Wir tauchen ab in 3…2…1…! Knapp 40 Jahre nachdem Wolfgang Petersen mit DAS BOOT (1981) einen der großen Kriegsfilmklassiker und einen der wohl besten deutschen Filme aller Zeiten schuf, hat Eurovideo mit U-235 – ABTAUCHEN, UM ZU ÜBERLEBEN (2019) just die knallige, belgische Antwort auf Petersens Meilenstein im Heimkino veröffentlicht. Wer hier allerdings dröge Unterwasser-Romantik und die üblichen schwerfälligen Drama-Elemente erwartet, ist schief gewickelt. Warum, erfahrt ihr in unserer Kritik!

Originaltitel: Torpedo

Drehbuch: Johan Horemans, Sven Huybrechts
Regie: Sven Huybrechts

Darsteller: Koen De Bouw, Thure Riefenstein, Ella-June Henrad, Sven De Ridder, Joren Seldeslachts, Martin Semmelrogge…

Artikel von Christopher Feldmann

Der 2. Weltkrieg ist immer ein willkommenes Thema im europäischen aber auch im internationalen Kino. Immer wieder werden die Gräueltaten der Nationalsozialisten für schwerfällige Dramen und historische Aufarbeitungen genutzt. Eine lange Tradition, die gerade in Deutschland mit einer akuten Regelmäßigkeit fortgeführt wird. Immerhin müssen wir es ja am besten wissen, wenn es um unsere eigene dunkle Vergangenheit geht. Das es aber auch weniger ernsthaft geht, beweist der belgische Regisseur und Autor Sven Huybrechts mit seinem U-Boot-Abenteuer U-235 – ABTAUCHEN, UM ZU ÜBERLEBEN (2019), denn statt historischer und erzählerischer Seriosität setzt der Spielfilm-Debütant auf Unterhaltung und serviert ein unterhaltsames, sich nicht ganz so ernst nehmendes Abenteuer, dass mehr an die lockeren „Men on a Mission“-Reißer vergangener Tage erinnert, als an bleischwere Berlinale-Kost.

Handlung:
Während des 2. Weltkriegs bekommen die Alliierten Wind von einer gewaltigen Bombe, an der die Nazis arbeiten. Um dagegenzuhalten, soll eine Atombombe gebaut werden, für die allerdings ausreichend Uran benötigt wird. Dieser kann im, von Belgien kontrollierten, Kongo gewonnen werden, muss aber per U-Boot in die USA. Ein Himmelfahrtskommando, mit dem der Widerstandskämpfer Stan (Koen De Bouw) beauftragt wird, der einen wilden Haufen von Verbündeten um sich gescharrt hat, um den Deutschen bei jeder Gelegenheit die Hölle heiß zu machen. Nun muss der zusammengewürfelte Trupp durch die nautische Grundausbildung, die ausgerechnet von einem Deutschen geleitet wird. Viel Zeit für Misstrauen bleibt allerdings nicht, denn die Nazis sind dem feindlichen U-Boot bereits dicht auf den Fersen.

U-235, was im Übrigen die Bezeichnung eines Isotops des klassischen Uraniums ist, zeigt schon zu Beginn deutlich, wo die Reise hingeht. Hier werden Nazis mit Maschinengewehren durchsiebt, Sprüche geklopft und der Kopf eines Kommandanten schon mal per Handgranate auf dem Waldboden verteilt. Die ersten zehn Minuten machen klar, dass man hier weniger in der Tradition von DAS BOOT (1981), sondern mehr von EIN HAUFEN VERWEGENER HUNDE (1978) unterwegs ist. U-235 erinnert mehr an die raubauzigen „Men on a Mission“-Streifen der 1960er und 1970er Jahre, in denen das Sujet des Krieges für actionbetonte Abenteuer herhalten musste und genau diesen Stil fährt der erstaunlich hochwertige Reißer aus Belgien.

