Edgar Wallace wird 25!…also nicht Jahre, sondern Filme alt. 1968 begoss man bei Rialto-Film das Jubiläum der erfolgsträchtigen Kriminalfilmreihe und veröffentlichte standesgemäß einen großen Jubiläumsfilm, der einmal mehr für stattlichen Zuspruch der Zuschauer sorgen sollte. Mit DER HUND VON BLACKWOOD CASTLE (1968) bot man eine große Starbesetzung und so ziemlich alles, was das Wallace-Herz begehrte. Wie sich der Streifen heute schlägt, erfahrt ihr in der neuesten Ausgabe unserer Retrospektive!

„Hallo, hier spricht Edgar Wallace!“

Drehbuch: Alex Berg

Regie: Alfred Vohrer

Darsteller: Heinz Drache, Karin Baal, Horst Tappert, Siegfried Schürenberg, Ilse Pagé, Agnes Windeck, Uta Levka, Arthur Binder, Mady Rahl, Alexander Engel, Tilo von Berlepsch, Hans Sönker, Harry Wüstenhagen, Otto Stern…

Artikel von Christopher Feldmann

Nach dem Erfolg von DER MÖNCH MIT DER PEITSCHE (1967) sollte etwas Besonderes her, immerhin stand der mittlerweile 25. Edgar-Wallace-Film der Rialto-Film bevor und dieses Jubiläum sollte gebührend gefeiert werden. Ursprünglich sollte im Herbst 1967 der Krimi ENGEL DES SCHRECKENS entstehen, an Originalschauplätzen in London und mit der britischen Tochtergesellschaft des Unternehmens als Produktionspartner. Allerdings wurde das Projekt auf unbestimmte Zeit verschoben, zumal die britische Firma die Produktion einstellte. Es musste Ersatz her und so kramte man ein Drehbuch mit dem Titel DER SCHWARZE HUND VON BLACKWOOD CASTLE aus der Schublade, welches im Mai 1967 in Auftrag gegeben und von Franz Seitz Junior alias Georg Laforet geschrieben wurde. Aufgrund mangelnder Qualität wurde es im Sommer von Haus- und Hofautor Herbert Reinecker (unter dem Pseudonym Alex Berg) überarbeitet, der sich dabei weniger an wirklich Geschichten von Edgar Wallace orientierte, sondern am Sherlock-Holmes-Roman DER HUND VON BASKERVILLE von Arthur Conan Doyle. Da das ursprünglich geplante Projekt zu diesem Zeitpunkt nicht realisierbar war, gab man diesem Werk, welches für Frühjahr 1968 geplant war, den Vorzug. Herausgekommen ist ein hervorragend unterhaltsamer Krimi, der zu Recht von vielen Fans als bester Farbfilm der Reihe bezeichnet wird. Auch für mich ist DER HUND VON BLACKWOOD CASTLE ein echtes Highlight unter den Wallace-Filmen.

Handlung:

Jane Wilson (Karin Baal) tritt das Erbe ihres Vaters, des verstorbenen Kapitän Allan Wilson (Otto Stern) an und zieht vorübergehend auf dessen Wohnsitz, Blackwood Castle. Bereits bei der Ankunft umwirbt sie der zwielichtige Nachlassverwalter und Anwalt Jackson (Hans Sönker), der sie dazu bewegen will, das Anwesen so schnell wie möglich zu verkaufen. Jane wird misstrauisch, vor allem weil sich auffallend viele ebenso halbseidene Gestalten für das Schloss zu interessieren scheinen. Kurz darauf fällt bereits der zweite Unbekannte einem unheimlichen Hund zum Opfer, der im Moor sein Unwesen zu treiben scheint. Beide waren waren Übernachtungsgäste im „Old Inn“, einem Gasthaus unweit der Ereignisse, das von Lady Agathy Beverton (Agnes Windeck) und deren Bruder (Tilo von Berlepsch), den ehemaligen Besitzern von Blackwood Castle, betrieben wird. Als die Leiche des unbekannten Interessenten gefunden wird, schaltet sich Scotland Yard ein. Da kein Inspektor frei ist, übernimmt Sir John (Siegfried Schürenberg) den Fall persönlich und stößt damit in ein Wespennest. Was geht in Blackwood Castle vor sich? Wer sind die Männer, die sich so sehr für das marode Anwesen interessieren? Und warum müssen sie sterben? Unterstützung erhält der Polizeichef bei seinen Ermittlungen von dem Jäger Connery (Heinz Drache), der aber selbst mehr zu wissen scheint, als er preisgeben mag.

