Es gibt wieder neuen Stoff aus Mütterchen Russland im hiesigen Heimkino, dieses Mal sogar ein echtes Schmankerl für Fans dreckiger Western und der Filme Quentin Tarantinos. In RED GHOST – NAZI HUNTER (2020) treffen nämlich deutsche SS-Unholde auf einen erbarmungslosen russischen Gegner, was für reichlich Blutvergießen in der strahlend weißen Schneelandschaft sorgt. Capelight Pictures haben den Streifen kürzlich veröffentlicht, ob er an seine offensichtlichen Vorbilder heranreichen kann, erfahrt ihr in unserer Kritik.

Originaltitel: Krasnyy prizrak

Drehbuch: Pavel Abramenkov, Andrey Bogatyrev, Vyacheslav Shikhaleev

Regie: Andrey Bogatyrev

Darsteller: Aleksey Shevchenkov, Vladimir Gostyukhin, Yuriy Borisov, Polina Chernyshova, Wolfgang Cerny…

Artikel von Christopher Feldmann

Jedes Label hat sein Steckenpferd. Während sich Firmen wie beispielsweise Busch Media auf Filme aus dem asiatischen Raum, speziell Südkorea konzentrieren, avancierten Capelight Pictures in den letzten Jahren als verlässliche Heimat für das russische Kino. So finden sich im Vertriebskatalog durchaus sehenswerte Perlen wie der optisch prächtige Fantasyfilm COMA (2019), der Science-Fiction-Horror SPUTNIK (2020) oder das allseits bekannte POV-Actionbrett HARDCORE HENRY (2015). Dass die Kollegen aus dem Osten durchaus ansprechende Kost zaubern können, stellt nun RED GHOST – NAZI HUNTER (2020) eindrucksvoll unter Beweis und zeigt, dass sie ihre Hausaufgaben gemacht haben.

Handlung:

Sowjetrussland im Winter 1941: Die Wehrmacht hat große Teile der Roten Armee bei Wjasma eingekesselt, Partisanen und Deserteure treiben sich in den schneebedeckten Wäldern herum. Immer wieder taucht ein mysteriöser Scharfschütze (Aleksey Shevchenkov) wie aus dem Nichts auf und hinterlässt haufenweise tote Wehrmachtssoldaten. Ein Tötungskommando unter der Leitung von SS-Hauptsturmführer Braun (Wolfgang Cerny) soll dem Nazijäger, den die Deutschen „das rote Phantom“ nennen, ein Ende bereiten. Doch der geheimnisvolle Rächer erwartet den Trupp bereits. In einer verlassenen Holzhaussiedlung kommt es zum Showdown!

Regisseur Andrey Bogatyrev scheint nicht nur ein großer Fan Quentin Tarantinos zu sein, sondern auch einen gewissen Faible für italienische Western zu haben, denn RED GHOST ist ein Konglomerat aus eben diesen beiden Elementen. Tarantino selbst hat die Stilmittel aus der goldenen Zeit der „Spaghetti-Western“ in mehrere seiner Film einfließen lassen. Zwar sind DJANGO UNCHAINED (2012) und THE HATEFUL EIGHT (2015) direkte Liebeserklärungen an das Genre aber auch bei dem im 2. Weltkrieg angesiedelten INGLOURIOUS BASTERDS (2009) bediente sich der Meister bei der Bildsprache von Leone, Corbucci, Sollima und Co.