Das ist insofern erfreulich, dass man endlich mal wieder Spaß an einem Kriegsfilm hat und ihn nicht durchleiden muss, weil man mit Anlauf auf die Tränendrüse drückt. Das Drehbuch arbeitet sich zwar an alt bekannten Klischees ab, serviert diese aber mit derartig viel Schmackes, dass man gar nicht auf die Idee kommt, den langen Bart zu hinterfragen, der an den einzelnen Motiven haftet. So müssen auch hier wild zusammengewürfelte Amateure lernen wie man mit der damaligen U-Boot-Technik umgeht, was einige nette Gags zu Folge hat. Natürlich darf auch der ernste Ausbilder nicht fehlen, der immer kurz davor ist, sich die Haare zu raufen, weil einer der eingesetzten Widerstandskämpfer vergessen hat, welcher Hebel nun eigentlich die Klospülung in Gang setzt und fast das ganze Unterwassergefährt flutet. Natürlich gibt es auch die üblichen Heldenposen, die spannenden Torpedoschlachten, wo es auf Millimeter ankommt und das obligatorische Aufeinandertreffen mit den Nazis, denen man die fehlenden Deutschkenntnisse verheimlichen muss. Das ist Spaß, macht mächtig Laune und wird schmissig vorgetragen, auch wenn der Film im letzten Drittel abbaut und das Ende ziemlich abrupt und unbefriedigend ist. Hier fehlt dem Ganzen noch der Knalleffekt und ein letzter Höhepunkt aber leider läuft die Handlung ins Nichts.

Dafür gibt es aber im restlichen Geschehen viele unterhaltsame Szenen, die von Regisseur Sven Huybrecht gut inszeniert wurden. U-235 kommt in knalliger Optik daher und hat absolutes Kino-Niveau, was man aus einem Land wie Belgien wohl nicht erwartet hätte. Die Actionszenen sehen gut aus, die Explosionen sind größtenteils handgemacht und auch das Blut spritzt an manchen Stellen ganz schön in die Höhe und kommt zur Abwechslung mal nicht aus dem Rechner. Eine Tatsache, die bei mir immer Pluspunkte sammelt.

Auch die Szenen unter Wasser können überzeugen, denn man hat hier keine Kosten und Mühen gescheut und ein deutsches U-Boot komplett rekonstruiert, welches dann für die Dreharbeiten verwendet wurde. Diesen Aufwand sieht man dem Film an und so können die klaustrophobischen Szenen unter Deck restlos überzeugen, das würde Wolfgang Petersen heutzutage auch nicht besser hinbekommen. Abstriche muss man dann bei ein paar recht offensichtlichen Modell-Tricks machen, die nicht immer den gewünschten Impact haben. Aber das sind Kleinigkeiten, über die man gut und gerne hinwegsehen kann, denn der Film ist größtenteils ein rundes Ding und unterhält ordentlich, auch wenn das Ganze mit knapp zwei Stunden etwas lang geraten ist.

Die Besetzung tut ihr übriges und überzeugt durch die Bank. Zwar handelt es sich hier um eher unbekannte Darsteller aus Belgien und den Niederlanden, ihre Rollen meistern sie jedoch tadellos. Gerade Hauptdarsteller Koen De Bouw setzt als traumatisiertes Raubein einige Akzente. Den schillerndsten Auftritt legt jedoch ein deutscher Schauspieler aufs Parkett. Martin Semmelrogge, einst selbst Crewmitglied in Petersens Unterwasser-Kriegsklassiker von 1981, darf hier als diabolischer Nazi-Kommandant vom Leder ziehen und feixend ein Baby…nun ja, seht es euch selbst an. Eigentlich ist unser abgerockter Martin die perfekte Wahl für eine Figur diesen Kalibers, seine Screentime beschränkt sich jedoch auf gerade einmal fünf Minuten. Schade, er hätte einen coolen Endgegner abgegeben.

Die Blu-ray aus dem Hause Eurovideo präsentiert den Film in ausgezeichneter Bild- und Tonqualität. Bis auf den Trailer, sind leider keine Extras auf der Scheibe zu finden.

Fazit:
U-235 – ABTAUCHEN, UM ZU ÜBERLEBEN (2019) ist ein schmissiger Kriegsfilm, ganz in der Tradition unterhaltsamer „Men on a Mission“-Filme. Ein, sich selbst nicht zu ernst nehmendes, Abenteuer irgendwo zwischen DAS DRECKIGE DUTZEND (1967) und INGLORIOUS BASTARDS (1978), mit ordentlicher Kinooptik und gut aufgelegten Darstellern, welches lediglich gegen Ende etwas abstinkt. Insgesamt aber eine positive Überraschung!

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