Alle Wege führen nach Rom, zumindest in den 1960er Jahren, als deutsche Produzenten zunehmend mit Partnern aus dem Land, in dem Wein und Grappa fließen, zusammenarbeiteten, um für den internationalen Markt zu produzieren. Mit DAS GESICHT IM DUNKELN (1969) wollte man auch die Edgar-Wallace-Reihe neu erfinden und einem größeren Publikum im Ausland schmackhaft machen, doch der schwerfällig erzählte Krimi entwickelte sich zum mittelschweren Fiasko, das dafür sorgte, dass die Rialto Film ihr bewährtes Zugpferd erstmal auf Eis legte. Aber ist der Film mit Klaus Kinski in der Hauptrolle wirklich so schlecht? Das erfahrt ihr in der neuesten Ausgabe unserer Retrospektive.

„Hallo, hier spricht Edgar Wallace!“

Originaltitel: A doppia faccia

Drehbuch: Riccardo Freda, Paul Hengge

Regie: Riccardo Freda

Darsteller: Klaus Kinski, Christiane Krüger, Annabella Incontrera, Günther Stoll, Margaret Lee, Sydney Chaplin…

Artikel von Christopher Feldmann

Die Zeit von 1968 bis 1969 erwies sich besonders für das deutsche Kino als problematisch, denn plötzlich wehte in good old Germany ein gänzlich anderer Wind. Studentenunruhen, Aufklärung und die sexuelle Revolution sorgten dafür, dass sich der Zeitgeist änderte und damit auch der Publikumsgeschmack. Besonders die letzten beiden Edgar-Wallace-Krimis DER GORILLA VON SOHO (1968) und DER MANN MIT DEM GLASAUGE (1969) standen im harten Kontrast zu dieser Bewegung. Zwar versuchte man die Filme mit etwas Freizügigkeit flotter und moderner zu gestalten, unterm Strich behielten sie aber ihr in die Jahre gekommenes Korsett bei und bedienten sich lediglich Altherrenwitzen und glitten immer weiter in Richtung Trash ab. Zwar waren die Einspielergebnisse immer noch solide, die goldenen Zeiten waren aber längst passé, der kommerzielle Film befand sich in Deutschland auf dem absteigenden Ast. Dennoch hielt Produzent Horst Wendlandt an der Marke „Edgar Wallace“ fest und fasste den Entschluss, die Reihe einer Generalüberholung zu unterziehen und in Zukunft verstärkt für den internationalen Markt zu produzieren. Den Anfang sollte DAS GESICHT IM DUNKELN (1969) machen, der sich vom bisherigen Stil lösen und einen waschechten Psychothriller darstellen sollte. Aus Angst, dass das deutsche Publikum diesen Richtungswechsel nicht akzeptieren würde, schloss die Rialto Film einen Co-Vertrag mit den italienischen Firmen Colt Produzioni und Mega Film, die insgesamt 70% der Kosten übernehmen sollten, während die Rialto Film 30% aufbrachte. Paul Hengge, der bereits den Vorgängerfilm schrieb, lieferte auch für diesen Film das Drehbuch, während man mit Riccardo Freda erstmals einen italienischen Regisseur für einen Wallace-Krimi verpflichtete. Was auf dem Papier als spannende und vielversprechende Thrillerkost daherkam, entwickelte sich aber schnell zum Rohrkrepierer, von dem sich schlussendlich sogar Wendlandt selbst distanzierte.

