Nachdem Filmproduzent und -regisseur Menahem Golan die legendäre Cannon Group finanziell in den Sand gesetzt hatte, kaufte er die bankrotte 21st Century Film Corporation auf, um ein neues Standbein für großes Qualitätskino zu besitzen. Doch die rosigen Zeiten der Charles Bronson- und Chuck Norris-Streifen war vorbei und das Geld knapp. Ursprünglich als Zweiteiler gedacht, floppte die moderne Neuinterpretation des berühmten Romans von Gaston Leroux dann auch leider an der Kinokasse. Schade, denn mit Freddy Krueger-Star Robert Englund, der Stepfather-erprobten Jill Schoelen und Halloween 4-Regisseur Dwight H. Little konnte man ein paar echte Genrelieblinge für das Projekt gewinnen. Bei uns wurde der Film damals lediglich auf VHS ausgewertet, natürlich geschnitten. CAPELIGHT PICTURES gönnt der Slashervariante der berühmten, tragischen Liebesgeschichte nun eine zauberhafte, remasterte und natürlich ungekürzte Veröffentlichung im Mediabook und als Einzel-DVD.

Alter deutscher Titel: Das Phantom der Oper

Regie: Dwight H. Little

Darsteller: Robert Englund, Jill Schoelen, Alex Hyde-White, Bill Nighy, Stephanie Lawrence

Artikel von Christian Jürs

Der Vorspann offenbart es uns bereits: Während die Credits über uns hereinbrechen, fliegt die Kamera über das moderne, nächtliche Manhattan. Ein eindeutiges Zeichen dafür, dass man die um 1880 in Paris angesiedelte Geschichte in die damalige Gegenwart nach Amerika katapultierte. Ein spannendes Experiment.

Aufhänger der Geschichte ist eine alte Partitur zu „Don Juans Triumph“, einem unvollendeten Stück vom ebenfalls unbekannten Komponisten Erik Destler (Robert Englund). Dieses Notenblatt fiel der Bibliothekarin Meg (Molly Shannon) zufällig in die Hände. Sie überlässt diese ihrer Freundin Christine Day (Jill Schoelen), die das Lied sogleich bei einem Vorsingtermin am Broadway nutzt. Alles läuft prima, bis sich plötzlich ein Teil des Bühnenvorhangs löst und Christine niederstreckt. Doch damit nicht genug: während sie stürzt, fliegen plötzlich Glassplitter um sie herum und Bilder eines alten, gefüllten Opernhauses erscheinen ihr, ebenso wie eine Stimme, die sie magisch anlockt und… sie wieder zu sich kommen lässt auf der Bühne eines Londoner Opernhauses im späten 19. Jahrhundert. Wtf?

Okay, okay, okay… bitte einmal kurz durchatmen. Wir haben hier also einen Film, der in der Gegenwart startet, uns nach knapp zehn Minuten aber dann doch in die klassische Geschichte katapultiert? Okeeee… Wir befinden uns nun also in London, während die Originalgeschichte in Paris spielt. Ansonsten geht man nach den ersten Minuten, ohne den Hauch einer Erklärung für das Vorgefallene, den klassischen Weg. Christine befindet sich also gerade bei einer Probe zu Charles Gounods Faust, zu dem sie die Zweitbesetzung der Margarethe ist und wird vom besorgten Personal sogleich zur Regeneration in ihre Garderobe gebracht. Die ersten Filmminuten scheint die junge Dame dabei vergessen zu haben, denn ungewöhnlich findet sie an der neuen Situation gar nichts. Welch genialer Drehbuchkniff… not!

Eine wesentliche Änderung zum Original gibt es aber schon: Der Blutzoll. Und so dauert es nicht lange, bis der, für den Unfall verantwortliche Bühnenmitarbeiter Joseph Buquet (Terence Beesley) Bekanntschaft mit dem Phantom macht. Dieser häutet den Missetäter fachmännisch und entsorgt ihn im Garderobenkleiderschrank der eitlen La Carlotta (Stephanie Lawrence), dem eigentlichen Star der Oper. Die fühlt sich nach Entdeckung des an die Hellraiser-Filme erinnernden, noch kurzzeitig lebenden, Körpers selbstredend nicht in der Lage, an diesem Abend auf die Bühne zu treten. Der große Moment für Christine scheint gekommen. Doch bevor es soweit ist, erscheint ihr der „Engel der Musik“ aka „Das Phantom“ aka Erik Destler plötzlich als Gestalt im Spiegel und macht Ihr Mut, die Rolle auf der Bühne darzugeben. Was stimmt eigentlich nicht mit Christine? Wenn ich merkwürdige Gestalten im Spiegel entdecken würde, wäre ich nicht so ruhig und entspannt geblieben und hätte mich gefragt, wer mir das LSD in die Cola gemischt hat.

