Beim Stöbern durch das Programm von TIBERIUS FILM muss man schon genau hinschauen, um zwischen allden günstig eingekauften B-Filmchen etwas zu finden, was hervorsticht. Klar, Horrorclown Terrifier schlachtet hierzulande im Auftrag des Verleihs mit dem Konterfei des römischen Kaisers, doch es gibt noch mehr zu entdecken. So wie dieser kleine, deutsch-österreicherische Kunsthorrorfilm, auf den mich die ART OF HORROR-Redaktion aufmerksam machte (und zu dem ich dort in Kürze auch meinen Senf geben werde Ausgabe 12, ab 16.12. im Handel erhältlich). Doch auch die Medienhurenleser sollen nicht zu kurz kommen, daher könnt Ihr auch hier eine abgewandelte Form dieser Rezension lesen.

Originaltitel: Dawn Breaks Behind the Eyes

Regie: Kevin Kopacka

Darsteller: Luisa Taraz, Frederik von Lüttichau, Anna Platen, Jeff Wilbusch

Artikel von Christian Jürs

Hinter den Augen die Dämmerung startet mit altmodischen Credits, die aus den Sechziger- oder Siebzigerjahren stammen könnten. Wir sehen ein Auto, welches durch die abendlichen Straßen ans Set fährt – eine Methode, die ebenfalls aus der damaligen Zeit stammt und kostengünstig Füllmaterial bot. Im Fahrzeug sitzt ein Ehepaar und spricht erstaunlicherweise kein neumodisches Synchrondeutsch. Nein, tatsächlich handelt es sich hier um einen deutschen Film, den ein Regisseur aus Österreich gedreht hat.

Im Auto unterhalten sich während des Vorspanns die Eheleute. Er, Dieter Menliff (Frederik von Lüttichau) ist von der Gattung unsympathisches Arschloch, das merkt auch der unaufmerksamste Zuschauer sofort. Seine Frau Margot (Luisa Taraz) ist eher von der stillen Sorte und kommt mit ihren zum Zopf gebundenen Haaren eher streng daher. Kein Wunder, scheint sie in ihrem Eheleben doch gefangen zu sein. Das Haus, welches die beiden ansteuern, hat Margot geerbt und wir merken schnell, als beide das Anwesen betreten, dass es eine Faszination auf die traurige Frau ausübt. Ihr Mann hingegen überlegt lautstark, wie man wohl das alte Gemäuer möglichst schnell gewinnbringend unter die Leute bringen könnte.

Margot aber will gar nicht verkaufen, sie fühlt sich wohl im neuen Eigenheim und möchte dort am liebsten für immer bleiben, was zu völligem Unverständnis bei Sonnenscheinchen Dieter führt. Als dieser den Keller inspiziert, entdeckt er, neben einer alten Peitsche, gar Unheimliches, was ihn dazu bewegt, nun noch schneller wieder das Anwesen verlassen zu wollen. Doch in der Panik verliert er die Autoschlüssel. Da ihn keine zehn Pferde mehr in dieser Nacht nochmal in das Kellergeschoss bringen würden, beschließt auch er, in dem unheimlichen Geböude zu übernachten. Vielleicht sieht die Welt am nächsten Tag ja anders aus. Das tut sie auch, denn am nächsten Tag wird alles nur noch schlimmer.

Soviel zu den ersten Minuten von Hinter den Augen die Dämmerung, die entfernt an die Werke Mario Bavas und ähnliche, gothische Horrorregisseure erinnern. Doch dieser Anfang des gerade einmal 73 Minuten kurzen Spielfilms, der übrigens als „Prolog“ eingeleitet wird, lockt uns auf eine gänzlich falsche Fährte. Dabei fällt auf, dass das Spiel von Frederik von Lüttichau künstlich, ja, theaterhaft wirkt, während Luisa Taraz als unterdrückte Schönheit absolut überzeugt. Ursprünglich wollte ich sein Spiel kritisieren, doch dieses hat Gründe und bessert sich schlagartig nach besagtem Prolog, der übrigens in einer ziemlich derben Splatterszene mündet.

Die inhaltliche, wie auch stylistische Drehung, die dann auf den Zuschauer hereinbricht, sei hier nicht gespoilert. Für mich kam die Wendung sowohl überraschend als auch äußerst gelungen daher. Nach atmosphärischem Eurohorror-Einstieg wird der Film zu einem äußerst bedeutsamen und tiefgründigen, teils tripartigen Albtraum, der allerdings, davon gehe ich stark aus, nicht jedem gefallen wird.

Gedreht wurde Hinter den Augen die Dämmerung in nur drei Wochen im Herrenhaus Vogelsang in Mecklenburg-Vorpommern, einer traumhaften Kulisse, die die gruselige Atmosphäre unterstützt. Regisseur Kevin Kopacka entpuppt sich als interessanter Filmemacher, von dem wir bestimmt noch einiges zu sehen bekommen werden. Der Cast, den er um sich versammelt, ist zwar weitestgehend unbekannt, dafür aber umso talentierter. Ein kleines Zeugnis dafür, dass auch hierzulande gute Genreware produziert werden kann.

Tiberius Film hat dies erkannt und spendiert dem Film neben den normalen physischen Veröffentlichungen auch eine Mediabookvariante. Mir lag zur Sichtung ein Streaminglink vor, weswegen ich nicht näher auf die physischen Veröffentlichungen eingehen kann. Als Bonusmaterial soll aber folgendes vorhanden sein: ein Making Of, eine Deleted Scene, diverse Featurettes, ein Fake Trailer, ein Audiokommentar von Kevin Korpacka & Lily Villányi in englischer Sprache, sowie Interviews mit Anna Platen, Jeff Willbusch und Lily Villányi.

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