Es ist schon ein paar Monde her, seit dem ich den letzten Ausflug in den Kosmos der Edgar-Wallace-Filme gewagt habe. Viel zu lang, um genau zu sein, immerhin befinden wir uns mit unserer kleinen Retrospektive doch schon auf der Zielgeraden. DIE TOTE AUS THEMSE (1971) stellt dabei mitnichten den Abschluss der Serie dar aber den letzten Wallace-Krimi der Rialto Film aus rein deutscher Hand. Ob der Versuch, die Marke mit modernen Elementen in die 1970er Jahre hinüber zu retten gelungen ist, erfahrt ihr in unserem ausführlichen Bericht.

„Hallo, hier spricht Edgar Wallace!“

Drehbuch: Horst Wendlandt, Harald Philipp

Regie: Harald Philipp

Darsteller: Hansjörg Felmy, Uschi Glas, Werner Peters, Siegfried Schürenberg, Harry Riebauer, Vadim Glowna, Ivan Desny, Günther Stoll, Friedrich Schoenfelder, Petra Schürmann, Ingrid Steeger…

Artikel von Christopher Feldmann

Mit dem Ende 1960er Jahre und dem neu aufgekommenen Zeitgeist versiegte auch so langsam das deutsche Genre-Kino, das in jener Dekade mit Krimis, Abenteuerfilmen und Agentenstreifen relativ ergiebig war. Auch die Edgar-Wallace-Filme verhoben sich mit dem Anspruch ein neues Publikum zu erschließen und verkamen zuletzt zur überkandidelten, mit Altherrenwitzen durchzogenen Pulp-Show, zu extravagant für die alteingesessenen Fans aber auch zu altbacken und muffig für eine neue, frische Zielgruppe. Der Versuch, mit der deutsch-italienischen Ko-Produktion DAS GESICHT IM DUNKELN (1969), einen Psychothriller von internationalem Format auf den Weg zu bringen, war sowohl künstlerisch als auch kommerziell ein Debakel. Produzent Horst Wendlandt zog die Notbremse und legte alle kommenden Wallace-Projekte auf Eis. Ganze zwei Jahre vergingen ohne einen neuen Film. In der Zwischenzeit war es aber ausgerechnet CCC-Chef Arthur Brauner, der mit italienischen Partnern das Regie-Debüt von Giallo-Meister Dario Argento, DAS GEHEIMNIS DER SCHWARZEN HANDSCHUHE (1970), produzierte und diesen in Deutschland als Bryan-Edgar-Wallace-Film an den Mann brachte (was natürlich Etikettenschwindel war, hat der Film mit dem Wallace-Sprössling doch rein gar nichts zu tun) und damit ordentlich Kasse machte. Dieser Erfolg spornte Wendlandt an, es doch nochmal mit seinem Zugpferd zu versuchen. So holte er ein Drehbuch mit dem Titel DER ENGEL DES SCHRECKENS aus der Schublade, das er unter dem Pseudonym H.O. Gregor verfasst hatte und holte sich mit Harald Philipp einen genreerfahrenen Regisseur an Bord, der das Skript überarbeitete und schließlich unter dem Titel DIE TOTE AUS DER THEMSE (1971) verfilmte, da man sich den ursprünglichen Titel für ein anderes Projekt aufsparen wollte, das bereits 1969 hätte umgesetzt werden sollen. Insgesamt handelt es sich bei diesem Krimi um einen soliden Beitrag zur Reihe, der es besser als die Filme zuvor verstand, die Kernelemente des Wallace-Universums zu modernisieren, auch wenn es dem Ganzen etwas an Schwung mangelt.

Handlung:

Nach einem geplatzten Drogendeal, bei dem Scotland Yard einem umtriebigen Heroin-Ring ein Schnippchen schlagen wollte, wird die Informantin Myrna Fergusson (Lyvia Bauer) in einem schäbigen Londoner Hotel erschossen. Als Inspektor Craig (Hansjörg Felmy) am Tatort eintrifft, ist die Leiche spurlos verschwunden. Auch Myrnas Schwester Danny (Uschi Glas), die zu Besuch aus Sydney eingeflogen ist, stellt Nachforschungen an, um das Schicksal ihrer Schwester aufzuklären. Diverse Spuren führen zu dem Hotelbesitzer Louis Stout (Ivan Desny), dem Antiquitätenhändler Wyman (Friedrich Schoenfelder) und dem Schlachthauschef William Baxter (Werner Peters). Doch während Danny und Craig der Wahrheit immer näher kommen, werden diverse, in die Sache verstrickte Menschen von einem geheimnisvollen Schützen ermordet.

