Oliver Stone zählt zu den einflussreichsten aber auch provokantesten Politfilmern des modernen Kinos. Mit U-TURN – KEIN WEG ZURÜCK (1997) wagte sich der Regisseur auf ein bis Dato ungewohntes Terrain und inszenierte einen staubigen wie auch wilden Mix aus Roadmovie und Neo-Noir-Krimi nach Romanvorlage, getragen von einer regelrechten Starbesetzung. Koch Films veröffentlicht den ungewöhnlichen Film demnächst in einer schicken Mediabook-Edition und ob sich der Kauf lohnt, erfahrt ihr in unserer Kritik.

Originaltitel: U-Turn

Drehbuch: John Ridley; nach dessen gleichnamigen Roman STRAY DOGS

Regie: Oliver Stone

Darsteller: Sean Penn, Jennifer Lopez, Nick Nolte, Powers Boothe, Joaquin Phoenix, Claire Danes, Billy Bob Thornton, Jon Voight…

Artikel von Christopher Feldmann

Wenn es einen Filmemacher gibt, der es meisterhaft verstand, den Finger in die Wunde der Gesellschaft zu legen, war es mit Sicherheit Oliver Stone. Zwar ist der dreifache Oscar-Preisträger auch heute noch aktiv, jedoch machte er in den letzten Jahren aber vor allem durch Dokumentationen und diverse Interviews auf sich aufmerksam. In seiner goldenen Schaffensphase, von Mitte der 1980er bis Mitte der 1990er Jahre, war nichts und niemand vor Stone sicher. Mit PLATOON (1986), GEBOREN AM 4. JULI (1989) und ZWISCHEN HIMMEL UND HÖLLE (1993) stürzte er sich auf den Vietnam-Krieg, mit WALL STREET (1987) arbeitete er sich am Finanz- und Börsensektor ab und in NATURAL BORN KILLERS (1994) bekamen schließlich die Medien ihr Fett weg, während er mit JFK – TATORT DALLAS (1993) und NIXON – DER UNTERGANG EINES PRÄSIDENTEN (1995) sogar die US-Politik, sowie den Rechtsstaat als korruptes System entlarvte. U-TURN – KEIN WEG ZURÜCK (1997) stellt somit einen Wendepunkt in der Karriere des Filmemachers dar, immerhin inszenierte er hier erstmals eine klassische Romanverfilmung aber auch danach sollte er nie wieder an seine größten künstlerischen Erfolge anknüpfen können. Trotzdem beweist das starbesetzte Neo-Noir-Roadmovie, dass Stone auch in der Lage war, gute Genreware abzuliefern, deren Stil jedoch für den ein oder anderen Zuschauer gewöhnungsbedürftig sein könnte.

Handlung:

Bobby Cooper (Sean Penn) ist ein kleiner Ganove auf der Flucht nach Las Vegas. Die Mafia ist ihm wegen ein paar offener Schulden auf den Fersen, zwei seiner Finger haben sie bereits einbehalten. Mit Koks und Pillen hält sich Bobby mühsam auf den Beinen, doch der Weg durch die Wüste Arizonas ist gnadenlos. Als ihm auch noch sein Fluchtauto liegenbleibt, strandet Bobby in einem kleinen Kaff im Nirgendwo, das allerdings von allerlei bizarren Gestalten bevölkert ist. Obwohl er das schärfste Mädchen der Stadt (Jennifer Lopez) abbekommt, verliert er das Geld, mit dem er seine Rechnungen bei den Gangstern bezahlen muss. Mit den Killern im Rücken und keinerlei Geld bleibt Bobby nur ein Ausweg – Ein Auftragsmord.

Der Film basiert auf dem Roman STRAY DOGS von John Ridley, der sich auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet. Rein oberflächlich betrachtet, handelt es sich bei U-TURN – KEIN WEG ZURÜCK um eine Story, die man ohne viel zu überlegen dem klassischen Groschenroman zuordnen würde. Ein Typ kommt in ein verlassenes Kaff und muss sich aus der Misere winden, insgesamt geht eben um Moneten, Mord und schöne Frauen. Elemente, aus denen sich schon viele Produkte aus Film und Literatur ihre Geschichten zusammengespeist haben. Eine wirkliche Handlung mit Spannungsaufbau entsteht in diesem Fall nicht, dafür haben Ridley und auch Regisseur Oliver Stone viel zu viel Spaß damit, ihren Protagonisten von einem Schlamassel in den nächsten zu schicken. Fast schon episodisch bekommt Pechvogel Bobby Cooper keinen Fuß in die Tür, bekommt regelmäßig aufs Fressbrett und immer dann, wenn das Glück und somit der Ausweg zum Greifen nah ist, landet er wieder auf dem Allerwertesten.

