Story mittlerweile niemanden mehr ins Kino zieht. Besson scheint dies nicht bedacht zu haben und lieferte hier einen halbgaren Actioner ab, der nach dem Abspann sofort wieder aus dem Gedächtnis verschwindet.

Handlung:
Das russische Mädchen Anna (Sasha Luss) leidet unter ihrer Drogensucht und häuslicher Gewalt. Ihr Leben ändert sich schlagartig, als sie vom KGB-Offizier Alex Tchenkov (Luke Evans) rekrutiert wird und unter der Knute der eisernen Olga (Helen Mirren) zur Agentin ausgebildet wird. Aufgrund ihrer Schönheit, wird sie undercover als Model in eine Agentur in Paris eingeschleust. Von dort aus erledigt sie zahlreiche Missionen und Attentate für Mütterchen Russland, mit der Aussicht, nach fünf Jahren auszusteigen und ein gänzlich neues Leben anzufangen. Doch dieses Vorhaben rückt in eine ungewisse Zukunft, denn als CIA-Agent Lenny Miller (Cillian Murphy) auf sie Aufmerksam wird, muss sich Anna entscheiden, für ihr Land oder für ihre Freiheit!

Auf dem Gebiet der Frauen kennt sich Luc Besson bestens aus. Damit soll jetzt nicht auf die zahlreichen Missbrauchsvorwürfe gegen seine Person angespielt werden, sondern auf die Tatsache, dass der Regisseur schon mehrmals in seiner langen Karriere das weibliche Geschlecht für toughe Actionrollen in Szene gesetzt hat. Den Anfang machte Anne Parillaud im Klassiker NIKITA (1990), bevor er Natalie Portman in LÉON (1994) das Schießen beibringen ließ. Und auch Scarlett Johansson durfte für den Altmeister schon böse Buben in LUCY (2014) verdreschen.

Man könnte durchaus richtig damit liegen, wenn man behaupten würde, dass Besson ein gewisses Faible für gut aussehende Frauen hat, die den Männern zeigen, wo der Frosch die Locken hat. Allerdings scheinen ihm bei ANNA (2019) die Variationen und vor allem die Ideen ausgegangen zu sein. Anstatt den bekannten Stoff sinnvoll zu erweitern oder mit bekannten Motiven zu brechen, recycelt er sich hier ungeniert selbst. Eine Frau, die zur Femme Fatale ausgebildet wird und anschließend reihenweise Gegnern den Arsch aufreist, haben wir schon zu Genüge gesehen, weshalb umso deutlicher wird, wie faul und einfallslos Besson hier zu Werke geht. Wahrscheinlich wollte er für einen sicheren Hit den Hype um Filme wie JOHN WICK (2015), samt Sequels, mitnehmen, funktioniert hat das jedoch nicht. Dafür ist ANNA auch viel zu generisch, spult das Drehbuch doch die typischen Versatzstücke ab. Anna wird rekrutiert, ausgebildet, muss sich beweisen, darf anschließend im besten Hitman-Style Aufträge ausführen und gerät letztendlich in die Bredouille. Der Actionthriller fühlt sich durch die Bank wie Malen nach Zahlen an und lässt dabei kein Klischee aus. Die bösen Russen mit ihren grausamen Methoden und Regeln, ANNA fühlt sich stellenweise wie ein rassistischer Seitenhieb auf vergangene Zeiten an, als würde Opa Besson am Stammtisch über den kalten Krieg wettern. Diese Tatsache und die arg gekünstelten Dialoge laden zwar oft zum schmunzeln ein, lassen den Zuschauer aber auch erstaunlich kalt, da obendrein auch der Plot nach zehn Minuten niemanden mehr wirklich interessiert. Anstatt seine eigenen Werke auf unterhaltsame Weise zu zitieren, klaut der Autor und Regisseur einfach bei sich selbst und hofft, dass es niemand merkt.

Das ist umso trauriger, da der Film einige Elemente hat, die durchaus für gute Unterhaltung sorgen könnten. Eines davon, ist die non-lineare Erzählweise, mit der Besson versucht, dem Zuschauer in irgend einer Form Spannung zu vermitteln. Hätte funktionieren können, wenn man sich eine bessere Story ausgedacht hätte und die Darsteller etwas hergeben würden. In puncto Besetzung, scheint der Filmemacher nämlich wieder seinen eigenen Gelüsten gefolgt zu sein und hat mit Sasha Luss eine Dame in der Hauptrolle besetzt, die eigentlich keine Schauspielerin ist, sondern ein russisches Model. Das merkt man schnell, ist die hübsche Blondine zwar durchaus attraktiv, jedoch schauspielerisch arg limitiert. Ihre Dialoge sind hölzern und als Identifikationsfigur funktioniert sie auch nicht. Da kann Besson noch so viele Wendungen einbauen, wenn das Grundgerüst nur so lala ist, kommt der Rest nicht zum Tragen. Das gilt auch für Luke Evans und Cillian Murphy, die beide ihre Rollen ohne großen Einsatz abspulen. Einzig Helen Mirren hat sichtlich Spaß an ihrer kauzigen KGB-Chefin und sorgt für die besten Szenen des Films.

In Sachen Inszenierung sieht ANNA genauso aus, wie die ganzen anderen EUROPACORP-Produktionen. Glattgebügelte Hochglanz-Optik, kaum Ecken und Kanten, kein Charakter. Ein Film wie aus einem IKEA-Katalog, sieht nett aus, ist nicht so teuer aber so richtig wertig wird es nie. Immerhin gibt es ein paar durchaus ordentliche Actionszenen, in denen unsere Protagonistin Kopfschüsse verteilen und sich mit männlichen Ganoven prügeln darf. Das ist nie beeindruckend oder gar gut choreographiert aber immerhin kompetent gemacht. Die beste Bezeichnung für einen Luc Besson-Film. Kompetent umgesetzt, wirklich haften bleibt aber nichts. Auch zeitgeschichtlich verrennt man sich hier enorm. Obwohl die Geschichte in den späten 1980ern und frühen 1990ern spielt, haben Protagonisten stets Zugriff auf Mobiltelefone, leistungsstarke Computer und auch die Automarken, die im Film auftauchen, passen mit ihren Modellen nicht so ganz in die Zeit. Hier hätte man etwas weniger schlampig arbeiten sollen. Als hätte man zwischendurch vergessen, wann der Film überhaupt angesiedelt ist.

Die Blu-Ray aus dem Hause STUDIOCANAL bietet den Streifen in einer sehr guten Bild- und Tonqualität, die Extras sind mit einem Trailer und kurzen Featurettes recht mager gehalten. Immerhin gibt es ein Wendecover ohne FSK-Flatschen.

Fazit:
Mit ANNA (2019) kehrt Luc Besson auf vertrautes Terrain zurück und serviert einen Film, den man gefühlt schon hundertmal gesehen hat. Ohne dem Thema etwas Neues hinzuzufügen, klaut der französische Star-Produzent ungeniert bei sich selbst und liefert dabei einen Film ab, der zwar handwerklich kompetent gemacht ist, in seiner glatten Hochglanz-Optik, der ausgelutschten Story und den durchwachsenden Schauspielleistungen nach dem Abspann sofort wieder verpufft. Fans von dieser Art Film können durchaus einen Blick riskieren aber selbst die werden wahrscheinlich am Ende mit den Schultern zucken und den Film mit nicht mehr als „okay“ bewerten.

Christopher auf Letterboxd – Your Life in Film folgen

Zurück zur Startseite