Philip Seymour Hoffman gehört zu den wohl profiliertesten Schauspielern unserer Zeit aber auch zu denjenigen, die ihr Leben an die Drogen verloren. Seine wohl schillerndste Darbietung lieferte der preisgekrönte Mime in der Filmbiografie CAPOTE (2005), die ihm den Oscar als bester Hauptdarsteller einbrachte. Das Kinodebüt von MONEYBALL-Regisseur Bennett Miller erzählt einen Lebensabschnitt des einst gefeierten Autors Truman Capote, der in den frühen 1960er Jahren Recherchen für seinen True-Crime-Bestseller KALTBLÜTIG (1966) betreibt. Pidax und Studio Hamburg haben das gefeierte Drama kürzlich frisch remastered im Heimkino veröffentlicht. Warum der Film auch abseits von Hoffmans Performance sehenswert ist, erfahrt ihr in unserer Kritik.

Originaltitel: Capote

Drehbuch: Dan Futterman; nach der gleichnamigen Biografie von Gerald Clark

Regie: Bennett Miller

Darsteller: Philip Seymour Hoffman, Catherine Keener, Clifton Collins Jr., Mark Pellegrino, Bruce Greenwood, Chris Cooper, Amy Ryan…

Artikel von Christopher Feldmann

Truman Capote gehört sicher zu den schillerndsten Persönlichkeiten der US-amerikanischen Literaturszene. Nach zahlreichen preisgekrönten Kurzgeschichten katapultierten ihn seine Romane DIE GRASHARFE (1951) und vor allem FRÜHSTÜCK BEI TIFFANY (1958) in den Autorenolymp, nicht zuletzt dank der Verfilmung letzteren mit Audrey Hepburn und George Peppard, der, auch wenn der Film im Gegensatz zum Buch positiv endet, gemeinhin als Klassiker gilt. Capote war ein Star und gern gesehenes Mitglied der High Society und des Jetsets, war als Schreiberling für Drehbücher und auch für Musicals tätig und lebte zudem einen extravaganten Lebensstil. Auch seine offene Homosexualität stellte kein Problem dar, sie wurde gesellschaftlich akzeptiert. Allerdings ging es auch mit seiner Karriere bergab, verkrachte sich der Exzentriker doch später mit den feinen Kreisen, in dem er in dem nie fertiggestellten ANSWERED PRAYERS Geheimnisse der Gesellschaft enthüllte, der er 25 Jahre lang angehörte, was unter anderem eine Millionärswitwe in den Selbstmord trieb. Er versank immer mehr in einem Sumpf aus exzessiven Partys, Alkohol und Drogen, was ihn schließlich 1984 im Alter von 59 Jahren das Leben kostete. Auslöser für diesen Abstieg waren Depressionen und Nervenzusammenbrüche, die auf seine Arbeit an dem Tatsachenroman KALTBLÜTIG (1966) zurückzuführen sind, die ihn kreativ ausbrannte und derart aufwühlend war, dass er sich davon nie mehr wirklich erholen konnte. Allerdings war das Buch nicht nur ein gigantischer Bestseller, sondern beeinflusste den „New Journalism“ und das, was wir heute als „True-Crime“ kennen maßgeblich. Kein Wunder, dass man für CAPOTE (2005) dieses Projekt als Hintergrund wählte, was dem Zuschauer den Menschen Truman Capote wahrscheinlich näher bringen dürfte, als jedes andere konventionelle Biopic.

Handlung:

Als Verfasser des Erfolgsromans „Frühstück bei Tiffany“ ist Truman Capote (Philip Seymour Hoffman) ein erfolgreicher, bekannter Autor. Als er eines Tages über einen grausamen Mord an einer Farmerfamilie hört, lässt ihn diese Geschichte nicht mehr los. Er beginnt zu recherchieren und möchte ein Buch darüber schreiben. Es soll den Titel „Kaltblütig“ tragen. Damit will der renommierte Schriftsteller beweisen, dass ein auf Fakten basiertes Werk genauso spannend wie ein fiktionaler Roman sein kann. Gemeinsam mit seiner Vertrauten und Assistentin Harper Lee (Catherine Keener) begibt sich der mit Manierismen behaftete Schriftsteller nach Kansas, um mehr über die grausame Tat herauszufinden. Als nach kurzer Zeit die beiden Täter verhaftet werden, geht Capote sogar noch einen Schritt weiter und versucht durch Gespräche die Hintergründe der Tat zu begreifen, was ihn schlussendlich in eine Sinnkrise treibt.