Handlung:

John Alexanders (Klaus Kinski) Ehe mit der reichen Erbin Helen (Margaret Lee) befindet sich auf dem absteigenden Ast, nicht nur weil die Gattin sich immer weiter von ihrem Mann zu distanzieren scheint, auch die lesbische Affäre mit Liz (Annabella Incontrera) ist John ein Dorn im Auge. Als Helen mit ihrem Wagen verunglückt, verursacht durch einen Sprengsatz, den ein Unbekannter an ihrem Wagen angebracht hat, versinkt John in großer Trauer und ist umso überraschter, dass seine Frau ihn als Alleinerben ihres Vermögens und der familieneigenen Automobilwerke eingesetzt hat. Durch die freizügige Christine (Christiane Krüger) kommt John nach einiger Zeit in Kontakt mit der Hippie-Szene Londons und einem ominösen Pornofilm, der darauf schließen lässt, dass Helen noch am Leben ist. Während John fieberhaft der Wahrheit hinterherjagt, zweifelt nicht nur sein Schwiegervater Mr. Brown (Sydney Chaplin) an seinem Verstand, auch die Scotland-Yard-Ermittler Gordon (Luciano Spardoni) und Stevens (Günther Stoll), mittlerweile im Bilde über den Sprengsatz, verdächtigen John, tiefer in die Geschichte verstrickt zu sein, als angenommen.

Zumindest bei eingefleischten Edgar-Wallace-Fans hatten es die deutsch-italienischen Ko-Produktionen, mit denen die Reihe dann auch schließlich zu Ende gehen sollte, nie leicht, verzichteten sie doch in Gänze auf die allseits so beliebten Elemente, die einen klassischen Wallace-Krimi eben ausmachen. Von komödiantischen Szenen fehlte jede Spur, die alte Garde an Stars hatte sich anderen Projekten zugewandt und auch stilistisch präsentierten sich diese Filme deutlich erwachsener, düsterer und zeigefreudiger. Die italienischen Produktionspartner hatten kein Interesse an der schunkeligen Krimi-Kost, sondern inszenierten waschechte Psychothriller, die sich international verkaufen ließen. Mit der Marke „Edgar Wallace“ hatten diese Film überhaupt nichts mehr zu tun, sie wurde lediglich als Label für den deutschen Markt verwendet. Während die letzten beiden „Wallace“-Filme DAS GEHEIMNIS DER GRÜNEN STECKNADEL (1972) und DAS RÄTSEL DES SILBERNEN HALBMONDS (1972) immerhin noch mit einer spannenden Whodunnit-Story punkten konnten, sind die Reaktionen auf DAS GESICHT IM DUNKELN in Fankreisen bis heute durchweg negativ. Das ist verständlich, denn selbst als Giallo-Fan kann ich mich mit dem behäbig erzählten und stellenweise schluderig inszenierten Streifen nur schwer anfreunden.

In den „Genuss“ des Films kam ich erst sehr spät, nämlich als ich die entsprechende DVD-Box mein Eigenen nennen konnte, denn im klassischen Fernsehprogramm tauchte er meines Wissens nach nie auf. Generell wurden die späten Wallace-Titel bisher immer sehr stiefmütterlich behandelt oder einfach vergessen, wenn es um die TV-Ausstrahlungen geht. Als sich A DOPPIA FACCIA (so der italienische Originaltitel) dann das erste Mal sah, war ich mittelschwer entsetzt und das obwohl ich die anderen beiden Filme mit italienischer Beteiligung zu diesem Zeitpunkt wirklich gerne mochte. Sowohl inhaltlich als auch stilistisch konnte ich mit dem schummrigen Verwirrspiel kaum etwas anfangen und die DVD wanderte ganz schnell wieder in die dazugehörige Verpackung. Mit einem großen zeitlichen Abstand und einer gewissen Reife meinerseits machte ich mich nun kürzlich auf, Riccardo Fredas Werk eine Chance zu geben, um vielleicht eine verkannte Perle des italienischen Genrekinos wiederzuentdecken. Das Ergebnis war allerdings ernüchternd.