Bogatyrev schlägt einen ähnlichen Weg ein und inszeniert seinen Weltkriegs-Häuserkampf mitten in der sowjetischen Eiswüste im Stil klassischer, rauer Western. So lassen sich schnell Parallelen zum Corbucci-Klassiker LEICHEN PFLASTERN SEINEN WEG (1968) erkennen, nicht nur aufgrund des winterlichen Settings, sondern auch in Bezug auf die Situation der Figuren. Die umherziehenden Partisanen, die den Versuch unternehmen, sich den Nazis zu entziehen, indem sie sich in den Wäldern verstecken erinnern auffallend an die durch Plünderungen aussätzig gewordenen Bürger im Schnee-Western mit Jean-Louis Trintignant und Klaus Kinski, die sich vor ruchlosen Kopfgeldjägern verstecken müssen. Natürlich scheinen Figuren wie „Das rote Phantom“, das aus dem Nichts auftaucht, um Nazis über den Jordan zu schicken, direkt aus einer Tarantino-Phantasie zu entsprungen zu sein, dennoch verleiht die comicartige Überzeichnung dem Film einen gewissen Reiz, der unerlässlich für den Unterhaltungsfaktor ist. Insgesamt ist das Drehbuch nämlich ziemlich dünn und der Vorwurf, dass Bogatyrev sich eigentlich ausschließlich von seinen Vorbildern inspirieren hat lassen, dabei auch ganze Stilmittel kopiert, muss sich RED GHOST schlussendlich gefallen lassen.

Wirklich neu ist hier nämlich nichts, auch wenn es der Regisseur und Co-Autor schafft, dem Treiben einen gewissen Spaß-Faktor zu verleihen. So sorgen gewisse Figuren für eine Portion schwarzen Humor und besonders die umherziehenden Partisanen legen eine Art Kauzigkeit an den Tag, die für unterhaltsame Szenen sorgt und der Truppe irgendwie Charme verleiht. Gleiches gilt auch für die Antagonisten, die größtenteils froh darüber sind, ein Phantom zu jagen und nicht an der Front kämpfen zu müssen, was bedeutet, dass sie eine ruhige Kugel schieben können. So wird beim auf der Lauer liegen gerne mal Schweinebraten zubereitet und über den Sinn und Unsinn des Lebens diskutiert. Dem gegenüber steht mit Wolfgang Cerny als „Braun“ der absolute Klischee-Nazi, inklusive Seitenscheitel, Allüren und Astralkörper, der selbstverständlich keine Gnade kennt. Gerade er wird besonders schön demontiert, wenn er eine längere Szene völlig nackt sein muss, während er und seine Untergebenen unter Beschuss genommen werden.

Das ist auf eine wohlige Art und Weise ziemlich überzeichnet aber das macht RED GHOST schlussendlich auch unterhaltsam. Die Inszenierung weiß darüber hinaus zu gefallen, überzeugt mit kräftigen Bildern und handgemachten Effekten. Der Film ist um Authentizität bemüht, setzt auf echte Kulissen, echten Schnee, Kunstblut und Pyrotechnik. Dazu gibt es keine künstlich mit Kohle beschmierten Schönlinge, sondern Figuren die richtig abgefuckt und abgekämpft aussehen, wie in den italienischen Vorbildern wirkt alles ungemütlich und rau. Und wenn im letzten Drittel der Showdown entbrennt, kräftig geschossen, gesprengt und gekämpft wird und auch hier und da das Blut etwas spritzen darf, sieht das verdammt gut aus. Besonders ins Ohr geht dabei die Musik von Sergey Solovev, der natürlich versucht im Stil eines Ennio Morricone groß aufzuspielen. Das klingt zwar kompetent, lässt aber auch etwas Kreativität vermissen, zumal der Score ganz oft so klingt, als hätte man ihn irgendwo schon mal gehört.

Die Bild- und Tonqualität der Blu-ray ist einwandfrei und punktet mit satten Farben und einem sauberen Sound. Als Bonus gibt es lediglich den Trailer, sowie ein Wendecover ohne FSK-Flatschen.

Fazit:

RED GHOST – NAZI HUNTER (2020) ist ein unterhaltsamer Schnee-Western, irgendwo zwischen Quentin Tarantino und Sergio Corbucci, mit schöner Optik, praktischen Effekten und einer angenehmen Überzeichnung. Wirklich originell ist das Ganze nicht aber zumindest kurzweilig und spaßig.

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