Auch dieser Wallace-Krimi gehört zu jenen Filmen, die ich erst sehr spät sehen durfte, blieb mir doch eine Sichtung im Fernsehen irgendwie immer verwehrt. Erst mit der DVD kam ich in den Genuss des Jubiläumsfilms und habe ihn seitdem äußerst lieb gewonnen, was zum einen an der klassischen Atmosphäre liegt, die in den Farbfilmen eher seltener zu finden war, zum anderen aber auch an dem spielfreudigen Star-Aufgebot und der verzwickten Geschichte, die der Streifen zu bieten hat.

Wahrscheinlich ist dies auch der Tatsache geschuldet, dass Stamm-Regisseur Alfred Vohrer gemeinsam mit seiner Regieassistentin Eva Ebner nochmal Hand an das Skript legte und die Story noch einmal um die typischen und beliebten Elemente der späteren Jahre anreicherte. Zum ersten Mal haben wir es hier nicht mit einem skurril maskierten Bösewicht zu tun, sondern mit einem Tier, das für reges sterben im britischen Moor sorgt. Eine Premiere innerhalb der Serie, was zugleich auch der einzige große Kritikpunkt am Film ist. Während andere Geschichten mit einem memorablen Antagonist punkten konnten (wie zum Beispiel bei DER MÖNCH MIT DER PEITSCHE), verlässt sich DER HUND VON BLACKWOOD CASTLE wieder mehr auf das fröhliche Rätselraten, denn der Zuschauer bekommt hier einen ganzen Schwung an halbseidenen Figuren geboten, die alle unterschiedliche Ziele zu verfolgen scheinen und für reichlich Verwirrung sorgen. Sei es der Jäger Connery, der auch mal eine Leiche von A nach B transportiert, der ehemalige Schlossbesitzer Lord Beverton, der sich mehr mit seinem Schachbrett zu beschäftigen scheint als mit allem anderen oder der hiesige Dorf-Arzt, der ebenfalls mehr zu wissen scheint als er vorgibt. Dazu kommen noch eine ganze Reihe illustrer Ganoven an den Ort des Geschehens, deren Absichten erst spät wirklich klar werden.

Vohrers spaßiger Krimi hat etwas von einer Art Theaterstück, in dem ein großes Ensemble agiert und dessen Fäden langsam aber sicher zusammenlaufen. Diese Art der Story-Progression macht DER HUND VON BLACKWOOD CASTLE sogar ziemlich gut und kreiert sein Tempo durch eine gesunde Mischung aus Spannung, Rätselraten und Humor. Ein einwandfreier 60’s-Krimi-Pulp-Cocktail, der eigentlich alles bietet, was der Fan begehrt. Auch gegen Ende überrascht das Ganze noch mit ein paar netten Twists, die vielleicht nicht immer so wirklich logisch sind aber für einige Überraschungen sorgen. Anscheinend hat man sich wirklich Mühe gegeben, zum Jubiläum der Reihe einen wirklich knackigen Film abzuliefern. Diese Mühen wurden offensichtlich belohnt.

