Im Oktober des vergangenen Jahres gab es mit GOTT, DU KANNST EIN ARSCH SEIN! (2020) Nachschub für alle Fans deutscher Tränendrüsen-Kost in den hiesigen Kinos, aus bekannten Gründen allerdings nur für kurze Zeit. Inspiriert von einer wahren Geschichte, vereint die reichlich geförderte Tragikkomödie so ziemlich Alles, was eine ur-deutsche Schmonzette braucht, inklusive Til Schweiger. Leonine veröffentlicht den Film nun im Heimkino und ob es sich der Kauf lohnt, erfahrt ihr in unserer Kritik!

Drehbuch: Thomas Vaas, Katja Kittendorf; inspiriert vom gleichnamigen Buch von Frank Pape

Regie: André Erkau

Darsteller: Sinje Irslinger, Max Hubacher, Til Schweiger, Heike Makatsch, Jürgen Vogel, Jonas Holdenrieder, Jasmin Gerat…

Artikel von Christopher Feldmann

Deutsche Otto-Normal-Kinogänger haben vorzugsweise zwei Genres, für die sie immer wieder eine Karte lösen, nämlich die typische romantische Komödie und das Tränendrüsen-Drama. Zwei Gattungen, die in der Vergangenheit reichlich Geld in die Kassen gespült haben und auch immer wieder den Segen der deutschen Filmförderung enthalten. Warum das so ist, wird wahrscheinlich für immer ein Geheimnis bleiben, vielleicht sind wir Mitteleuropäer auch einfach nur besonders harmoniebedürftig und ergötzen uns am Leid anderer. Gut, letzteres ist eine reine Behauptung. Auch GOTT, DU KANNST EIN ARSCH SEIN! (2020) passt hervorragend in diese altehrwürdige Komfortzone und serviert knapp 100 Minuten bequeme Unterhaltung irgendwo zwischen seichtem Humor und aufgesetzter Romantik, verpackt in lupenreine ARD-Vorabend-Ästhetik. Okay, ganz so schlimm wie das jetzt klingt, ist der Film letztendlich nicht aber eben auch nicht gut, vor allem weil das eigentliche Kernthema kaum behandelt wird.

Handlung:

Steffi (Sinje Irslinger) hat gerade erst ihren Realschulabschluss absolviert und freut sich auf ihre anstehende Ausbildung bei der Polizei. Vorher soll es aber noch auf Klassenfahrt nach Paris gehen, ganz romantisch in Begleitung ihres Freundes Fabi (Jonas Holdenrieder). Doch dann flattert die Hiobsbotschaft ins Haus. Steffi hat Krebs und wird diesen nicht überleben, mit einer Chemotherapie schafft sie es vielleicht noch bis Weihnachten. Doch der resolute Teenager denkt nicht daran, den Kopf in den Sand zu stecken und brennt mit ihrer Zufallsbekanntschaft, dem Motorrad-Akrobaten Steve (Max Hubacher), Richtung Frankreich durch, denn das romantische Tête-á-Tête will sie sich nicht nehmen lassen. Ein Schock für ihre Eltern Eva (Heike Makatsch) und Frank (Til Schweiger), die in größter Sorge die Verfolgung aufnehmen.

GOTT, DU KANNST EIN ARSCH SEIN! basiert lose auf der Geschichte von Frank Pape, dessen Tochter ebenfalls unheilbar an Krebs erkrankte. Die Erfahrungen verarbeitete er in einem Buch, das als Grundlage für den Film diente, auch wenn der größte Teil der Handlung frei erfunden ist und die Macher eigentlich nur von dem Aufhänger „Teenager erkrankt unheilbar an Krebs“ zehren. Das eigentliche Kernthema, der Umgang mit der Krankheit, findet im Film kaum einen Platz, stattdessen konstruiert man einen seichten Road-Trip, in den sich locker Love-Story und schmale Gags integrieren lassen.

