Oscarpreisträger Jean Dujardin ist wieder da. Im neuesten Film von RUBBER Regisseur Quentin „Mr. Oizo“ Dupieux übernahm der THE ARTIST Star die Hauptrolle. Die schräge Grosteske, die letztes Jahr in Cannes ihre Premiere feierte, wird diesen Monat von KOCH FILMS in den deutschen Handel gebracht. Das haben wir uns nicht entgehen lassen und schildern Euch, was von Dupieux neuestem Werk zu halten ist.

Originaltitel: Le daim

Drehbuch und Regie: Quentin Dupieux

Darsteller: Jean Dujardin, Adèle Haenel, Albert Delpy, Marie Bunel

Artikel von Holger Braasch

Wenn ich mir überlege, dass Quentin Dupieux erstmals Mitte der 90er als „Mr. Oizo“ bekannt wurde, bin ich doch erstaunt, wie sich dieser Künstler entwickelt hat. Die rasante Entwicklung auf dem Technik-Markt machte hochwertiges Kamera-Equipment zu immer günstigeren Preisen erschwinglich. Davon profitierten beispielsweise auch Lars von Trier und Thomas Vinterberg, die Ende der 90er-Jahre von Digital-Video Gebrauch machten und so ihre Filme mit wenig technischem Aufwand drehen konnten. So entstand eine neue Generation von Filmemachern, die nicht mehr den schwierigen Arbeitsbedingungen unterworfen waren, die chemisches Filmmaterial verlangt. Endlich war es möglich, mit wenig Geld kinotaugliche Filme zu produzieren. Die große Stunde für Quentin Dupieux war gekommen und ich hoffe, dass uns der Mann noch mit vielen Filmen beglücken wird. Seine Werke sind sicher nicht jedermanns Sache und werden oft in die Trash-Ecke gesteckt, wo sie jedoch keinesfalls hingehören. Vergleiche mit den Surrealisten Salvador Dali und Luis Buñuel bieten sich da schon viel eher an.

Georges (Jean Dujardin) fährt mit seinem Audi (Baujahr ca. Ende der 80er) durch die Gegend. Seine Ehe ist gerade den Bach runtergegangen und nun sucht er nach einer Bleibe. Auf einer Raststätten-Toilette spült er seine alte Jacke im Klo runter und fährt anschließend zu einem alten Antiquitätenhändler, wo er eine neue Jacke aus 100-prozentigem Hirschleder entdeckt. Für diese bezahlt er ein kleines Vermögen, aber der Händler gibt ihm noch eine DV-Videokamera gratis dazu. Für Georges ist dies der Grundstein für einen Neufindungsprozess, in dem er die neu entdeckte Freiheit genießt. Allerdings ist er nun erst mal Pleite, doch das könnte sich schnell ändern, denn schließlich hat er eine Videokamera. Georges kommt in einem abgelegenen Landhotel unter und erklärt sich selbst zum Filmemacher. Seine Filmkunst besteht darin, seinen Alltag zu dokumentieren, wobei seine braune Lederjacke quasi der Hauptdarsteller ist. Bald ist er mit seiner Jacke so vertraut geworden, dass er sogar Gespräche mit ihr führt. In einer kleinen Kneipe lernt Georges die Kellnerin Denise (Adèle Haenel) kennen, die sich als Filmfan outet. Sie erzählt ihm, dass sich auch ein bißchen mit Schnitt beschäftigt hat. Immerhin hat sie mal eine eigene Version von „Pulp Fiction„, in chronologischer Reihenfolge, zusammen geschnitten. Georges bietet ihr spontan einen Job als Cutterin an. Denise ist ganz aus dem Häuschen und kann kaum glauben, dass sie einen Filmregisseur mit ihren Amateur-Kenntnissen beeindrucken konnte. Sie ahnt (noch) nicht, dass Georges noch weniger Fachwissen hat, als sie selbst. Um drehen zu können braucht Georges jedoch DV-Cassetten und da er völlig blank ist und nicht mal seine Unterkunft bezahlen kann, pumpt er Denise an. Die scheint gar nicht misstrauisch zu werden und plündert gleich ihr Bankkonto, um Georges zu unterstützen. Dass ihre finanziellen Mittel schnell erschöpft sind, ärgert Georges, doch Denise unterstützt ihn weiter.

