Nachdem er sich im zeitgenössischen Popcorn-Segment ausprobiert hat, kehrt Regisseur, Autor und Madonna-Ex Guy Ritchie zu seinen Wurzeln zurück und widmet sich mit THE GENTLEMEN (2019) wieder dem Genre, welches der Brite einst auf großartige und humorvolle Weise umgekrempelt hat, nämlich dem Gangsterfilm. Nun erscheint der erwartungsgemäß unterhaltsame Streifen über Concorde Home Entertainment im Heimkino. Ob sich das Ganze lohnt, könnt ihr hier nachlesen!
Originaltitel: The Gentlemen
Drehbuch & Regie: Guy Ritchie
Darsteller: Matthew McConaughey, Charlie Hunnam, Henry Golding, Hugh Grant, Colin Farrell, Michelle Dockery, Lyne Renee, Eddie Marsan, Jeremy Strong…
Artikel von Christopher Feldmann
Obwohl er von nicht wenigen Filmfans als Tarantino-Epigone bezeichnet wird, hat es Guy Ritchie Ende der 1990er/Anfang der 2000er dennoch geschafft, eine große Fangemeinde für sich zu gewinnen. Mit seinen beiden Filmen BUBE, DAME, KÖNIG, GRAS (1998) und SNATCH – SCHWEINE UND DIAMANTEN (2000) krempelte der Regisseur das etablierte Genre des Gangsterfilms gründlich um. Skurrile Charaktere, witzige Dialoge, verzwickte Plots und ein eigenwilliger Inszenierungsstil waren die Zutaten, die die beiden Komödien zu Kult-Hits werden ließen. Ritchie machte den Cockney-Jargon salonfähig und startete eine viel beachtete Karriere, die mit dem nachfolgenden Projekt SWEPT AWAY (2002) auf klägliche Weise wieder im Sand zu verlaufen drohte. Doch Ritchie fing sich wieder, drehte nicht nur weitere Gangsterfilme wie ROCK N ROLLA (2008), sondern landete mit seiner Neuinterpretation des Kult-Detektivs SHERLOCK HOLMES (2009) auch einen weltweiten Hit. Danach zog es den Briten in Richtung Blockbuster-Kino, es folgten die unterschätzte Agenten-Komödie THE MAN FROM U.N.C.L.E. (2015) und der Flop KING ARTHUR: LEGEND OF THE SWORD (2017). Mit seinem letzten Film, dem Live-Action-Remake ALADDIN (2019), konnte er zumindest einen großen kommerziellen Erfolg verbuchen. Nun scheint es Guy Ritchie wieder in seine Heimat zu ziehen, weg vom üppigen Mainstream, hin zu seiner Paradedisziplin. Sein neuer Film THE GENTLEMEN (2019) vereint alle Zutaten, die wir von ihm gewohnt sind, und auch wenn die Thrillerkomödie nicht ganz an seine beiden Frühwerke heranreicht, Spaß macht das Ganze allemal.
Handlung:
Der Amerikaner Mickey Pearson (Matthew McConaughey) hat sich in London über Jahre hinweg ein großes, finanziell lukratives Marihuana-Imperium aufgebaut und versorgt ganz Groß-Britannien mit erstklassigem Stoff. Doch Mickey sehnt sich nach Ruhe, Entspannung und trauter Zweisamkeit mit seiner Frau Rosalind (Michelle Dockery). Das ruft natürlich eine Reihe zwielichtiger Personen auf den Plan, die dem Drogenkönig möglichst große Anteile aus den Rippen leiern wollen. Unter ihnen befindet sich nicht nur der aufstrebende und gefährliche Gangster Dry Eye (Henry Golding), sondern auch der Geschäftsmann Berger (Jeremy Strong), die es beide auf Mickeys Vermächtnis abgesehen haben. Und dann ist da noch der aalglatte Schmierblatt-Schnüffler Fletcher (Hugh Grant), der ganz eigene Interessen verfolgt. Mickey und seine rechte Hand Raymond (Charlie Hunnam) haben alle Hände voll zu tun.
Wer schon nicht mehr damit gerechnet hat, dass Guy Ritchie jemals noch ein Film drehen würde, der in der Tradition seiner gefeierten Frühwerke steht, wird mit THE GENTLEMEN eines besseren belehrt. Der Filmemacher beweist, dass er es immer noch drauf hat und liefert einen skurrilen, witzigen und überraschenden Gangsterfilm ab, der zwei Stunden bestens unterhält.
