Halbzeit! Heute kümmern wir uns um den mittlerweile 16. Film unserer allseits geliebten Krimi-Retrospektive, was bedeutet, dass wir nun genau die Hälfte abgearbeitet haben. Ich freue mich schon auf den Rest. Nun widmen wir uns aber einem durchaus umstrittenen Streifen aus dem Wallace-Allerlei, war DIE GRUFT MIT DEM RÄTSELSCHLOSS (1964) doch damals kein großer Erfolg beschienen. Ob das wirklich an der filmischen Qualität liegt, erfahrt ihr im Artikel!

„Hallo, hier spricht Edgar Wallace!“

Drehbuch: Franz Josef Gottlieb, Rudolf A. Stemmle
Regie: Franz Josef Gottlieb

Darsteller: Harald Leipnitz, Judith Dornys, Ernst Fritz Fürbringer, Rudolf Forster, Werner Peters, Harry Meyen, Siegfried Schürenberg, Eddi Arent, Harry Wüstenhagen, Ilse Steppat, Klaus Kinski…

Artikel von Christopher Feldmann

Nachdem die Wallace-Verfilmung ZIMMER 13 (1964), aufgrund der hohen Altersfreigabe, nicht den erhofften Erfolg verbuchen konnte, wollte man bei der nächsten Produktion kein Risiko eingehen. Bereits zwei Tage vor der Premiere des Vorgängers, begannen die Dreharbeiten zu DIE GRUFT MIT DEM RÄTSELSCHLOSS (1964), den man schon vorher realisieren wollte. Da sich das Skript zu ZIMMER 13 allerdings anbot, um einen Postzugüberfall, der damals prominent in den Medien vertreten war, einzuarbeiten, schob man die Verfilmung des Romans DER SAFE MIT DEM RÄTSELSCHLOSS (1908, dt. Erstveröffentlichung 1927) nach hinten. Es war nicht die erste Verschiebung, da ein fertiges Drehbuch bereits 1963 existierte, man aber Filme wie DER SCHWARZE ABT (1963) und DAS INDISCHE TUCH (1963) aus diversen Gründen bevorzugte. Nun konnte das auf Halde liegende Projekt endlich in Produktion gehen. Für die Regie verpflichtete man abermals Franz Josef Gottlieb, der mit der CCC-Produktion DER FLUCH DER GELBEN SCHLANGE (1963) und dem Rialto-Wallace DER SCHWARZE ABT bereits zwei Publikumserfolge in seiner Vita verzeichnen konnte. Da man den Begriff „Safe“ im Titel als zu altbacken und wenig aufregend empfand, ersetzte man ihn durch das Wort „Gruft“, was, im Nachhinein betrachtet, besser zur Marke „Edgar Wallace“ passt. Nichts desto trotz ist DIE GRUFT MIT DEM RÄTSELSCHLOSS einer der schwächsten Filme der Reihe, der nur schwer aus dem Quark kommt und durch falsche Entscheidungen in Sachen Drehbuch, Besetzung und Regie vergeigt wurde.

Handlung:
Der alte Spielhöllenbesitzer Mr. Real (Rudolf Forster) wird kurz vor seinem Tod von Reue und Schuldgefühlen geplagt, haben seine manipulierten Spieltische doch so manche Zocker ins Verderben gestürzt. Auch der Vater von Kathleen Kent (Judith Dornys) verlor sein Hab und Gut, woraufhin er Selbstmord beging. Nun sehnt sich Real nach Wiedergutmachung und will Kathleen seine ergaunerten Reichtümer vererben, die in einer technisch ausgefeilten Gruft mit einem komplexen Rätselschloss lagern. Doch auch Andere haben es auf das Vermögen des alten Real abgesehen, etwa der Gangster Connor (Ernst Fritz Fürbringer) und seine Komplizen, die in früheren Jahren als Coupiers für den betrügerischen Casino-Chef gearbeitet hatten. In Kenntnis von dessen Absichten entführen sie Kathleen mitsamt ihrem Rechtsbeistand Ferry Westlake (Eddi Arent) am Bahnhof in London und versuchen, sich der bevorstehenden Erbschaft zu bemächtigen. Dabei haben sie aber die Rechnung ohne den ominösen Jimmy Flynn (Harald Leipnitz) gemacht, der ebenfalls ein Auge auf die junge Kathleen geworfen hat und in Verbindung zu Real zu stehen scheint. Ein Mord in einem Kino bringt derweil Inspektor Angel (Harry Meyen) und Sir John (Siegfried Schürenberg) auf die Spur der Ganoven.

