Ratatatata-täng! Ich habe nun bewusst 2 Tage gewartet bevor ich diese Rezension verfasst habe. Warum? Ich wollte die erste Welle der Rezensionen zu dem direkten Sequel des Terror-Klassikers erst einmal abebben lassen. IMDb-Wertung bei 5.1, Mitstreiter unserer Rezensenten Zunft attestierten dem in Bulgarien gedrehten Werbespot für Kettensägen, zu großen Teilen, einen Mangel an Story und Atmosphäre. Ich stoße nun einfach mal mit ins Horn, auch wenn es nicht dasselbe Horn ist. Wie meine Reise ins nachgebildete Texas gewesen ist? Kurz. Aber eine Sache ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Der Winter ist vorbei, die ersten Sonnenblumen blühen!

Originaltitel: Texas Chainsaw Massacre

Regie: David Blue Garcia

Darsteller: Sarah Yarkin, Elsie Fisher, Mark Burnham, Olwen Fouéré, Alice Krige

Artikel von Victor Grytzka

Nach fast 50 (!!) Jahren ein direktes Sequel zu einem Genre Klassiker zu schaffen und dabei alle vorherigen Filme des Franchise aus dem Fenster zu werfen, das ist ein schwieriges Unterfangen. Oft spalten sich die Lager. Aber genauso oft machen Sequels auch grobe Fehler die zu einer geteilten Auffassung einladen. So zuletzt bei HALLOWEEN und HALLOWEEN KILLS geschehen. Wie jetzt? Aber, aber, aber… es gab doch schon eine direkte Fortsetzung. Außerdem gab es… JA! Mit Texas Chainsaw Massacre II und Texas Chainsaw (2D/3D) gab es bereits zwei Sequels, die nahtlos an die Geschichte des Erstlings anknüpften und dabei sogar ganz gut aussahen. Mit LEATHERFACE gab es 2017 auch ein Prequel zur Reihe. Ein eher zweifelhaftes Vergnügen. Mit dem 2022er Film hat diese Gurke tatsächlich nur eine Sache gemein. Als Drehort hielt die bulgarische Einöde her. Verwirrend genug? Dann mal ran an den Speck!

Melody (Sarah Yarkin) und Lila (Elsie Fisher) sind mit Freunden unterwegs in die texanische Einöde. Eine Kleinstadt ist ihr Ziel. Dort wollen sie aus einem alten Haus ein Restaurant machen und den Rest der Stadt in ein friedliches und gewaltfreies Domizil für Menschen umgestalten. Der Ort soll nämlich wiederbelebt werden, bevor durch die Bank, die aktuell der Besitzer ist, dort alles dem Erdboden gleichgemacht wird. Damit das auch klappt haben sie über die sozialen Medien unzählige Blogger und Influencer eingeladen, die über das Städtchen als angesagte Location berichten sollen und im Idealfall auch noch Kohle investieren. Da haben sie die Rechnung aber ohne Ms. Mc (Alice Krige) gemacht. Denn die wohnt in dem Haus, das die jungen Leute haben wollen. Und sie denkt gar nicht daran auch nur einen Fuß aus ihrer Tür zu setzen. Denn die alte Dame hat dort früher ein Heim für Kinder und Jugendliche betrieben, in dem sie immer noch einen ihrer Schützlinge beherbergt. Der berüchtigte Leatherface (Mark Burnham) der nach dem Massaker im Jahre 1973 friedlich unter ihrer Obhut stand, und so ein ruhiges Leben fernab von jeglicher Strafverfolgung geführt hat. Doch bei der ganzen Aufregung erleidet sie einen Herzinfarkt und verstirbt. Leatherface kann diesen Verlust nicht verkraften und es kommt erneut zu einem Blutrausch…

So hanebüchen diese knappe Zusammenfassung der Story auch klingen mag – in der Praxis trägt sie den Film wunderbar. Denn Regisseur David Blue Garcia und die Autoren Chris Thomas Devlin, Fede Alvarez sowie Rodo Sayagues, haben bei Texas Chainsaw Massacre den Fokus bewusst auf Kernkompetenzen des Slasher Genre gelegt – Atmosphäre und ansehnliche Kills. Gepaart haben sie dies mit vielen Anspielungen und Bezügen zu dem Original aus der Hand des Regisseurs Tobe Hooper, jedoch ohne dabei den Vorgänger zu kopieren. So trifft man neben einigen Szenen, die Kennern der Reihe bekannt vorkommen dürften (Stichwort: Tankstelle samt Hintergrundmusik), auf Zitate („Ich bin der Chefkoch“) und Einspieler, die beide Filme in einem Universum zusammenfügen. Das Highlight ist dabei ganz klar die Rückkehr von Sally Hardesty (Olwen Fouéré), die im Sommer 1973 das Abendmahl der Inzuchtfamilie überlebte und noch eine Rechnung mit dem Kettensägen Killer offen hat.

