Flohmärkte waren in den 90er-Jahren noch eine richtige Fundgrube für Filmsammler. Mitunter tauchten dort obskure Filmperlen auf, die man vielleicht auf Filmbörsen oder in der hintersten Ecke einer Dorfvideothek fand. So kam ich Mitte der 90er-Jahre in den Besitz der VHS von Highway Queen (1971). Das sagenumwobene Videolabel TOPPIC war alleine schon interessant genug, um das gute Stück zu kaufen. Der Name Menahem Golan war mir ebenfalls ein Begriff, da ich zu dieser Zeit schon viele Filme von CANNON FILMS gesehen hatte. Highway Queen entpuppte sich jedoch nicht als die Exploitation-Granate, die ich erwartet hatte, sondern als melancholisches Milieu-Drama. Als solches funktioniert der Streifen sogar ganz gut. Sicherlich kein herausragender Film, den man gesehen haben muss, aber wer sich für die Anfänge der Cannon Films-Macher interessiert und/oder mal etwas ganz anderes sehen will, als glattgebügelte Filme aus der heutigen Zeit, dem kann ich diesen kleinen Film, den CARGO RECORDS nun veröffentlicht hat, ans Herz legen.

Originaltitel: Malkat Hakvish

Regie: Menahem Golan

Darsteller: Gila Amagor, Yehuda Barkan, Leah Koenig, Miriam Bernstein-Cohen

Artikel von Holger Braasch

Die junge Margalit (Gila Almagor) lebt in ärmlichen Verhältnissen in einem kleinen israelischen Kaff. Margalit genießt die Unabhängigkeit, in ihrer kleinen Wohnung hängen Bilder von Margaret D. H. Keane und ein gewöhnliches Familienleben kann sie sich bei ihrem Lebensstil nicht vorstellen. Ihren Lebensunterhalt verdient sie sich als Babysitterin und Straßenhure. Lastwagenfahrer Eric (Yehuda Barkan) ist verheiratet und hat zwei Kinder, dennoch nimmt er Margalit für einen kleinen Seitensprung mit und entwickelt bald echte Zuneigung zu ihr. Dies weckt in Margalit den Wunsch nach einem eigenen Kind, das sie selbst großziehen möchte. Eric (im Original: Arik) will seine Ehe nicht aufs Spiel setzen, lässt sich aber von Margalit überreden und macht ihr ein Kind. Margelit wird schwanger –  doch das Schicksal meint es nicht gut mit ihr. Sie nimmt einen Job als Verkäuferin an, doch ihre Vergangenheit als Straßenhure holt sie schlagartig wieder ein. Vier Typen tauchen im Laden auf und wollen sie abschleppen. Nachdem sie sich zunächst dagegen sträubt, lässt sie sich zu einem Saufabend überreden, der fatale Folgen für Margelit und ihr ungeborenes Kind hat. Die vier Männer fahren mit ihr auf einen abgelegenen Schrottplatz, um sie zu vergewaltigen. Dabei nimmt ihr ungeborenes Kind schweren Schaden und kommt behindert zur Welt. Nach einiger Zeit sieht sich Margelit gezwungen, ihr Kind in ein Sanatorium zu geben. Desillusioniert geht sie wieder auf den Strich, wo sie erneut auf Eric trifft. Doch Margalit hat sich verändert…

Menahem Golan und sein Cousin Yoram Globus begannen Anfang der 60er-Jahre mit kleinen Filmen in ihrer Heimat Israel. Gleichzeitig streckten die beiden schon seine Fühler in Richtung Hollywood aus, wo Menahem Golan von Roger Corman als Produzent des Films Schnelle Autos und Affären (1963) beteiligt wurde (von dem Quentin Tarantino ein großer Fan ist). Eis am Stiel (1977) erwies sich für die beiden Produzenten als großer Kassenerfolg und so hatte man bald das nötige Kleingeld, um die US-Produktionsfirma Cannon Films zu übernehmen und künftig größere Filmprojekte zu stemmen. Parallel setzte man Eis am Stiel fort, bis bei Teil 8 (1988) die Luft so ziemlich raus war – nicht nur aus der Filmreihe, sondern vor allem auch aus der Produktionsfirma Cannon Films, die immer weniger Gewinne einfahren konnten und gleichzeitig immer mehr Schulden anhäufte.