DIE GRUFT MIT DEM RÄTSELSCHLOSS (1964) dürfte einer jener Wallace-Verfilmungen sein, die ich erst sehr spät gesehen habe. Wie manch andere Beiträge der Krimi-Reihe, gehörte der Streifen ebenfalls zu den, von TV-Sendern, Verschmähten. Ich kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern, dass dieser Film jemals im Rahmen der zahlreichen Fernsehausstrahlungen der Rialto-Serie gezeigt wurde. Das kann mitunter auch an dem geringen Interesse liegen, den die Fans seit jeher für den 16. Wallace-Krimi aufbringen. Meine Erstsichtung fand schließlich mit dem Erwerb der DVD statt und schon damals konnte ich ihm eher wenig abgewinnen. Oftmals geschieht es, dass man Filme, die man in jungen Jahren eher mau fand, mit etwas Abstand und gereiften Geist, mehr abgewinnen kann. Dies ist hier leider nicht der Fall.

Die Probleme werden dabei schon im Drehbuch sichtbar. Es bedarf einer gewissen kreativen Finesse, einen Roman, der bereits 1908 erschien, in einen zeitgemäßen Kontext zu bringen. Ein Problem, das auch bei anderen Wallace-Adaptionen zu Tage tritt. In einigen Punkten machte Autor Rudolf A. Stemmle tatsächlich gute Arbeit. Die Idee, die titelgebende Gruft als, mit allerlei Fallen gespickte, Hürde zu zeichnen, ist tatsächlich gelungen. Auch das Opening im Kino ist ein schöner Gag und zugleich einer der nicht wenigen Meta-Momente, die es in der Reihe zu entdecken gibt. Der Rest des klassischen Erbschleicher-Plots stinkt dagegen leider ab. Sowohl Spannung als auch Tempo werden hier schwerlich vermisst, stattdessen ist DIE GRUFT MIT DEM RÄTSELSCHLOSS mehr ein Gangsterkrimi, denn einer klassischen Murder-Mystery und lässt sich am ehesten mit, dem durchaus sehenswerten, DAS RÄTSEL DER ROTEN ORCHIDEE (1962) vergleichen. Zudem fehlt hier gänzlich das Whodunit-Element, welches ein essenzieller Bestandteil der Filme ist und in den meisten Fällen natürlich den größten Reiz ausmacht. Ursprünglich beinhaltete das Drehbuch eben jenes Element und Kathleens tot geglaubter Vater trat als maskierter Mörder auf. Aus unerfindlichen Gründen wurde dies jedoch gestrichen, so dass ein wesentliches Spannungselement abhanden gekommen ist. Da die Handlung an sich auch recht dröge und langatmig in Szene gesetzt wurde, entsteht durchweg kein Tempo.

Auch die Balance der Figuren ist unausgegoren. Während den Antagonisten viel Zeit gewidmet wird, treten die Helden von Scotland Yard in den Hintergrund und selten war ein Inspektor so egal wie in diesem Film.

Auch inszenatorisch weißt DIE GRUFT MIT DEM RÄTSELSCHLOSS einige Mängel auf, die bereits bei DER SCHWARZE ABT (1963) zu erkennen waren. Franz Josef Gottlieb war ein solider Handwerker aber eben nicht der richtige Regisseur für einen temporeichen Wallace-Krimi. Man muss auch dazu sagen, dass man als Fan von den Arbeiten Alfred Vohrers und Harald Reinls ziemlich verwöhnt ist, weswegen es fast wie ein Fremdkörper wirkt, wenn man eine gänzlich andere Handschrift serviert bekommt. Gottlieb war einfach nicht der richtige Mann für Tempo, Kreativität und pointierte Schauspielführung. Das spürt man in nahezu jeder Szene und generell wirkt das Ganze wie ein Kammerspiel. Das man solch eine Art Film auch effektvoll und unterhaltsam inszenieren kann, bewies Alfred Vohrer bereits bei DAS INDISCHE TUCH (1963). Diesem Film fehlt es in jeder Hinsicht an Drive und Energie, sowie an Wallace-typischen Esprit.