So muss sich Bobby mit allerlei windigen aber auch schrägen Figuren herumärgern, sei es der örtliche Prolet, der ständig auf eine Schlägerei aus ist und dessen regelrecht manipulative Freundin, der unsympathische und ziemlich befremdliche Mechaniker, der Bobbys Auto reparieren soll oder auch ein blinder Halbindianier, der ungefragt Lebensweisheiten von sich gibt. Obendrauf bekommt es Bobby auch noch mit einer echten Femme Fatale zu tun, die ihm nicht nur den Kopf verdreht, sondern auch noch für einen perfiden Plan einspannt. Trotz zwei Stunden Laufzeit wird das bunte Treiben im staubigen Wüstenkaff nie langweilig, denn aufgrund seiner episodischen Struktur, sorgt der Film immer wieder für Abwechslung. Stone zelebriert hier eine große Hommage an vermutlich persönlich favorisierte Genres. Zum einen an den Film Noir, der sich im Intrigenspiel der McKennas wiederfinden lässt und bei dem man schon ahnt, dass dies nicht gut für unseren Protagonisten ausgehen wird. Zum anderen vermischt Stone das Ganze mit Versatzstücken aus klassischen Roadmovies der New-Hollywood-Ära aber auch Western-Anleihen lassen sich in dem Gemisch ausmachen. So bedient sich der Regisseur mit einigen Kameraeinstellungen und dichten Close-Ups direkt bei den Spaghetti-Western eines Sergio Leone. Dazu passt es ganz gut, dass Filmmusik-Legende Ennio Morricone auch für U-TURN den Score beisteuerte, der einige bekannte Merkmale aus seinen früheren Arbeiten aufgreift.

Rein stilistisch ist die schwarzhumorige Thriller-Satire mit dem Hang zur Übertreibung schon etwas gewöhnungsbedürftiger. Die Bildsprache erinnert am ehesten an NATURAL BORN KILLERS (1994), in dem Stone auch schon mit schnellen Schnitten, experimentellen Einstellungen und einer wilden Farbgebung arbeitete. U-TURN schaltet in dieser Hinsicht zwar einen Gang zurück, eigenwillig bleibt es dennoch. So kommen auch hier eine Menge Überblendungseffekte zum Einsatz, Close-Ups werden im Wechsel mit Weitwinkelaufnahmen eingebaut, mal grobkörnig, mal überbelichtet und ab und zu auch Schwarz/Weiß. Dazu gibt es einige Kamerafahrten und interessante Perspektiven zu bewundern. Stone durfte sich hier nochmal richtig austoben und unkonventionelles Genrekino inszenieren, bei dem er auch in Sachen Brutalität in die Vollen ging. Natürlich ist das hier kein Splatterfest und die neue 16er-Freigabe ist durchaus angemessen für den ehemaligen 18er-Titel, insgesamt geht es hier aber nicht zimperlich zu und das Blut darf hier und da ordentlich spritzen.

Getragen wird der Film aber in erster Linie durch seine beeindruckende Besetzung. Sean Penn ist natürlich das Aushängeschild und lässt als Pechvogel vom Dienst gehörig die Puppen tanzen, während auch Jennifer Lopez als sinnlicher aber unberechenbarer Faktor des Ganzen gut funktioniert. In weiteren Rollen geben sich Nick Nolte, Jon Voight, Claire Danes, Joaquin Phoenix, Powers Boothe, sowie Billy Bob Thornton die Ehre, wobei letzterer als widerwärtiger Hillbilly-Mechaniker kaum zu erkennen ist. Eine wahre Freude.

Koch Films veröffentlicht U-TURN in einer Mediabook-Edition, bei der man die Auswahl zwischen zwei Cover-Varianten hat. Während Cover-A exklusiv im hauseigenen Shop erhältlich sein wird, wird Cover B (siehe Oben) bei Amazon verfügbar sein. Die Bild- und Tonqualität (DTS-HD Master Audio 5.1) ist wieder einmal exzellent und lässt den Film in frischem Glanz erstrahlen. Ein Audiokommentar, Trailer, sowie ein Booklet runden das Paket ab.

Fazit:

Mit U-TURN – KEIN WEG ZURÜCK (1997) kehrte Oliver Stone seinem politischen und gesellschaftskritischen Schaffen den Rücken und inszenierte eine wilde, schwarzhumorige Neo-Noir-Satire vor staubiger Kulisse und mit reichlich Starpower. Zwar sind die stilistischen Extravaganzen des Regisseurs hier und da etwas zu viel des Guten, unterhaltsam ist das zweistündige Gaunerstück aber allemal.

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