Biopics leiden oft unter ihrer Fülle an Material, immerhin sind sie meist darauf ausgelegt, ein ganzes Leben abzubilden, was gerne dazu führt, dass viele Schlüsselmomente zu kurz kommen. CAPOTE entzieht sich dieser Kritik relativ clever, fokussiert sich der Film doch auf einen bestimmten Lebensabschnitt und schafft es trotzdem dem Zuschauer den Menschen Truman Capote in Gänze näher zu bringen, einen nicht mit Manierismen geizenden und höchst extrovertierten Künstler, der hier ein aufsehenerregendes Verbrechen ergründet. Tatsächlich rückt die Tat an sich in den Hintergrund, immerhin wurde diese vom Protagonisten selbst in literarischer Form aufgearbeitet. Bennett Miller fokussiert sich auf die Charaktere und gerade im Falle von Capote kitzelt er die Charaktereigenschaften anhand der Vorgänge heraus. Immerhin steht die Arbeit an KALTBLÜTIG sinnbildlich sowohl für das Genie als auch für den emotionalen Verfall des gefeierten Autoren.

So umgeht die Geschichte die Versuchung, den Aufstieg und Fall Capotes einfach nur wie eine Checkliste abzuarbeiten, denn hier stehen die Charaktere im Mittelpunkt, allen voran natürlich der Protagonist selbst aber auch die weiteren Figuren kommen nicht zu kurz. Tatsächlich ergibt das Zusammenspiel mit Clifton Collins Jr. und Mark Pellegrino eine gewisse Dynamik, die es ermöglicht einen Menschen wie Capote zu verstehen und das eigene Interesse an ihm zu wecken, denn auch wenn der Film dessen sonstige Lebensphasen ausklammert, lässt sich das große Ganze einfach erschließen. So gelingt es der ruhig und authentisch erzählten Geschichte auch ein Publikum ohne Hintergrundwissen anzusprechen, die Zusammenhänge ergeben sich einfach von selbst. Das macht die ohnehin schon interessanten Erkenntnisse zum Mord an einer Farmerfamilie noch spannender und spätestens wenn Capote mit den Mördern in den Dialog tritt, ergibt sich daraus intensivstes Schauspielkino. Auch lässt die Handlung genug Interpretationsspielraum im Hinblick auf die Beziehung zwischen Capote und dem Mörder Perry Smith. Die Frage aus welcher Motivation heraus der Schriftsteller agiert, wird nie final geklärt und es ist gar nicht so wichtig ob er Smith nur ausnutzt oder echte Gefühle dahinterstecken, jede einzelne Deutung hat ihren Reiz und trägt zum Gesamtbild bei.

Lediglich im letzten Drittel zerfasert CAPOTE etwas und der Film verliert etwas den Fokus, um Alles zu einem runden Abschluss zu bringen. Allerdings ist das Meckern auf hohem Niveau, denn wenn das Projekt einen absoluten Trumpf in der Hand hat, dann ist es Philip Seymor Hoffman. Der 2014 verstorbene Schauspieler liefert hier die Performance seines Lebens ab und holt heraus was nur möglich ist. Hier sitzt jede Geste, jedes mimische Detail und jede Silbe, so sehr schien sich Hoffman transformiert zu haben, was ihm völlig zu recht den Golden Globe und den Oscar einbrachte. Auch wenn er oft in deutlich konventionelleren Filmen brillieren konnte, wie zum Beispiel in ROTER DRACHE (2002) oder als Bösewicht in MISSION: IMPOSSIBLE 3 (2006), die kleineren, anspruchsvolleren Werke offenbarten immer das Genie des Darstellers. So ist seine Darstellung des Truman Capote die vorläufige Krönung einer ganzen Palette an wunderbaren Auftritten in Filmen wie BOOGIE NIGHTS (1997), MANGNOLIA (1999) oder PUNCH-DRUNK LOVE (2002). Aber auch die restliche Besetzung leistet hervorragende Arbeit, allen voran Clifton Collins Jr. und Catherine Keener. Aber auch Chris Cooper als Detective, der sich nach anfänglichem Zögern mit Capote anfreundet weiß zu gefallen.

Inszenatorisch ist CAPOTE sehr kühl geraten und versucht das karge Kansas so nüchtern wie möglich zu präsentieren, was auch sehr gut zu der Tonalität passt und fast schon dokumentarisch anmutet. Visuelle Brillanz und experimentelle Spielereien sucht man zwar vergebens, der Film lebt aber nun mal von seinen Darstellern. Dass Regisseur Bennett Miller dies wunderbar beherrscht, konnte er 2011 mit dem Sportdrama MONEYBALL noch einmal eindrucksvoll unter Beweis stellen.

Pidax und Studio Hamburg haben das biografische Drama in einer restaurierten Fassung neu als Blu-ray und DVD veröffentlicht. Zur Sichtung lag uns die DVD vor. Bild- und Tonqualität sind ordentlich, im Bonusmaterial befinden sich zwei Audiokommentare, ein Making-Of und eine Bildergalerie.

Fazit:

CAPOTE (2005) ist ein eindringlich inszeniertes, herausragend gespieltes Biopic-Drama, dessen größte Stärke unbestritten Philip Seymour Hoffman ist. Aber auch für Fans von True-Crime dürfte der Film interessant sein, immerhin ist der Autor wahrscheinlich der Begründer dieser beliebten Form von Journalismus. Als Zeitdokument auf jeden Fall sehr empfehlenswert.

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