Großes Manko ist wahrscheinlich Tatsache, dass es an einem klaren Helden mangelt. Harald Leipnitz, den man ursprünglich engagierte, um etwas Abwechslung in die von Fuchsberger und Drache dominierten Interpretationen des Inspektors zu bringen, war ursprünglich auch hier für die Rolle des Scotland-Yard-Ermittlers Angel vorgesehen. Da der Film aber immer wieder verschoben wurde, blieb die ursprünglich vorgesehene Besetzung nicht bestehen und man musste umdisponieren. In einigen Fällen gelang dies, in anderen wiederum nicht. Leipnitz spielte daraufhin lieber die Rolle des Jimmy Flynn, der sich am Ende selbst als ruchloser Schurke entpuppt und es nur auf das Erbe abgesehen hat. Die Zuschauer, die an Leipnitz als Schauspieler in positiven Rollen gewöhnt waren, stieß dies sauer auf. Natürlich ist das aus heutiger Sicht eine interessante, kreative und überraschende Wendung, allerdings hat er keinen Konterpart, denn Harry Meyen ist wohl der vergessenswerte Inspektor der gesamten Reihe und kann kaum auf Augenhöhe mit Leipnitz agieren. Es war übrigens sein erster und letzter Auftritt bei einem Wallace-Film. Die Macher bei Rialto-Film haben wohl daraus gelernt und die Zuschauer bekamen Leipnitz immerhin noch bei DER UNHEIMLICHE MÖNCH (1965) und DIE BLAUE HAND (1967) als Ermittler zu sehen.

Der Rest der Besetzung speißt sich indes aus bekannten Gesichtern zusammen. Die weibliche Hauptrolle spielt hier Judith Dornys, die im Vergleich zu etablierten Wallace-Girls wie Karin Baal, Karin Dor oder auch Brigitte Grothum sehr bieder und vergessenswert wirkt. Für den Film wurde sie von Maria Körber synchronisiert. Auch für sie war es der einzige Auftritt in einem Wallace-Film. Als Szenendieb fungiert hier UFA-Legende Rudolf Forster, der als alter Mr. Real eine großartige und teils humorvolle Performance abliefert, die besonders in Kombination mit Werner Peters, den man bereits in DIE TÜR MIT DEN SIEBEN SCHLÖSSERN (1962) und DER SCHWARZE ABT (1963) bewundern durfte, zum Schmunzeln anregt. Auch ein Wiedersehen mit Ernst Fritz Fürbringer, der zu Beginn der Reihe noch als Scotland-Yard-Chef Sir Archibald zu sehen war, macht Freude. Die Rolle des Gangsters Connor steht ihm ausgezeichnet. Er und Forster sind die Highlights des Films. Auch Harry Wüstenhagen ist zum wiederholten Male zu sehen und Siegfried Schürenberg darf wieder in seine Paraderolle als Sir John schlüpfen, hat aber wenig zu tun. Ilse Steppat absolviert hier ihren ersten von drei Auftritten in einem Wallace-Film und Klaus Kinski darf in einer stummen Rolle leider nur finster in der Gegend herumstehen. Das Ensemble wird mit Eddi Arent abgerundet, der hier allerdings die Nerven des Zuschauers strapaziert. Selten hat man es mit seiner Komik so übertrieben wie in diesem Film.

Die Dreharbeiten fanden vom 18. Februar bis zum 26. März 1964 statt. Gedreht wurde in West-Berlin, unter anderem in Wannsee und an der Britzer Mühle. Die Szenen am Bahnhof wurden tatsächlich in London gedreht, nämlich an der Victoria Station. Wie üblich fanden die Innenaufnahmen in den CCC-Studios statt und auch die Räumlichkeiten der UFA-Studios in Berlin-Tempelhof wurden in Anspruch genommen. Ursprünglich stand auch der Filmtitel DIE MÜHLE DES GRAUENS im Raum, wurde letztendlich aber verworfen, da man ihn für zu brutal hielt. Die Musik stammte wieder von Peter Thomas, der hier allerdings eine seiner schwächsten Arbeiten in Sachen Wallace ablieferte.

Nachdem man zwei Szenen leicht gekürzt hatte, vergab die FSK eine Freigabe ab 16 Jahren und am selben Tag, den 30. April 1964, fand die Uraufführung im Gloria-Palast in Berlin statt. Da die Rezeption des Films eher schwach ausfiel und sich das fehlende Whodunit-Element, sowie die ungewohnte Besetzung von Harald Leipnitz negativ auf die Mundpropaganda der Zuschauer auswirkte, war DIE GRUFT MIT DEM RÄTSELSCHLOSS der bis dato am schwächsten besuchte Film der Reihe. Lediglich 1,3 Millionen Zuschauer lösten eine Kinokarte.

Fazit:
DIE GRUFT MIT DEM RÄTSELSCHLOSS (1964) ist einer der schwächsten Filme der Wallace-Reihe. Das behäbige Drehbuch, die uninspirierte Regie und die mäßige Besetzung der weiblichen Hauptrolle, sowie des Ermittlers, lassen den Krimi erstaunlich langatmig wirken. Zwar hat auch diese Rialto-Produktion ihre Momente, jedoch ist dies einer der zurecht vergessenen Beiträge der langlebigen Krimi-Serie. Aber auf Schatten folgt bekanntlich Licht, haben wir es doch in der nächsten Ausgabe mit einem der großen Highlights zu tun.

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