Die Story dreht sich wieder einmal um die berühmte „Ehre unter Ganoven“ und die Gier, mit der die beteiligten Parteien nach dem ganz großen Geld streben. Bevor es allerdings so richtig los geht, bringt Ritchie seine Figuren erstmal in Stellung und liefert Informationen für den Zuschauer. Das kann für den einen oder anderen Konsumenten zwar etwas anstrengend sein, immerhin springt der Film von Figur zu Figur und eröffnet mehrere Beziehungsgeflechte, wird aber von Szenendieb Hugh Grant ganz großartig vorgetragen, während Charlie Hunnam dies, stellvertretend für den Zuschauer, entnervt über sich ergehen lassen muss. Generell spielt THE GENTLEMEN mit einer gewissen Meta-Ebene, wie man sie so vorher in einem Ritchie-Film noch nicht gesehen hat. So soll das Leben Mickeys Vorbild für einen Kinofilm sein, man referenziert Tarantino-Filme, mit denen sich Ritchies Werke oft haben vergleichen lassen müssen, sowie weitere Klassiker wie DER DIALOG (1974). Diese ganzen liebevollen Details gliedern sich in eine spannende Handlung ein, die wie gewohnt mehrere Überschneidungen parat hält und bis zum Ende hin überraschend bleibt. Gespickt mit schneidigen Dialogen und noch schneidigeren Figuren, ist dieses Paket für jeden Fan ein Genuss.
Das liegt auch an Ritchies Liebe zum Detail, mit der er hier zu Werke geht und mit der er seine witzigen Charaktere aufeinander loslässt. In THE GENTLEMEN trifft alles zusammen, was die Unterwelt Londons hergibt. Vom kultivierten Dealer-König im Maßanzug, über die schießwütigen Proleten, bis hin zu den Cockney-Ganoven im herkömmlichen Jogginganzug, ist alles vertreten. Mit seinem eigenwilligen Inszenierungsstil schafft es der Regisseur auch dieses Mal ein visuell ansprechendes Gesamtpaket abzuliefern. Ein pointierter Schnitt, tolle Montagen und eine kreative Kameraarbeit sorgen auch in diesem Film für ein vergnügliches Seherlebnis, auch wenn THE GENTLEMEN nicht ganz so stark ist, wie SNATCH oder BUBE, DAME, KÖNIG, GRAS. Die Stilmittel sind einfach schon erprobt und das Ganze hat mehr einen Greatest Hits-Charakter, was dem Spaß aber auch keinen Abbruch tut.
Herrlich ist natürlich vor allem die Besetzung, die stellenweise wunderbar gegen den Strich gebürstet ist. Matthew McConaughey steht die Rolle des über den Dingen stehenden, stilsicheren Drogenbarons einfach perfekt zu Gesicht. Mit einer unglaublichen Lässigkeit darf McConaughey hier seinen Charme sprühen lassen. Aber auch die Nebenfiguren wie Henry Golding als durchgeknallter Nachwuchs-Killer schinden Eindruck. Lediglich Charlie Hunnam bleibt, trotz viel Leinwandzeit, etwas blass und unterfordert. Während Colin Farrell als Jogginganzug tragender „Coach“ viele unterhaltsame Szenen für sich verbuchen kann, ist Hugh Grant das eigentliche Prunkstück des Films. Der, eigentlich für seichte Rom-Coms bekannte, Schauspieler reißt als schmieriger Reporter mit Bart und Lederjacke jede Szene an sich, nervt sein Umfeld mit ausgedehnten Monologen und schmeißt sich zu jeder Zeit ungeniert an Charlie Hunnams Figur heran. Aber auch die Nebenrollen sind mit Michelle Dockery, Jeremy Strong und Eddie Marsan sehr gut besetzt. Letzterer sorgt dafür, dass man das Kinderlied „Old McDonald had a Farm“ mit ganz neuen Augen betrachtet.
Die Blu-Ray aus dem Hause Concorde Home Entertainment bietet eine gewohnt gute Qualität. Bild und Ton sind einwandfrei, das Bonusmaterial fällt mit vier kleinen Featurettes (Gesamtlänge: 12 Minuten) etwas mager aus, ist aber besser als gar nichts.
Fazit:
Guy Ritchie is back! Mit THE GENTLEMEN (2019) liefert der Regisseur einen Film, der in alten Zeiten schwelgen lässt und den den Fans genau das gibt, was sie lange gefordert haben. Hier geben sich skurrile Figuren die Klinke in die Hand und schaffen es mit einem verschachtelten Plot und witzigen Dialogen zwei Stunden bestens zu unterhalten. Zwar kommt Ritchie mit seiner neuesten Regie-Arbeit, aufgrund mangelnder Eigenständigkeit, nicht ganz an seine alten Erfolge heran, als schmackhaftes Greatest Hits-Potpourri funktioniert die Gangsterkomödie allerdings bestens und ist wahrscheinlich das originellste, was es derzeit im Kino zu sehen gibt!
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