Menahem Golan wurde vor allem als Produzent trivialer Actionfilme und Komödien bekannt. Dass sein Spektrum vielseitiger war, zeigte z. B. Crime and Punishment – Du sollst nicht töten (2002), den er auch selbst schrieb und produzierte. Highway Queen (Originaltitel: Malkat Hakvish) ist noch eine rein israelische Produktion und war bereits der zwölfte Spielfilm, bei dem Menahem Golan Regie führte. Hauptdarstellerin Gila Almagor schrieb auch am Drehbuch mit und spielt ihre Rolle wirklich überzeugend. Sie wirkte auch in vorigen Filmen von Golan mit und blieb dem israelischen Film treu. Für den Dreh suchte man sich nicht gerade die schönsten Ecken aus. Inhaltlich und inszenatorisch ist das Ganze zwar nicht gerade originell, aber die soliden darstellerischen Leistungen und die schäbigen Locations verleihen dem Film einen hohen Grad an Authentizität. Dies wird noch unterstützt durch die Kameraarbeit, die oft etwas holprig ist, aber auch sehr schön die vorherrschende Stimmung einfängt. So sind auch einige Aufnahmen mit blutrotem Himmel bei Abenddämmerung dabei. Ein zweiter Robby Müller ist Kameramann David Gurfinkel sicherlich nicht (und Menahem Golan ist sicherlich auch kein zweiter John Cassavetes), aber den Sprung nach Hollywood hat er ebenfalls geschafft. So machte er auch die Kamera bei Menahem Golans Delta Force (1986).

Altes Toppic-Videocover

Die DVD von Mr. Banker Films/Cargo Records enthält zwei Versionen des Films: Die deutsche Videofassung (ca. 86 Minuten) und die israelische Originalfassung (ca. 103 Minuten) auf hebräisch mit fest eingebrannten englischen Unteriteln. Letztere dürfte der VoD-Version des israelischen Anbieters Walla! entsprechen. Beide Fassungen weisen über fast die komplette Laufzeit unterschiedliches Bildmaterial auf. Der Schnitt und die Szenenabfolge sind zwar meist ähnlich, doch wurden fast durchgehend alternative Einstellungen verwendet. Es gibt nur wenige Szenen, in denen dieselben Einstellungen verwendet wurde. Außerdem enthält die israelische Fassung einige Szenen mehr als die deutsche Fassung. So gibt es z. B. gegen Ende eine längere Sequenz, wo Margalit mit ihrem Sohn ein paar Stunden verbringt, bevor sie ihn ins Heim bringt. Unterschiedlich sind auch die Songs im Vorspann und im Abspann. In der deutschen Fassung wird auf Englisch gesungen, während die Songs in der israelischen Fassung auf Hebräisch vorgetragen werden. Als Master für die deutsche Fassung wurde ganz offenbar die alte VHS von Toppic verwendet, was sich an einer Stelle durch einen VHS-typischen „Spratzen“ bemerkbar macht, was aber nicht stört, da der (wirklich nur kurze) Aussetzer kaum auffällt. Die Qualität ist jedoch den Umständen entsprechend gut und auch der Ton leistet sich keine Ausfälle. Die deutsche Synchro ist mit bekannten Sprechern eingesprochen worden. Erik wurde z. B. von Wolfgang Hess synchronisiert. Auch Michael Caines Synchronstimme Jürgen Thormann ist in einer kurzen Szene zu hören.

Qualitativ darf man also nicht zu viel erwarten, aber man kann wohl froh sein, dass dieser Film überhaupt auf DVD erschienen ist. Und die deutsche Fassung ist ganz offenbar ein echtes Unikat, was zu VHS-Zeiten übrigens gar nicht so selten vorkam. Verleiher bastelten sich oftmals ihre eigenen Versionen zurecht, zum Teil mit komplett anderer Musik und mit Filmmaterial, welches in anderen Fassungen nicht zu sehen war. Daher finde ich es immer vorbildlich, wenn bei einer Veröffentlichung auch die alten deutschen Fassungen mit an Bord sind – und zwar die echten Fassungen, keine nachträglich „rekonstruierten“, wie das leider oft praktiziert wird. Bei Highway Queen dürfte es allerdings schwer sein, überhaupt anderes Material aufzutreiben und für die DVD lag auf jeden Fall ein VHS-Exemplar in bestem Zustand vor. Freunde exotischer Filme und Bahnhofskino-Liebhaber können also bedenkenlos zugreifen. Die DVD könnte in einiger Zeit durchaus selten und teuer werden. Mein besonderer Dank geht an brainbug1602, der für Schnittberichte.com den ausführlichen Vergleich zwischen den beiden Fassungen vorgenommen hat.

Einen Trailer müssen wir Euch diesmal leider schuldig bleiben.

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