Mary had a little lamb – Maria, gespielt von Noomi Rapace, aber auch. Vor ein paar Wochen bereits veröffentlichte KOCH FILMS diesen eigenwilligen, in Island gedrehten, Film im hiesigen Heimkino. Immer wieder stand ich vor der Wahl, welchen Streifen ich als nächstes sichten könnte, um ihn Euch vorzustellen. Doch irgendwie war ich nie so recht in der Stimmung, mir dieses ruhige, ungewöhnliche Werk zu Gemüte zu führen. Nachdem ich kürzlich ein Konzert von Doro Pesch besucht hatte, stand mir, nach all dem Lärm, dann doch der Sinn nach etwas Ruhe. Und so gab es nach Rock und Metal zum Ausklang des Abends das krasse Gegenteil in Form von leisen Naturaufnahmen und isländischer Folklore auf den Bildschirm.

Regie: Valdimar Jóhannsson

Darsteller: Noomi Rapace, Hilmir Snær Guðnason, Björn Hlynur Haraldsson

Artikel von Christian Jürs

Es beginnt wie ein waschechter Horrorfilm. Eine Gestalt, die wir nicht zu Gesicht bekommen und von der wir nur ihren schweren Atem hören, kämpft sich durch einen Schneesturm in einer einsamen Gegend, irgendwo im ländlichen Island. Das Wesen schreckt ein paar Pferde auf und betritt dann einen Schafstall, der zum Bauernhof des Ehepaars Maria (Noomi Rapace) und Ingvar (Hilmir Snær Guðnason) gehört. Es ist Weihnachtsabend.

Kurze Zeit später bringt eines der Tiere ein Junges zur Welt. Eigentlich nichts ungewöhnliches, doch Maria und Ingvar nehmen sich des Kleinen an, bringen es in ihr Haus und ziehen es auf wie ihr eigenes Kind. Das kleine Schaf trägt ab sofort den Namen Ada – den Namen, den bereits ihre leider verstorbene Tochter trug. Fortan läuft das Tier auf zwei Beinen, trägt normale Kleidung und es bekommt eine menschliche Pfote/Hand. Das familiäre Glück von einst scheint wieder hergestellt zu sein. Auch Außenstehende arrangieren sich mit dem ungewöhnlichen, adoptierten Wesen, wie etwa Ingvars Bruder Pétur (Björn Hlynur Haraldsson), der zunächst die Nase rümpft, sich aber schnell mit dem Wesen anfreundet. Die leibliche Schafsmutter sieht dies allerdings anders und möchte ihr Kind zurück.

Klingt ungewöhnlich? Ist es auch – und mit Sicherheit kein Film für die breite Masse. Ich muss gestehen, ich selbst kann nicht so recht in Worte fassen, wie mir der Film gefällt, bin ich mir doch selbst nicht sicher. Hier wird alles entschleunigt dargestellt. Es dauert mehrere Minuten, ehe die Hauptfiguren überhaupt anfangen, miteinander zu reden. Davor dürfen wir teilhaben am Alltag von Maria und Ingvar, die ihrem Tagewerk in der Einsamkeit der ländlichen Natur nachgehen. Dabei gelingen Regisseur Valdimar Jóhannsson beeindruckende Landschaftsaufnahmen, die eine ganz besondere Atmosphäre transportieren, die sich durch den gesamten Film ziehen.

Wer sich darauf einlassen kann und eine ungewöhnliche, atmosphärische, aber auch allzu ruhige Erzählweise zu schätzen weiß, der ist hier vermutlich gut aufgehoben. Fans von Filmen wie Robert Eggers The VVitch oder Ari Asters Midsommar werden vermutlich am ehesten Gefallen am bislang erfolgreichsten isländischen Film aller Zeiten finden. Wem diese Filme bereits zu behäbig erscheinen oder gar zu ungewöhnlich, der sollte auch Lamb weiträumig umfahren. Sehenswert ist der Film allemal, zumal die Hauptdarsteller Hilmir Snær Guðnason und vor allem Noomi Rapace, trotz aller dargebotenen Schrägheit der teils biblischen Szenen, wirklich überzeugend agieren. Die vom Film gestellte Frage, ob sich der Mensch anmaßen darf, junges Leben aus seiner gewohnten Umgebung zu ziehen um ihm – und sich selbst – ein besseres (?) Leben zu bieten, ist zudem diskussionswürdig.

Die Bildqualität der mir vorliegenden Blu-ray-Variante (2,39:1 / 1080p) ist phantastisch. Der Ton (Deutsch und Isländisch in DTS-HD Audio Master 5.1) ebenfalls. Die Synchronisation ist top. Auch im Bonusbereich trumpft die physische Veröffentlichung ordentlich auf.

So gibt es Behind the Scenes-Clips, Deleted Scenes, eine Featurette über die Spezialeffekte (Regisseur Valdimar Jóhannsson war u.a. verantwortlich für die Effekte in The Tomorrow War und Star Wars: Rogue One), ein Interview mit dem Regisseur, zwei Kurzfilme, Trailer und eine Bildergalerie.

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