Optisch hat man hier eindrucksvoll die bulgarische Landschaft in eine texanische Kleinstadt verwandelt. Wenn man nicht weiß dass der Film nicht in den USA entstanden ist, so wird man es auch zu keinem Zeitpunkt merken. Staubig, trostlos und verfallen. Dies gilt auch für die Innenaufnahmen, die zu großen Teilen in dem Haus spielen, in dem sich Leatherface über die ganzen Jahre abgeschottet hat. Alles erinnert tatsächlich ans Original, so als hätte man für die Produktion eine Zeitkapsel geöffnet. Fans der ersten Stunde wird es freuen. Doch auch Anhänger modernen Horrors kommen voll auf ihre Kosten. Wenn der Kleinstadt Kannibale Säge, Hammer und Hackebeil schwingt, dann bleibt kein Auge trocken. Offene Brüche, aufgeschlitzte Hälse, gespaltene Gesichter und natürlich die obligatorische Kettensäge – all dies ist in großen Teilen durch herrlich überzogene Practical FX umgesetzt worden. CGI kommt auch zum Einsatz, ist aber sehr spärlich eingesetzt worden und aalglatt in den Film integriert worden. Nichts wirkt billig oder konstruiert.

An dieser Stelle muss ich nun doch auf einen Punkt eingehen, der in sehr vielen Rezensionen anderer Schreiberlinge bemängelt wurde. Und zwar dieser jene welche, dass man sich keine Zeit zur Charakterentwicklung genommen hätte und dass jeder der Protagonisten in diesem Film reines Kanonenfutter wäre. Dem ist nicht so. Zwar ist es richtig dass lediglich Melody und Lila eine wirkliche Persönlichkeit aufweisen, doch das reicht auch voll und ganz aus. Denn sind wir mal ehrlich. Wozu müssen wir wissen wer ihre Begleiter sind? Wen interessieren die Influenza… äh, sorry, Influencer die mit dem Reisebus wie die Heuschrecken einfallen? Genau – NIEMANDEN! Denn sie dienen nur einem Zweck, der direkt zu Beginn des Films klar wird. Irgendwo muss sich das Ledergesicht ja austoben dürfen. Das macht er dann auch – während die „jungen Wilden“ ihr Smartphone zücken und noch voll draufhalten. Wer hier die Ironie nicht schmeckt, dem ist auch nicht mehr zu helfen. Den Killer und Sally muss man nicht mehr vorstellen. Man weiß wer sie sind und was sie erlebt haben, so dass deren Motive und Handlungen sowieso klar sind. Schön: Man hat Leatherface hier nicht als stumpfen Killer verkauft, sondern ist auch hier „back to the roots“ gegangen. Er tötet weil ihm etwas genommen wurde das er sehr geliebt hat. Man könnte fast sagen, er tötet aus purer Verzweiflung und zeigt dabei eher kindliche Züge. So wie es auch Hooper im Original hat anklingen lassen. Einen kleinen erhobenen Zeigefinger gibt es tatsächlich auch. Schusswaffen sind scheiße! Wie gut dass unser Metzgergeselle die nicht braucht.

Dabei kommt dem Film die recht kurze Laufzeit von 76 Minuten (bis zum Abspann) entgegen. TCM ist zu keiner Zeit langweilig. Direkt zu Beginn dreht man an der Temposchraube und auch der erste Kill lässt nicht lange auf sich warten. Keine unnötigen Erklärungen, kein künstlich aufgesetztes Drama oder erzwungene Tiefe. All dies braucht ein TCM Film nicht. Es müssen lediglich die Basics gut umgesetzt sein. Das ist auf ganzer Linie gelungen. Dazu gibt es noch ein herrlich böses Finale und eine Post-Credit Szene, die noch einmal einen Kniefall an das Original macht. Ich warte geduldig auf eine Auswertung auf DVD / Blu-ray.

Eine Sache kann ich jetzt schon sagen: 2022 hat mir eine meiner liebsten Fortsetzungen im Franchise beschert und gezeigt, dass man respektvoll mit einer Vorlage umgehen kann und trotzdem neue Elemente einarbeitet. Der Film hat genau das richtige Maß an typischen Elementen des Genre. Das „Texas Chainsaw Massacre“ will nicht vorgeben etwas zu sein, was es am Ende nicht ist. Und deshalb funktioniert die Fortsetzung wunderbar.

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