Auch DIE TOTE AUS DER THEMSE gehört zu jenen Wallace-Krimis, die nur selten im hiesigen Fernsehen gesendet wurde. In meiner persönlichen Kennlernphase der Filme, kam dieser Streifen überhaupt nicht vor und erst mit der Anschaffung der DVD-Editionen sollte sich dies ändern.

Den ganzen kritischen Stimmen zum trotz, die generell an den Farbfilmen, speziell den letzten vier, wenig positives finden, muss ich zugeben, dass das Ganze gar nicht mal so schlecht ist und bis dahin den gelungensten Versuch darstellt, die Marke Edgar Wallace zu modernisieren. Natürlich beinhaltet DIE TOTE AUS DER THEMSE relativ wenig Merkmale, die die früheren Sternstunden der Reihe bis heute auszeichnen. Die wohlige Gruselatmosphäre ist hier ebenso passé wie die altgedienten Schlösser und die klassischen Erbschleicher-Storys. Auch auf die von Stammregisseur Alfred Vohrer gerne genutzten Geisterbahneffekte fanden keine Verwendung mehr, stattdessen präsentiert sich der Film weitestgehend auf der Höhe der damaligen Zeit. So handelt der Film von einem Drogenschmugglerring, der im großen Stil mit Heroin handelt und eine junge Tänzerin für seine Zwecke missbraucht. Dazu gesellt sich noch mit dem Verbleib von Myrna Fergusson eine gute Portion Mystery und mit dem geheimnisvollen Schützen wurde auch das unverzichtbare Whodunit-Element beibehalten. All diese drei Handlungsstränge werden vom Drehbuch ganz passabel zusammengefügt. Natürlich haben wir es hier nicht mit einem High-Class-Krimi zu tun, jedoch bietet die Story gefällige Kost, auch wenn natürlich ein paar Schnitzer auszumachen sind. Den größten Bock schießt der Streifen nämlich im Finale mit der Enthüllung des Mörders, die so lausig geschrieben ist, dass es fast parodistisch anmutet. Dass sich ein mehrfacher und auch kaltblütiger Killer so leichtfertig verhaften lässt und dabei noch grinsend mit den verbliebenen Darstellern in der Runde steht, ist nicht nur höchst unglaubwürdig, sondern wirkt auch ein bisschen wie die letzte Szene eines Volkstheaterstücks, bei dem nochmal alle Akteure einen gemeinsamen, vergnüglichen Schlussmoment spielen, bevor der Vorhang fällt. Hier hätte dem Ganzen etwas mehr Drive gut getan, vielleicht noch ein kleines Handgemenge oder eine kurze Verfolgungsjagd, es hätte viele Möglichkeiten gegeben, den Film mit einem Knall enden zu lassen.

Und genau darin liegt der größte Kritikpunkt am Film. DIE TOTE AUS DER THEMSE bietet gefällige Krimi-Unterhaltung auf solidem Niveau aber auch nicht mehr. Mit dem Wegfall der klassischen Tropes und des bisherigen Stils fehlt es auch an einer gewissen Verspieltheit, am extravaganten oder besser gesagt am Alleinstellungsmerkmal. Das hier müsste kein Edgar-Wallace-Film sein, er könnte auch in Hamburg spielen und als Fernsehkrimi zur Primetime im ZDF laufen. Mit der Modernisierung ging eben auch ein wenig die eigene Identität verloren.

Als Regisseur holte man sich Harald Philipp an Bord, der bereits bei DER UNHEIMLICHE MÖNCH (1965) und DER GORILLA VON SOHO (1968) hätte Regie führen sollen, bevor er jeweils durch Harald Reinl und Alfred Vohrer ersetzt wurde. Philipp inszenierte beispielsweise für Wendlandt bereits den Karl-May-Western DER ÖLPRINZ (1965) und verantwortete zwei Jerry-Cotton-Verfilmungen. Hier leistete Philipp solide Arbeit, auch wenn seine Inszenierung etwas langatmig geraten ist. Bis auf einen netten Actionmoment, in dem Inspektor Craig den Schlachthof infiltriert und sich einem von Baxters Henchmen prügeln darf, ist das Gezeigte relativ hüftsteif. Man spürt deutlich, dass Philipp nicht in der Lage war, den nötigen Schwung in den Film zu bringen, vielleicht war es für ihn nur eine schnöde Auftragsarbeit. Optisch sieht das Ganze ordentlich aus, immerhin sorgen einige Szenen an Originalschauplätzen in London für ein gewisses Maß an Authentizität und auf Stock-Footage wird weitestgehend verzichtet.