Natürlich liefert sie eine traumhafte Performance auf der Bühne ab, doch Intrigen und Missgunst legen der jungen Frau weiter Steine in den Weg. Sei es die arrogante Operndiva oder der snobistische Operndirektor Martin Barton (Bill Nighy), der eine Affaire mit seinem Star pflegt und daher einen alternen Kritiker (Peter Clapham) besticht, die junge, aufstrebende Sängerin in seinem kommenden Artikel zu verreißen. Dies beißt sich natürlich mit dem Plan des Phantoms, aus Christine den kommenden Star seiner eigenen Oper zu machen. Der Komponist, der einst, um Ruhm zu erlangen, seine Seele und sein Aussehen an den Teufel verkaufte, macht sich auf, seine Widersacher einen nach dem anderen auf besonders kreative Art zu entledigen.

Kurze Zeit, nachdem Andrew Lloyd Webbers Kultmusicalversion des klassischen Stoffes seinen Siegeszug auf den Bühnen dieser Welt startete, sollte Robert Englund in einer zweiteiligen Horrorvariante das musikalische Monster darstellen. Dem größenwahnsinnigen Filmproduzenten Menahem Golan ging aber die Kohle aus und der Rotstift musste angesetzt werden. So fiel beim vorliegenden Film der stürzende Kronleuchter, einer der Höhepunkte der Vorlage, den Einsparungen zum Opfer. Auch die ursprünglich geplante Fortsetzung, die tatsächlich im Manhattan der Gegenwart angesiedelt war und back-to-back mit dem Erstling gedreht werden sollte, wurde gestrichen. Wer Genaueres über die Handlung des Sequels erfahren möchte, dem empfehle ich das Interview mit dem Horrorstar, welches im Booklet des Mediabooks angedruckt wurde. Gerüchte besagen, dass der Großteil des Drehbuchs im ebenfalls von 21st Century Film Corporation produzierten Horrorheuler House of Pain aka Dance Macabre verwurstet wurde. Dort, wie hier, spielte Robert Englund die Hauptrolle.

Ganz so mies wie das Quasi-Sequel geriet Phantom of the Opera allerdings nicht. Der hier und da an den Vincent Price Klassiker Theater des Grauens erinnernde Horrorfilm konnte mit Jill Schoelen immerhin ein talentiertes, aber bei der Rollenwahl recht glückloses Final Girl verpflichten. So war sie, neben dem tollen, ersten Stepfather-Film, der hierzulande als Spur in den Tod 2 einst verwurstet wurde, in Trashfilmen wie Todesparty 2 zugegen, bei dem auch ein Brad Pitt nix mehr retten konnte. In Phantom of the Opera aber glänzt sie, ebenso wie Englund, der mit zynischen Sprüchen seiner Mordtour nachgehen darf. Den noch recht jungen (um die Vierzig) Bill Nighy hätte ich beinahe nicht erkannt.

Dafür überzeugen Masken und Effekte von Kevin Yagher, der hier äußerst kreativ zur Tat schritt, was der MPAA damals allerdings wenig zusagte. Deshalb mussten Szenen, wie die Häutung des Technikers oder der Mord in der Sauna, schon vor Release Federn lassen. Bei uns setzte man damals die Schere dann noch gröber an – von wegen, damals war alles besser. Immerhin – was vom Splatter übrig blieb (in der vorliegenden R-Rated-Fassung) kann sich sehen lassen.

Wirklichen Grusel verbreitet die altbackene Geschichte um das gefühlsduselige Phantom mit Hang zum Serienkiller allerdings niemals. Schade, denn Regisseur Dwight H. Little bewies ein Jahr zuvor mit dem Überraschungserfolg Halloween 4 – Die Rückkehr des Michael Myers, dass er günstig produzierten Horror durchaus beherrscht. Doch Sing-Sang, ein schmachtender Killer und eine völlig überflüssige Zeitreisegeschichte (die übrigens gegen Ende wieder in der Gegenwart landet), stießen nicht gerade auf Interesse beim zahlenden Publikum. Dass man sich bei Robert Englunds Maske auffällig an seinem Freddy Krueger Aussehen orientierte, half auch nicht, zumal relativ zeitnah A Nightmare on Elm Street 5 – Das Trauma startete und ebenfalls an der Kinokasse enttäuschte.

Enttäuscht wird man von der Capelight Pictures Veröffentlichung aber keineswegs. Man verwendete ein neues Bildmaster, dass wirklich fantastisch ausschaut. Auch in Sachen Ton stellt man die Fans zufrieden, indem man nicht nur den 5.1 Upmix auf die Scheibe drückte, sondern auch den Stereoton von damals. Als Bonus gibt es den Trailer im Original und in der deutschen Version, einen Audiokommentar von Dwight H. Little und Robert Englund und – im Falle des Mediabooks – das bereits erwähnte, 24-seitige Booklet mit Robert Englund-Interview.

Am Ende bleibt es Geschmackssache, ob man sich Phantom of the Opera von 1989 ins Regal stellen sollte. Für mich eine sehr gute Veröffentlichung mit mäßigem Film darin.

Amazon-Links:

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