Himmelarschundzwirn. Da treibt man über Crowdfunding genügend Geld für eine Independent Produktion auf und könnte dem deutschen Filmförder-Geldadel von der Hochschule mal Paroli bieten und dann setzt man das Projekt nach mehreren Jahren der Produktion in den Sand, weil der Regisseur filmisch nichts vor hatte und das Drehbuch aufgesetzter Lauch ist. Das vom Regisseur selbst geschriebene und  inszenierte Krimidrama wird nun von EUROVIDEO veröffentlicht.

Regie: Mehrdad Taheri

Darsteller: Mehrdad Taheri, Kida Khodr Ramadan, Simon Licht, Jenny Eichin, Fard

Artikel von Kai Kinnert

Alexander Bischoff (Simon Licht) ist elternlos aufgewachsen. Eine eigene Familie oder gar eigene Kinder hat er nie gehabt. Von Beruf ist er Kriminalkommissar in einer Abteilung für besondere Aufgaben. Bischoff hat seinen Beruf nach eigener Aussage gewählt, weil er Teil von etwas Gutem sein wollte. Doch nach 25-jähriger Berufstätigkeit ist er desillusioniert. Als er auf einen Fall im Zusammenhang mit einer arabischen Groß-Familie angesetzt wird, vermischen sich für ihn die Grenzen zwischen Gut und Böse, richtig und falsch zunehmend und nichts wird mehr so sein, wie es war.

Alexander Bischoff ist ein einsamer Bulle mit Augenklappe. Er wird zu einem Einsatz gerufen: ein Junkie hat auf einem Klo eine Geisel genommen und Bischoff dringt noch vor dem Eintreffen des SEK zu dem Junkie vor und redet beruhigend auf den Kerl ein, ist dabei ein psychologisch cooler Typ (seine Augenklappe unterstreicht das) und schafft es fast zu deeskalieren – doch dann zuckt der Junkie und Bischoff knallt ihn ab. Hey, denkt der Zuschauer, haben wir hier die deutsche Antwort auf Clint Eastwood? Hat er bei einem Einsatz sein Auge verloren? Prägt ihn das, ist er der Bulle, der seinen Kiez kennt? Doch nein, es kommt ganz anders. Unvermittelt suchen Bischoff Erinnerungen an seine traurige Kindheit heim. Seine Mutter Alkoholikerin, sein Vater bemüht, ständiger Streit und der kleine Bischoff hatte da schon sein Augenleiden. Die Szene an seine Kindheit ist sinnlos eingewoben, die Erkenntnis hat keine Relevanz, ebenso die Augenklappe. Bischoff trägt eine Augenklappe, weil es gut aussieht. Die Augenklappe ist Show, wirkt wie der Einfall eines Schauspielers vom Stadttheater, der mit einem Accessoire seiner Figur eine rätselhafte Tiefe geben möchte. Genauso spielt Simon Licht auch, hier in der Rolle des Bischoffs. 10 Minuten lang funktioniert die Nummer mit der Augenklappe und dem Junkie ganz gut, doch dann stellt sich heraus, dass alles nur Show ist, keine Handlungsrelevanz besitzt und Simon Licht hilflos dem unsinnigen Drehbuch von Mehrdad Taheri ausgeliefert ist. Danach geht es mit einer Reihe schlecht geschriebener Versatzstücken weiter, wie man sie eigentlich nur beim Amateurfilm findet.

Bischoff hat natürlich Ärger mit seiner Chefin, die ihn permanent runter macht und er geht nach Dienstschluss zu einer Prostituierten, einer Kubanerin (oder so), für die Bischoff natürlich ein Herz hat. Dabei kommen Dialoge zustande, wie man es sich nicht zu träumen wagte. Bischoff und die Hure liegen im Bett und sie seufzt im süßen, lateinamerikanischen Dialekt:

Im Sommer, wenn das Fenster offen stand, hat das ganze Haus nach Zitronen geduftet. Daran kann ich mich erinnern. […]  Irgendwann habe ich genug Geld, um meiner Mutter das Haus zurück zu kaufen. Aber bis dahin muss ich noch viele Männer glücklich machen.

Olé! Bischoffs Reaktion ist ein Nasenküsschen. Danach spielt Bischoff erst mal keine Rolle mehr, denn Mehrdad Taheri übernimmt schauspielerisch das Geschehen und führt die Gangster ein. Fard hat dabei seinen Gastauftritt als Boss und ist der Einzige im Film mit Ausstrahlung, auch wenn sein Bart dabei keine unwesentliche Rolle spielt. Leider hat er auch die schlechteste Szene im Film, doch das Scheitern liegt hier nicht an Fard, sondern an der Regie, dem Drehbuch und dem Schnitt. Um den Respekt bei einer armen Wurst wieder herzustellen, schneidet Fard dem Opfer ein Ohr ab und ruft hinein. Diese olle Nummer ist so lausig gefilmt und geschnitten, dass ich als ehemaliger Filmkursleiter für arbeitssuchende Jugendliche beschämt zur Seite blicke. Denn diese Szene unterstreicht die filmische Einfallslosigkeit, die Dünnes Blut permanent umgibt. Hier fehlt filmischer Druck, szenische Spannung und ein Effekt, der die 1000fach verfilmte Szene hätte retten können. Zu den vielen schlechten Dialogen, einer vorgetäuschten Figuren-tiefe und der spannungsarmen Unrelevanz des Geschehens, gesellen sich auch noch kreativ-technische Mängel, die den Streifen am Ende technisch sogar schlechter machen als das, was ich als Kursleiter mit Jugendlichen drehen durfte.

Dünnes Blut hat ausschließlich ein einziges, flaches Licht-Settig und die Kamera filmt nur ab, hat kein Gespür für Spannung, Brennweiten und Lichtsetzung. Anstatt einen Film zu machen, der seine Story auch bildlich zu packen vermag, wird hier die Standard-TV-Nummer abgeleiert, inklusive einem Sternenfilter für die Außenaufnahmen bei Nacht. Wer als Kameramann ernsthaft einen Sternenfilter für die Nachtaufnahmen einsetzt, hat sein Handwerk an der Volkshochschule gelernt. Hier waren Amateurfilmer am Werke, die seit Jahren mit Profiequipment zu tun haben und günstig für einen Film angeheuert worden sind. Das wäre kein Problem gewesen, wenn man eine Vision, einen Stil, eine Konsequenz vor Augen gehabt und nicht einfach nur ein ranziges Drehbuch abgefilmt hätte. Der Film ist voll mit schlechten Dialogen und Simon Licht geht einem auf den Zeiger mit seinem Bühnenschauspiel, entschädigt dafür aber unfreiwillig mit dem Zitronen-Dialog.

 Vielleicht wäre es was geworden, wenn man Dünnes Blut nach den ersten 20 Drehbuchseiten komplett umgeschrieben und den klischeehaften Stuss rausgeschmissen hätte. Was soll das mit Bischoff und der Hure? Was soll die lächerlich inszenierte Erinnerung an seine Kindheit? Wo ist die Schraubzwinge für Bischoff? Mehrdad Taheri dödelt lieber herum, anstatt Bischoff das Versprechen erfüllen zu lassen, das seine Augenklappe in den ersten Filmminuten ankündigt. Inkonsequent und filmisch uninspiriert wird hier ein Gangsterdrama abgespielt, das voll von unfreiwilligem Ulk ist. Fard hätte einen besseren Film verdient.

Das Bild der Blu-ray ist gut, der Ton ebenso. Extras gibt es keine.

Trailer:

Zurück zur Startseite