Auf dem Papier liest sich das Ganze eigentlich gar nicht so schlecht, immerhin erfüllt DAS GESICHT IM DUNKELN doch ganz klar die Kernanforderungen eines Giallo in der Pre-Argento-Ära. Ein rätselhafter Todesfall, unerklärliche, rätselhafte Ereignisse, der Zweifel an der eigenen Wahrnehmung und der psychische Verfall der Hauptfigur. Das Drehbuch von Paul Hengge, das mit dem gleichnamigen Roman von Edgar Wallace nicht das geringste gemeinsam hat, erinnert anhand seiner Themen und seiner Erzählstruktur an ähnlich gelagerte Psychothriller, wie etwa DER SCHÖNE KÖRPER DER DEBORAH (1968) oder Umberto Lenzis ORGASMO (1969). Betrachtet man die Credits genauer, liest man den Namen Lucio Fulci als Co-Autor. Tatsächlich war der spätere „Godfather of Gore“ am Skript beteiligt und interessanter Weise hat dieser im selben Jahr mit NACKT ÜBER LEICHEN (1969) einen Film inszeniert, der inhaltlich starke Parallelen aufweist.

Und trotz der durchaus spannenden Prämisse erweist sich der Film als ziemlich zähe Veranstaltung, der so gut wie jegliches Gefühl für Tempo fehlt. Während die Weichen des Plots relativ schnell in Position gebracht werden, dauert es gefühlt eine Ewigkeit, bis irgendetwas nennenswertes passiert und selbst dann herrscht eine seltsam lethargische Grundstimmung, was dadurch bestärkt wird, dass Klaus Kinski in manchen Szenen minutenlang durch das nächtliche London spaziert, Zigaretten raucht und trübe Blicke durch die Gegend wirft. Das sorgt nicht nur für Langeweile, sondern steht auch der Geschichte im Weg, die hier seltsam unspektakulär in Szene gesetzt wurde. Natürlich muss man Abstriche machen, verzichtet man hier doch auf die bisher immer vorhandene Mordserie und das dazugehörige Einerlei aber andere Filme gingen mit ihrem entschleunigten Erzähltempo besser um. Das Originaldrehbuch bot zudem noch wesentlich mehr Material, das vor allem mehr Fokus auf die Charaktere legte und die Geschichte schlüssiger entwickelte, was sowohl in der deutschen, als auch in der internationalen Langfassung nicht vorhanden ist. Trotz seiner interessanten Ansätze kommt der Film einfach nie in die Gänge und schleppt sich mit Mühe über seine mit 78 Minuten eigentlich ziemlich straffe Laufzeit. Und selbst am Ende lässt der Film einige Fragen offen, der Plot wird nicht schlüssig aufgelöst und man stellt sich die Frage, wie gerade Scotland Yard nun auf die Lösung gekommen ist was eigentlich der große Plan war. Tatsächlich enthält das Originaldrehbuch wohl hinreichende Erläuterungen, diese sind allerdings in beiden existierenden Fassungen nicht zu finden.

Den positivsten Eindruck hinterlässt dabei immer noch Klaus Kinski, der hier erstmals in seiner Karriere eine wirkliche Hauptrolle inne hat. Bis Dato war der polarisierende Schauspieler, der auch heute noch den Status eines Enfant Terrible bekleidet, immer nur in Nebenrollen zu sehen, meist natürlich als Psychopath, Gangster oder halbseidener Charakter, der nie das Ende des Films erleben durfte. Die einzige Ausnahme bildete der Wallace-Krimi DIE BLAUE HAND (1967), doch selbst darin war Kinski nur die zweite Geige neben Harald Leipnitz als Ermittler. Im Falle von DAS GESICHT IM DUNKELN war er der Wunsch der italienischen Produzenten, denn gerade in Italien war Kinski schon damals sehr umtriebig und trat beispielsweise in zahlreichen Western auf. Seine Performance als gebeutelter und trauernder Ehemann, der zunehmend an sich selbst zweifelt, gehört zu den größten Stärken des Films und zeigt auf, welch guter Schauspieler in dem bekannten Provokateur steckte. Jeder Blick sitzt und jede Geste wirkt authentisch. Zwar geben die Dialoge nicht immer allzu viel her, man muss Kinski allerdings attestieren, das Beste aus dem Material herausgeholt zu haben.