Ich liebe viele Aspekte des Films, vor allem, da es sich hier um einen der letzten handelt, die noch einmal die klassische Wallace-Atmosphäre zu bieten haben. Egal, ob die stimmungsvollen Szenen im nächtlichen Moor, mit reichlich angeleuchtetem Nebel, die pointierten Dialoge, die temporeichen Action-Momente oder die charmanten Grusel-Effekte. Das Alles ist einmal mehr der Beweis dafür, dass Alfred Vohrer eben der perfekte Wallace-Regisseur war, der es wie kein Zweiter verstand, die Essenz der Filme zu erkennen und sie zu einem großen Spaß werden zu lassen. Das soll die Arbeit von routinierten Handwerkern wie Harald Reinl, der ursprünglich die Regie übernehmen sollte, natürlich nicht schmälern aber Vohrers Beiträge sind nun einmal die, die den größten Unterhaltungswert besitzen.

Einen großen Anteil daran haben allerdings auch die glänzend agierenden Schauspieler. Erstmals nach NEUES VOM HEXER (1965) und mit fast drei Jahren Pause war Heinz Drache wieder in einem Edgar-Wallace-Krimi der Rialto-Film zu sehen. Er spielt dieses Mal mit dem Part des mysteriösen Jägers Connery eine etwas andere Rolle, war er doch zuvor immer als Ermittlerfigur zu sehen. Es war aber auch Draches letzter Wallace-Auftritt und zugleich sein letzter Kinofilm. Nach Erscheinen wechselte er gänzlich zum Theater und zum Fernsehen. Insgesamt war er sechsmal für Rialto im Einsatz, zählt man die Wallace-Filme der Konkurrenz, also DER RÄCHER (1960), SANDERS UND DAS SCHIFF DES TODES (1965) und DAS RÄTSEL DES SILBERNEN DREIECKS (1966) dazu, kommt er sogar auf neun Auftritte. Während Joachim Fuchsberger immer mehr der Mister Charming war, gab Drache eher den rauen Inspektor, im hier vorliegenden Film konnte er eine etwas andere Seite zeigen, die ihm ebenfalls glänzend stand. In der weiblich Hauptrolle agiert zum zweiten Mal Karin Baal, die man bereits in DIE TOTEN AUGEN VON LONDON (1961) bewundern dufte und die neben Karin Dor mein liebstes Wallace-Girl ist, obwohl sie nur drei Auftritte hatte. Ihre Mischung aus Schönheit und selbstsicherem Auftreten kommt auch hier wunderbar zum Tragen. Auch darüber hinaus ist DER HUND VON BLACKWOOD CASTLE exzellent besetzt. Agnes Windeck gibt hier ihre Abschiedsvorstellung als leicht schrullige aber liebenswerte Grand Dame, die sie schon in zwei vorhergegangenen Filmen verkörpern durfte, Ihr zur Seite stehen mit Tilo von Berlepsch und Alexander Engel ebenfalls Wiederholungstäter in Sachen Wallace. Während von Berlepsch uns noch einmal beehren wird, müssen wir uns auch hier von Engel verabschieden, der noch im selben Jahr verstarb. Beide, die sonst eher in kleinen Rollen zu sehen waren, haben hier weitaus größere Parts, was mich immer wieder freut. Ebenfalls zum letzten Mal dabei, ist Uta Levka als eine Art Femme Fatale und Harry Wüstenhagen absolviert seinen fünften und vorletzten Auftritt in einem Wallace-Film. Mady Rahl spielt zum zweiten und letzten Mal nach DER FÄLSCHER VON LONDON (1961) und Otto Stern gibt wiederum sein Debüt, ein reges Kommen und Gehen eben. Der spätere Star der Kult-Serie DERRICK (1974-1998), Horst Tappert, feierte ebenfalls seinen Einstand und fürs Erste auf der anderen Seite des Gesetzes.