Der Verlauf der Handlung gestaltet sich dabei wenig überraschend und schon früh wissen wir als Zuschauer, wie das Ganze ausgehen wird. Aber der Weg ist ja bekanntlich das Ziel und der gestaltet sich nicht nur für die Protagonisten holprig. So verliert der Film immer wieder an Tempo und Schwung, da ständig die Perspektive gewechselt wird und wir nicht nur Steffi und Steve bei ihren Erlebnissen begleiten, sondern auch dem Elternpaar Raum gegeben wird, um ihre eigenen „Abenteuer“ zu erleben. Das sorgt insbesondere für viele Szenen, die mehr auf lockeren Humor setzen, als auf echtes Drama, als hätte man Angst, den Zuschauern zu viel Traurigkeit zuzumuten. Der eigentliche Knackpunkt, Steffis Krankheit, wird irgendwann gänzlich ausgeklammert, die Figur hat den ganzen Film über nicht mal Schmerzen oder sonstige Beschwerden, die auf eine lebensbedrohliche Krankheit schließen lassen würden. Tatsächlich fungiert das bloße Lippenbekenntnis nur als künstlicher Unterbau für einen generischen Plot, der echte Gefühle oder tiefschürfende Momente vermissen lässt. Stattdessen wird versucht, aus der dramatischen Geschichte ein Feel-Good-Movie zu schustern, das erst am Ende versucht, wirkliche Emotionen zu verkaufen.

Auch inszenatorisch bleibt GOTT, DU KANNST EIN ARSCH SEIN! auf dem Niveau des gängigen Vorabend-Programms. Mit reichlich Filtern zugeklatscht und in Postkarten-Optik gedreht, wirkt die Chose eher wie ein Remake von KNOCKIN‘ ON HEAVEN’S DOOR (1997), ohne aber je dessen Gewicht zu erreichen. Stattdessen müssen sich die Zuschauer mit einer halbgaren Referenz begnügen. Auch der Road-Trip Richtung Paris gibt nicht viel her, serviert uns der Regisseur André Erkau doch die gefühlt immer gleichen Landschaftsaufnahmen, bestehend aus Wiesen und Felder, an denen unsere Protagonisten vorbeifahren. Wahrscheinlich wurde der Film dennoch an verschiedenen Locations gedreht, um möglichst viel Filmförderung abzugreifen.

Das Positivste an GOTT, DU KANNST EIN ARSCH SEIN! dürfte vermutlich die Tatsache sein, dass Til Schweiger, der ja so etwas wie das Schreckgespenst der deutschen Mainstream-Unterhaltung darstellt, erstaunlich wenig nervt. Das dürfte an der Tatsache liegen, dass der KEINOHRHASEN-Star hier weder als Regisseur, Autor oder gar Produzent beteiligt war und lediglich seine durchaus sympathische Nebenrolle verkörpert. Schweiger kann funktionieren, wenn er keine kreativen Entscheidungen treffen darf. Zusammen mit seiner Film-Ehefrau Heike Makatsch, die ein paar tolle Momente hat, macht er einen ordentlichen Job, die Beiden besitzen sogar eine gute Chemie. Den besten Job macht allerdings Sinje Irslinger, die viel natürlichen Charme und Authenzität in den Film bringt und enorme Strahlkraft besitzt. Hätte man sich getraut, das Thema etwas erwachsener anzupacken, hätte sie deutlich mehr zeigen können, da bin ich mir sicher. Schwach ist hingegen Max Hubacher, der getreu dem Spruch „wenn man Ryan Gosling auf Wish bestellt“ mit aufgesetzter Coolness und Bad-Boy-Attitüde reichlich auf die Nerven geht und stellenweise wirklich miese Dialoge aufsagen darf. Dazu gesellt sich noch eine bunte Ansammlung von mal mehr, mal weniger vergessenswerten Cameos, die sich von Jasmin Gerat über Benno Fürmann und Janine Kunze bis hin zu Dietmar Bär erstreckt. Jürgen Vogel hingegen, von dem man eine tragende Rolle erwartet hat, darf in drei Szenen den lallenden Zirkusdirektor geben und hat für den Film genau so wenig Bewandnis wie die Kurzauftritte seiner prominenten Kollegen.

Fazit:

GOTT, DU KANNST EIN ARSCH SEIN! (2020) ist gefälliges, typisch deutsches Wohlfühl-Kino, das sich die Tränendrüse zwar größtenteils spart aber der Prämisse auch irgendwie nie gerecht wird. Frei von Ecken und Kanten präsentiert der Film das Leiden einer jungen Krebspatientin als seichtes Road-Movie mit der unweigerlichen Portion Humor und Herzschmerz. Könnte deutlich schlechter sein aber auch wesentlich besser. Fans von ähnlichen Werken wie beispielsweise DAS SCHICKSAL IST EIN MIESER VERRÄTER (2014) dürften dennoch auf ihre Kosten kommen. Filmfans, die deutsche Schmonz-Kost generell weiträumig umfahren, werden sich in ihren Vorurteilen wahrscheinlich einmal mehr bestätigt fühlen!

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