Im Nachtclub Misty spielt die Band Smooth Operator, eine Jazz-Lady groovt den Song. Ein Killer sitzt im Publikum, ein kleines Mädchen ebenso. Sie schaut ihm dabei zu, wie er einen Kranich aus einem Stück Papier faltet, seine Finger sind tätowiert. Er blickt zu ihr, legt den Kranich vor sich auf den Tisch und macht einen seltsam-kindlichen Scherz, was die Kleine zum Lachen bringen wird. Der Killer steht auf, begibt sich in die Hinterzimmer des Nachtclubs, und macht seinen Job. Es kommt zum harten Shoot-Out auf engem Raum, wortlose, detaillierte Action, und am Ende liegt ein Kranich im Flur. Die ersten 5 Minuten des Films sind Asia-Actionkino vom Feinsten, hier inhaliert das koreanische Kino die alten Klassiker des HK-Actionkinos, frisch gemischt mit den eigenen Blockbustern dieses Genres. Der Anfang des Films ist souverän, stylish und hart, lässig dazu. A Bittersweet Life flirrt in der Luft, John Woo und Johnny To außerdem. Aber hält der Film die Qualität des Anfangs durch? NAMELESS MEDIA brachte den Actionfilm nun für den heimischen Markt heraus.

Regie: Lee Jeong-beom

Darsteller: Jang Dong-gun, Kim Min-hee, Brian Tee, Jun Kim, Jeon Bae-soo, Anthony Dilio, Alexander Wraith, Rich Ting

Artikel von Kai Kinnert

Ausgesetzt im unbekannten Amerika, lebt Gon als kaltblütiger Killer. Als er ein Ziel ausschaltet, begeht er einen schrecklichen Fehler und beginnt, sein Leben zu bereuen. Als er seinen letzten Auftrag erhält, wendet sich das Blatt und der Jäger wird zum Gejagten. Mogyeong kümmert sich um ihre senile Mutter, die ihren Mann und ihre Tochter verloren hat. Jeder Tag ist für sie ein verzweifelter Tag. Sie ist abhängig von Alkohol und Tabletten und merkt nicht, dass sie in eine viel größere Verschwörung verwickelt ist, bis ein Mann zu ihr kommt, der behauptet, die Wahrheit über den Tod ihrer Tochter zu kennen. Ein Mann, der nichts zu verlieren hat, und eine Frau, die alles verloren hat, treffen am Rande des Zusammenbruchs aufeinander.

Gon geht’s nicht gut. Es sollte sein letzter Job sein, doch die Sache ging schief. Vom schlechten Gewissen zerfressen, liegt der Killer in seiner Kotze im Bett und wird von seinen Gangster-Kollegen geweckt. Ein McGuffin, hier eine Datei mit den Bankdaten eines Kartells, soll sichergestellt werden. Die Datei könnte bei drei Leuten gelandet sein und der Killer Gon soll sich nun an die Frau heften, deren Mann in die Kartell-Geschäfte verwickelt war. Es wird emotional kein leichter Job werden und Gon gegen die eigenen Kollegen aufbringen. Doch nach der actionreichen Eröffnung schaltet der Film einen Gang zurück und widmet sich erst einmal der Frau, die aus ihrem Leben geworfen wurde, in eine Verschwörung geraten und Teil einer polizeilichen Ermittlung geworden ist.

Der in den USA lebende Gon muss nun nach Seoul und dort Kontakt mit den Handlangern seines Chefs aufnehmen, um sich so zu bewaffnen und an die Ehefrau heften zu können. Weitere Hitmen kommen dazu, um die beiden anderen Personen, die die Datei empfangen haben könnten, in die Mangel zu nehmen. Keiner wird´s überleben, soviel sei hier schon mal gesagt, wobei in einer Szene ein IVECO-Truck eine besondere Rolle spielen wird.

Der Film entwickelt sich eine gute Stunde lang zu einem Thriller/Crime-Drama und hält dabei die Action dezent im Hintergrund. Es gibt zwar hier und da einen deftigeren Moment, aber die große Action, wie sie der Anfang versprach, kehrt noch nicht zurück. Stattdessen gibt es mit Jang Dong-gun einen tollen Hauptdarsteller, dem die Mir-Ist-Jetzt-Alles-Egal Gebrochenheit blass und schwitzig ins Gesicht gehämmert ist. Der Typ hat nichts zu verlieren und kommt gefährlich rüber, außerdem besitzt er die HK-typische Nehmerqualität was Schuss- und Stichwunden angeht. Flankiert wird Jang Dong-gun von einem, wie so oft in koreanischen Filmen, hervorragend aufspielenden Ensemble, einer guten Kameraführung und einer verhaltenen Filmmusik, die sich wenig extrovertiert auf das Geschehen legt. Und kurz bevor man sich als Zuschauer wundert, warum sich der Film nach der fulminanten Eröffnung im Actionsegment so weiträumig zurückhält, kommt das letzte Drittel.

Nach ca. 70 Minuten beginnt die Katharsis der Story und entlädt sich erst einmal in einer 10minütigen Actionsequenz, die mit einem fiesen Messerkampf beginnt und in harte Shoot-Outs übergeht, nur um dann einen neuen Bogen für die nächsten 30 Minuten zu finden, der schlichtweg eine gekonnte, koreanische Variante des HK-Kinos der späten 1980er ist. Jang Dong-gun ist Chow Yun Fat. Wenn Gon sich in kugelsicherer Weste und mit schwerer Schrotflinte den Sniper- und Maschinenpistolen-Attacken vom gegenüberliegenden Haus erwehren muss, erinnert das im Look und Handling frappierend an Hard Boiled. Regisseur Lee Jeong-beom (The Man from Nowhere, 2010) greift seine filmische Eröffnung wieder auf und formt die letzten 40 Minuten des Films zu einem wohltemperierten Actionthrill-Finale mit deftigen Härten, guten Fights und der richtigen Portion Tragic Bloodshed Hero. Man fühlt sich hier irgendwie in die letzten Tage des alten HK-Kino zurückversetzt, damals, als sich das HK Kino noch einmal aufbäumte, bevor es für einige Zeit in einen glattgeschliffenen Dämmerschlaf verfiel und nur noch vereinzelnd für Furore sorgen konnte.

No Tears for the Dead macht den Sack mit seinem langen Finale zu. Nach der knackigen Eröffnung begibt sich der Film in eine andere Storyline und baut so in Ruhe die Arena für den blutigen Kehrbesen der Rache auf. Jang Dong-gun als Gon ist der fiese Terrier des Todes, ein fiebriger Typ, mit dem nicht gut Kirschen essen ist. Seine Kollegen bekommen das gründlich zu spüren. An blutigen Härten hat der Film einiges zu bieten, da schießt man auch schon mal durch den Kopf von Leuten, um andere umzulegen. Die Action hat es in sich und im Finale gibt sich der Streifen als stimmige Hommage an das asiatische Actionkino. Nur die Zeitlupen fehlen. No Tears for the Dead ist toughes Kino aus Korea. Das hat Spaß gemacht.

Zur Sichtung des Films lag nur ein Pressestream vor, zur finalen Bild- und Tonqualität lässt sich nichts sagen.

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