Der große Star des Films ist aber ohne wenn und aber Siegfried Schürenberg als liebenswert trotteliger Sir John. Dieser bekommt auch seinen lange überfälligen großen Auftritt, muss der Chef von Scotland Yard dieses Mal den Fall doch persönlich übernehmen, da kein Inspektor zur Verfügung steht. Ein würdiger Abschluss der Figur, die sich mit diesem Film, vorerst, in den Ruhestand verabschiedet. Schürenberg trat erstmals in DIE TÜR MIT DEN SIEBEN SCHLÖSSERN (1962) als Polizeichef auf. Anfangs noch mit einer gewissen Ernsthaftigkeit und Seriosität dargestellt, wurde Sir John im Verlauf der Serie mehr und mehr zum Comic-Relief und auch seine Screentime erhöhte sich sichtbar. Bis heute ist er meine liebste Figur aus dem Wallace-Kosmos, die im Nachfolger IM BANNE DES UNHEIMLICHEN (1968) durch Hubert von Meyerinck als Sir Arthur ersetzt wurde, der in Sachen übertriebenem Schauspiel nochmal eine Ganze Schippe drauflegen sollte. Unterstützt wird Sir John hier einmal mehr vom deutschen Moneypenny-Pendent Miss Finlay, wieder dargestellt von Ilse Pagé. Ein kleines Bonbon für Synchronfans: Schnodder-Papst Rainer Brandt spielt einen der Gangster, die es im Moor dahinrafft.

Um den Starttermin im Januar zu halten, begannen die Dreharbeiten schon am 16. Oktober 1967, da das Drehbuch ausnahmsweise frühzeitig fertig war. Sie dauerten bis zum 27. November an. Gedreht wurde ausschließlich in Berlin, wieder einmal auf der Pfaueninsel, wo unter anderem das Schloss und der Fregattenschuppen als Kulissen dienten. Innenaufnahmen fanden in den CCC-Studios statt, auf London-Material wurde zum dritten Mal in Folge verzichtet. Nach DIE BLAUE HAND (1967) und DER MÖNCH MIT DER PEITSCHE (1967) handelt es sich hier ebenfalls um den dritten Film in Folge, der ausschließlich in Berlin entstand. Für die Musik war hier wieder Peter Thomas verantwortlich, der sich hörbar an seinem Score zu DER HEXER (1964) orientierte.

Seine Premiere feierte der Film am 18. Januar 1968 im Mathäser-Filmpalast in München. Diese fand im Rahmen einer großen Jubiläumsfeier statt, bei der alles anwesend war, was Rang und Namen hatte. Neben Cast und Crew waren auch Wallace-Stars wie Karin Dor, Joachim Fuchsberger und Harald Leipnitz, sowie viele deutsche Kinobetreiber vor Ort. Im Rahmen dieser Feier, der ein großer Ball folgte, wurde Horst Wendlandt mit der „goldenen Leinwand“ für 25 Edgar-Wallace-Filme und besondere Verdienste in der Filmwirtschaft ausgezeichnet. Von der FSK bekam der Film eine Freigabe ab 12 Jahren, ohne Auflagen für Kürzungen. Trotz der niedrigen Freigabe lief er weit weniger erfolgreich als alle Krimis der Reihe zuvor, entwickelte sich mit der Zeit und aufgrund Wiederaufführungen und Jugendvorstellungen aber noch zum Erfolg.

Fazit:

DER HUND VON BLACKWOOD CASTLE (1968) war als Nummer 25 der große Jubiläumsfilm der langlebigen Krimi-Reihe. Auch wenn der Streifen nicht den ikonischen Status wie manch andere Beiträge genießt, handelt es sich um einen schwer unterhaltsamen, wendungsreichen, stimmungsvollen und temporeichen Film, der mit großer Starbesetzung aufwartet und Siegfried Schürenberg zum vorerst letzten Mal in seiner Paraderolle aufspielen lässt. Für mich immer noch ein Evergreen, der nie langweilig wird!

4 von 5 Schachpartien im „Old Inn“

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