Die übrige Besetzung ist ein Mix aus in Italien bekannten Darstellern wie Margaret Lee, Annabella Incontrera und Hollywood-Star Sydney Chaplin, seines Zeichens Sohn des legendären Charlie Chaplin. Für den deutschen Markt und das dazugehörige Publikum gaben sich Christiane Krüger und Günther Stoll die Ehre, letzterer nach DER BUCKLIGE VON SOHO (1966) abermals als Inspektor, wenn auch nur mit wenig Material betraut. Abgesehen von Kinski fehlen allerdings bekannte Gesichter aus vergangenen Wallace-Tagen.

Ein weiteres großes Problem des Films ist die Regie. Zwar gelingen Riccardo Freda einige atmosphärische Szenen, stellenweise wirkt DAS GESICHT IM DUNKELN allerdings regelrecht stümperhaft. Schon zu Beginn sehen wir eine Szene auf einer Pferderennbahn, die durch sehr mäßig aussehendes Stock-Footage in Mittleidenschaft gezogen wird, die Rückprojektionen im Film sehen scheußlich aus und den Elefanten im Raum stellen natürlich die lächerlichen Spezialeffekte dar, mit denen man den Auto-Crash und die Explosion von Helens Sportwagen realisierte. Hierfür wurden Miniaturen genutzt, die dermaßen erbärmlich aussehen, dass man selbst als Zuschauer peinlich berührt ist. Dass man diese Shots überhaupt in den Film integriert hat, ist schon fast als Frechheit zu bezeichnen. Ein Gefühl, dass sich durch den gesamten Film zieht, denn trotz einzelner, optischer Leckerbissen, wie dem Spiel mit Licht und Schatten und der Darstellung Londons, wirkt alles aber auch irgendwie sehr schludrig runtergekurbelt. Einzig der hervorragende Score von Carlo Rustichelli und Nora Orlandi lässt da etwas das negative vergessen, besonders das Main-Theme bleibt direkt im Ohr kleben.

Horst Wendlandt selbst war mit dem Endergebnis alles andere als zufrieden und verzichtete sogar darauf, im Vorspann genannt zu werden. Man leitete eine umfangreiche Nachbearbeitung ein, was zur Folge hatte, dass der Film nicht wie geplant am 15. Juni 1969, sondern erst am 04. Juli in den Kinos startete. Man schnitt rund zehn Minuten Material heraus, änderte sogar die Szenenabfolge um eine Straffung zu erreichen, doch selbst das half nicht viel. Der zwischen Januar und März ’69 in London, Liverpool und Rom gedrehte Film entwickelte sich für Wendlandt zum Totalausfall und bekam hierzulande sogar eine Freigabe ab 18 Jahren (mittlerweile ist der Film ab 12 Jahren freigegeben), was aus heutiger Sicht natürlich völliger Quatsch ist. Die hohe Freigabe, die schwache Presse und die Tatsache, dass der damalige Sommer extrem heiß war, sorgten dafür, dass der Film nur rund 600.000 Zuschauer in die Kinos locken konnte, so wenig wie kein Wallace-Film zuvor. Angesichts der Produktionsgeschichte kein Verlustgeschäft für die Rialto Film, allerdings wurden die beiden anderen geplanten Wallace-Projekte, nämlich DER ENGEL DES SCHRECKENS, den ebenfalls Freda inszenieren sollte, und DAS GEHEIMNIS DER GRÜNEN STECKNADEL eingestampft und es sollten rund zwei Jahre vergehen, bis ein weiterer Film in die Kinos kommen sollte.

Fazit:

Tatsächlich ein Tiefpunkt. DAS GESICHT IM DUNKELN (1969) markiert den ersten Wallace-Film mit italienischer Beteiligung, entwickelt sich aber trotz einem guten Kinski, hervorragender Musik und netter Prämisse zu einem langatmigen, wenig spannendem Thriller, dessen Vorzüge am Ende durch die teilweise wirklich schludrige Regie in Mittleidenschaft gezogen werden.

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