Ein weiterer Kritikpunkt sind im Übrigen die Hauptdarsteller. Uschi Glas, die hier ihren vierten und vorletzten Auftritt in einem Edgar-Wallace-Film hat, ist keine gute Schauspielerin und kann den Anforderungen der Rolle nicht gerecht werden. Die Szenen, in denen sie dramatisch spielen muss sind sogar unfreiwillig komisch geraten. Auch Hansjörg Felmy, der zuvor bereits mehrmals in Brauners Bryan-Edgar-Wallace-Reihe auftrat, gibt einen ziemlich blassen Ermittler, der so gut wie keine Kante zeigt und eine Fuchsberger oder einem Drache, ja selbst einem Harald Leipnitz nicht das Wasser reichen kann. Dieses farblose Gespann mildert den Gesamteindruck, auch wenn die übrige Besetzung zu gefallen weiß. Neue Gesichter wie Petra Schürmann, Vadim Glowna und Ivan Desny wissen ebenso zu gefallen wie die erprobten Darsteller Werner Peters, der am Tag der Uraufführung an einem Herzinfarkt starb, Friedrich Schoenfelder und Günther Stoll. Einen kleinen Auftritt hat hier übrigens Ingrid Steeger, die natürlich ihre zwei schlagfertigsten Argumente, nämlich ihre Oberweite, in die Kamera hält, was neben den kleinen Gewaltspitzen ein Zugeständnis an das modernde Publikum war. Über allem steht natürlich Siegfried Schürenberg in seiner Paraderolle als Sir John, der nach insgesamt 15 Auftritten in der Rialto-Reihe seinen Hut nahm. Schürenberg gehört mit seiner überzeichneten Darstellung des Scotland-Yard-Chefs zu den absoluten Highlights der gesamten Serie. Auch hier wertet er den Film nochmal ein Stück weit auf.

Das tut übrigens auch die Musik, die hier letztmalig von Peter Thomas komponiert wurde und nach insgesamt 18 Arbeiten ebenfalls seinen Dienst quittierte. Thomas‘ Titelthema gehört übrigens zu seinen besten Werken innerhalb der Reihe.

Die Dreharbeiten fanden vom 11. Januar bis zum 14. Februar 1971 statt. Wie es in den 1970er Jahren üblich war, verzichtete man auf Aufnahmen in klassischen Ateliers, was auch den Effekt einer Kostenminimierung hatte. Stattdessen drehte man in echten Berliner Wohnungen und anderen gemieteten Räumen, das Büro der Rialto-Film diente derweil als Location für die Szenen bei Scotland Yard. Weitere Drehorte waten u.a. der Neue Zwölf-Apostel-Kirchhof, das Hotel Palace und der Schlachthof in Spandau. Im Februar 71′ ging es dann nochmal nach London und man drehte u.a. am Piccadilly Circus. Die Uraufführung fand schließlich am 30. März in Mainz statt. Die FSK vergab damals die Freigabe ab 16 Jahren, im Jahr 1991 wurde der Film auf eine Freigabe ab 12 Jahren heruntergestuft. Auch wenn die spätere DVD-Neuauflage das 16er-Siegel trägt, der Hauptfilm ist weiterhin niedriger eingestuft.

Die Kritiken fielen seinerzeit gemischt aus, mit rund 1,4 Millionen Zuschauern erwies sich DIE TOTE AUS DER THEMSE als solider Erfolg, was Wendlandt dazu veranlasste, die Wallace-Produktion weiter zu verfolgen, wenn auch unter Mithilfe aus Italien, was den eingefleischten Fans der ersten Stunde wesentlich weniger schmecken sollte aber dazu mehr in der nächsten Ausgabe.

Fazit:

Mit DIE TOTE AUS DER THEMSE (1971) schaffte Edgar Wallace den Sprung in die 1970er Jahre. Eine solide, gefällige Krimigeschichte, die alle nötigen Zutaten enthält, sorgt für ordentliche Unterhaltung, allerdings lässt die Inszenierung doch ein wenig Schwung und Spaß vermissen, zumal auch die Hauptdarsteller fehl am Platz wirken. Mit einem Alfred Vohrer auf dem Regiestuhl und anderen Schauspielern hätte das hier ein wirklich guter Wallace-Reißer werden können. Am Ende bleibt aber ein durchschnittlicher Film, der sich im Mittelfeld der Serie einreiht.

3 von 5 Uschis in der Kühlkammer

Mangels Verfügbarkeit gibt es hier den Trailer lediglich in der englischen Sprachfassung:

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