Ein Plot für den Film ist schnell gefunden. Georges streift durch den Ort und spricht jede Person an, die eine Jacke trägt. Sein Plan ist, alle Jacken einzusammeln, denn Georges will der einzige sein, der eine Jacke trägt – seine geile Wildlederjacke. Durch einen tragischen Zufall kommt er an die passenden Stiefel zu seiner Jacke, ebenfalls aus braunem Wildleder. Voller Energie beginnt Georges mit den „Dreharbeiten“ zu seinem „Film“. Dabei geht er sogar über Leichen. Er montiert den Ventilator in seinem Hotelzimmer ab und macht sich aus einem der Rotorblätter eine Art Machete. Wehe dem, der ihm seine Jacke nicht freiwillig gibt! Denise scheint nicht schockiert zu sein, von dem Material, das ihr Georges liefert. Im Gegenteil, sie ist Feuer und Flamme für das Filmprojekt. Als sie George noch mit einer braunen Wildlederhose überrascht, ist dieser schlicht entzückt. Nun ist er endlich vollkommen (oder besser gesagt: Ein vollkommenes Arschloch). Doch Denise hat längst mitbekommen, dass George kein Filmemacher ist und will nun seine Produzentin sein. Sie will sein Projekt zu ihrem Projekt machen, denn sie sieht in dem seltsamen Material Potenzial für einen echten Knaller.

So weit zur Handlung dieses neuen Streiches von Quentin Dupieux. Im Vergleich mit anderen Werken, die ich von ihm bisher gesehen habe („Rubber„, „Wrong„, „Wrong Cops“ und „Reality„) ist „Monsieur Killerstyle“ noch der gradlinigste und vergleichsweise simpel gestrickt, ohne komplexe Verschnörkelungen. Man könnte hier von einer Mischung aus zivilisationskritischer Satire und Psychothriller sprechen, um das Ganze mal in Genre-Schubladen zu packen. Einem Filmemacher wie Quentin Dupieux wird man mit Schubladen zwar nicht gerecht, aber die Genres Thriller und Komödie würde ich als die beiden Hauptkategorien für seine Werke bezeichnen. Bei Quentin Dupieux hat der Wahnsinn Methode. So schräg und skurril seine Einfälle auch sind, so stilsicher und stimmig fügt sich am Ende alles zusammen. „Monsieur Killerstyle“ macht da keine Ausnahme! Ich bin  fasziniert, wie es ihm immer wieder gelingt, seinen Filmen diese Eigendynamik zu verleihen, die einen ebenso fesselt wie amüsiert. So komplex und verwirrend das Ganze auch scheint, so kommt doch zu keinem Zeitpunkt das Gefühl auf, das man intellektuell schwere Kost goutiert. Die Filme von Quentin Dupieux machen Spaß und hinter dem scheinbaren Chaos offenbart sich am Ende immer irgendwie ein tieferer Sinn. Der Kniff dabei ist, dass für seine Figuren die absurden Gegebenheiten völlig normal und selbstverständlich sind. Damit knüpft er an direkt an den Surrealismus von Filmkünstlern, wie Luis Buñuel, Alejandro Jodorowsky und David Lynch an, wobei Dupieux keineswegs Sachen kopiert und sein eigenes Ding macht. Auch Jean-Luc Godard kommt mir oft bei seinen Werken in den Sinn. Jedenfalls ließ mich „Monsieur Killerstyle“ mit einem breiten Grinsen auf dem Sofa zurück, wie es auch bei den anderen Werken von Dupieux der Fall war.

Koch Films bringt den Film auf Blu-ray und DVD. Das Bild weist gelegentlich leichte vertikale Streifen auf, die aber nicht störend wirken. Dies ist der digitalen Aufnahmetechnik geschuldet, die während des Drehs zum Einsatz kam. Man spricht hier vom „Banding-Effekt“. Als Extra gibt es den Trailer und einen Audiokommentar von Quentin Dupieux und Jean Dujardin, optional deutsch untertitelt.

Abschließend bleibt mir nur zu sagen: Quentin Dupieux ist einer der originellsten und interessantesten Filmemacher unserer Zeit.

Trailer:

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