Für sein Regiedebüt ging Wong Kar Wai auf Nummer sicher. Er bediente die Schauplätze und Szenen des erfolgreichen Heroic Bloodshed Movies, verpasste dem Genre einige neue Details und tauchte sein Debüt optisch mit einem kräftigen Pinselstrich in die Art House Fotografie. Damit feierte Wong Kar Wai weltweit Erfolge und schaffte so ein Alleinstellungsmerkmal. Bestens produziertes HK-Kino, gelungen im Spagat zwischen kunstvoller Sichtweise und Entertainment. As Tears Go By ist zeitloses HK-Neon-Kino, RetroWave – und heute besser als damals. KOCH FILMS brachte den Film nun remastered für den deutschen Markt heraus.

Originaltitel: Wong Gok ka moon

Regie: Wong Kar Wai

Darsteller: Andy Lau, Maggie Cheung, Jacky Cheung, Alex Man, Ronald Wong

Artikel von Kai Kinnert

Wah (Andy Lau) und sein bester Freund Fly (Jacky Cheung) sind beide als Geldeintreiber für die Mafia in Hongkong unterwegs. Während Wah in den kriminellen Kreisen geachtet wird, sorgt Fly durch sein impulsives Verhalten immer wieder für Aufruhr. Aus dem Nichts erhält Wah eines Tages einen Anruf von seiner Tante: Seine lungenkranke Cousine Ngor (Maggie Cheung), die eigentlich im Familienrestaurant auf Lantau Island arbeitet, muss für einige Tage in seiner Wohnung unterkommen, während sie in Hongkong ärztlich behandelt wird. Das gemeinsame Wohnen entfesselt eine beiderseitige Anziehungskraft zwischen der kränklichen Ngor und dem jederzeit gewaltbereiten Wah. Doch die Situation spitzt sich zu, als Wah für das Verhalten von seinem Freund zur Rechenschaft gezogen wird: Fly hat sich bei Gangster Tony (Alex Man) Geld geliehen, das er nicht zurückzahlen kann und so in den Rängen der Mafia ernsthafte Feinde gemacht. Wah muss sich zwischen Liebe und Loyalität entscheiden.

Der Film ist echtes HK-Kino; vollendet orientiert am erfolgreichen Gangster/Heroic Bloodshed Genre. Für sein Debüt griff Wong Kar Wai die Kassenknüller damaliger Tage auf und gab ihnen einen neuen Anstrich, in dem er ungewöhnliche Schnitte, eine kraftvolle Kamera und sein Augenmerk auf die Zwischentöne der Handlung legte, die eh nur als Rahmen für die Inszenierung des Innenlebens der Protagonisten diente.

Grandios ist die Szene mit der Hatz durch die Billard-Bude. Die Kamera rast in einer spannenden Einstellung an den Billardtischen vorbei, es wird über die Tische gelaufen und gesprungen, die Einstellung ist granatenstark – und mündet in einer tollen Straßenszene, die ohne Absperrung mitten unter abertausenden Zuschauern gedreht worden ist. Es gab einfach zu viele Menschen in Hong Kong, da waren Absperrungen kaum möglich. Und hier stehen verdammt viele Zuschauer um die Szenen herum, es ist erstaunlich, wie voll die Straßen Hong Kongs waren. Dichtgedrängt im Asphaltdschungel der Innenstadt, liefert sich die Filmtruppe hier einen kleinen Actionfight und muss mit den Dreharbeiten mitten unter den vielen Menschen wie live gespieltes Straßentheater gewirkt haben. Heute würden Millionen Handys die Dreharbeiten filmen, damals standen die Leute einfach nur da und genossen das Schauspiel. Immerhin war Andy Lau mit dabei.

Die Billard-Buden-Jagd ist nur eine von vielen Szenen in diesem Film, die grandios fotografiert worden sind. Kameramann Andrew Lau (der als Regisseur 2002 den genialen Infernal Affairs drehte) ist hier der Chef der Fotografie und leistet ganze Arbeit. Das viele Neonlicht der Drehorte sorgt für eine fantastisch herausgearbeitete, farbkräftige Kameraarbeit in einem tollen Neon-Noir-Licht, verschiedenen Brennweiten und einer eleganten Bildaufteilung. Visuell ist As Tears Go By ein Genuss für jeden 80ths-Wave-Fan, überraschend zeitlos, überraschend gut. Eine der grafisch besten Szenen spielt im roten Neonlicht auf dem Dach eines Gebäudes und liefert so eine Optik, die man sich als Tapete an die Wand kleistern könnte. Dazu noch die Filmmusik, die klingt, als hätte Jan Hammer seine Sommerferien bei Wong Kar Wai verbracht. Elektronische Musik, irgendwie deutlich an Miami Vice orientiert, und Canton Pop liefern den passenden Soundtrack für die bildstarke Inszenierung Wong Kar Wais. Höhepunkt hier: der chinesische Coversong von Take my breath away, der satte 5 Minuten und 30 Sekunden lang einen emotionalen Abschied unterlegen darf. Das die Nummer nicht komisch wird, liegt an der Kraft des Canton Pop, der trotz allem immer wieder bestens funktioniert.

Zur tollen Kamera gesellt sich eine prominente Besetzung, die hier zwar gerne mal drüber spielt, aber eben doch die Top-Schauspieler damaliger Tage waren. Und es heute noch sind. Andy Lau, damals noch frisch und jung, ist bis heute dick im Geschäft und als Schauspieler gereift. Dazu die wunderschöne Maggie Cheung, damals ein beliebter Star, die hier in bester Spielfreude ist und mit viel Wärme und Charme wirken darf. Ein weiterer Pluspunkt ist die gute Ausstattung des Films. Modisch ist der Streifen schon wieder Trend, hier ist nichts lächerlich, die Klamotten von damals kann man heute wieder so tragen und auch sonst sind die Szenen sorgfältig gefüllt worden.

As Tears Go By ist ein zeitloser HK-Filmklassiker und passt universell gut in jede breite Filmsammlung. Heute fast besser als damals, überzeugt der Film mit einer tollen Kamera und Lichtsetzung, einer gut inszenierten Besetzung und wird dabei durch einen RetroWave-Soundtrack abgerundet. Der Streifen ist eine Zitat des Bloodshed-Genres und variiert dieses kunstvoll zu etwas Eigenständigem. Sehenswert.

Uns lag die Blu-ray aus der Special Edition zur Besprechung vor. Das Bild ist gut und satt, der Ton ebenso. Als Extras gibt es einen Audiokommentar von Richard Jobson, ein alternatives Ende, ein alternatives Happy End, der Originaltrailer (kantonesisch und mandarin) und eine Bildergalerie. Der Special Edition soll außerdem ein Booklet von Andreas Ungerböck beiligen.

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