Chow Yun-Fat schrieb selbst am Drehbuch mit. Es sollte seine Abschiedsvorstellung an das heimische Kinopublikum werden und er hatte genaue Vorstellungen darüber, wie er sich verabschieden wollte: mit einem Rundumschlag durch die Genres seiner Karriere. Yun-Fat drehte nach Peace Hotel in Hollywood und sein Abschiedsgeschenk erweist sich heute als ein kleines Meisterwerk des gut formierten HK-Kinos, das nicht billig daherkommt und ein Top-Act vor und hinter der Kamera ist, herzschmerzigen HK-Popsong inklusive. John Woo half bei der Produktion des Films mit und die Regie ging an Wai Ka Fai, der hier sein Debüt hinlegte und ein Glücksgriff ist. Der Streifen ist bestens inszeniert worden, das ist Festivalkino. Kein Wunder, dass Wai Ka Fai alsbald einen dauerhaften Job an Johnny Tos Seite hatte. CARGO RECORDS und TG VISION GATE brachten den HK-Klassiker nun als limitiertes Mediabook heraus.

Alter deutscher Titel: Never Die

Originaltitel: Wo ping fan dim

Regie: Wai Ka Fai

Darsteller: Chow Yun-Fat, Cecilla Yip, Ho Chin, Shun Lau, Annabelle Lau, Joe Cheung, Lawrence Ng, Andy Tse

Artikel von Kai Kinnert

David (Chow Yun-Fat), der Boss einer Gangsterbande, hatte vom Töten genug, schlug sein Schwert in einen Stein und nannte sein Haus fortan ‚Peace Hotel‘. Von da an galt das ungeschriebene Gesetz, dass dort jeder Zuflucht und Schutz finden kann, der will, jedoch ohne dabei Hilfe für den weiteren Fluchtweg zu bekommen. Als eines Tages der ‚Pate‘ (Joe Cheng) mit seiner Bande das Hotel umstellt, um die Gaunerin Kim (Cecille Yip) herauszuholen, die für den Tod seines Bruders verantwortlich ist, setzt David alles daran, dies zu verhindern. Mit aller List gelingt es Kim aber, David zu veranlassen, ihr doch eine Flucht zu ermöglichen und so mit seinen Prinzipien zu brechen.Viel zu spät erkennt David, dass dies alles zu einem Plan gehört, der das ‚Peace Hotel‘ zerstören soll. David wird wieder zu dem, der er immer war: Ein Killer, der vor nichts zurückschreckt.

Hey! Chow Yun-Fat kann Pferde mit einem einzigen Blick zum Scheuen bringen! Sie spüren die Gefahr, die von ihm ausgeht, noch bevor die Gangster seinen Ärger überhaupt registrieren. Als Yun-Fat im Finale vor die berittenen Gangster tritt, spüren die Pferde die Legende um den Rächer David und werden sehr nervös. Chow Yun-Fat hat sich mit Sicherheit Erbarmungslos (1992) angesehen, bevor er sich ans Drehbuch machte. Es scheuen zwar nicht die Pferde vor Clint Eastwood, aber gewisse Parallelen gibt es schon. David ist als Killer bekannt und hat genug vom Töten; er wählt ein friedvolles Leben. Er schlägt nach seinem Rachefeldzug seine Waffe, ein Schwert, in einen Stein und gründet das Peace Hotel. Doch Kim (Cecilla Yip) wird ihn zurück ins Geschäft führen.

Eine Farbgebung mit vielen gedeckten Tönen, herbstlich eben, rahmt die Story. Ein Held am Ende seiner Karriere. Der Film wirkt wie ein Western. Wai Ka Fai nimmt das Filmbild ernst und gewährt seinem Kameramann Wong Wing Hang (A Better Tomorrow, The Killer, Hard Boiled) freie Hand. Und der liefert nahezu perfekt ab. Hier ist jede Einstellung aufwändig und detailliert eingerichtet; Ausstattung, Licht und Farben sind passend abgestimmt, hier wurde mit Einfallsreichtum gefilmt. Besonders schön ist später die drehende Kamera von oben auf Chow Yun-Fat, das Bild dreht sich elegant, das sieht gut aus, die Bildgestaltung in Peace Hotel ist rund. Dazu macht Chow Yun-Fat eine gute Figur und zeigt, dass er Talent hat. Die Inszenierung ist zwar an einigen Stellen in typischer HK-Manier zugespitzt, entgleitet aber nicht. Wai Ka Fai hat den Auftrag des Films voll im Blick und hält das Drehbuch souverän zusammen. Der Film ist in sich geschlossen. So ist Peace Hotel auch kein reiner Actionfilm, die Action ist sekundär und oft nur angedeutet, auch wenn sie sich im Finale episch entlädt. Im Vordergrund stehen die Bewohner des Hotels und Cecille Yip, die sich mit einer wilden Herzschmerzgeschichte den Zutritt zum Hotel ergaunert und in ein Hin und Her mit Chow Yun-Fat gerät. Zwischen ihnen entsteht eine tragische Liebesgeschichte.

Dabei unterhalten die launigen Bewohner des Hotels, die Szenen sind gut inszeniert worden. Mag es in dem Film auch nur wenig blutige Momente geben, überzeugt hier jederzeit die Sorgfalt des Bildes und eine gute Besetzung. So manche Einstellung mit Cecille Yip, umringt und verfolgt von den übrigen Bewohnern des Hotels, wirkt ausgewogen wie ein Gemälde. Wenn Yip am Tisch sitzt und ihre Geschichte erzählt, lauschen ihr gebannt die Bewohner des Hotels, umringen sie und erinnern so, in Bildgestaltung und Farbgebung, an das berühmte Gemälde vom Abendmahl.   

Kein Wunder, John Woo hatte ja auch seine Finger mit im Spiel. Christliche Symbolik gab es immer wieder bei Woo, so auch hier. Die Szenen mit Cecille Yip sind charmant überdreht, eben typisch HK-Style und doch liebevoll umgesetzt. Zwar wird Kim von den Bewohnern auch mal brutal zusammengetreten, aber so ist das eben im HK-Kino. Dafür gehört ihr dann auch der Moment mit dem Popsong, der einem ins Ohr geht und von Cass Phang gesungen wurde. Im letzten Drittel formiert sich der Film stark in Richtung „Italo-Western“, was super funktioniert und Peace Hotel gutsteht. Ausstattung und Farben geben den passenden Rahmen, die Kameraführung ist facettenreich und tief gestaffelt. Das Finale gehört Chow Yun-Fat, der gegen die gesamte Bande antreten muss.

Vor dem Hotel reißt David sein Schwert aus dem Stein und stürmt vor. Er liefert sich zwischen Pferden, im staubigen Wind und mit vielen Gegnern, einen epischen Kampf, der in einem langen Schwertkampf mit Joe Cheng mündet, den einige vielleicht noch aus Stephen Chows grandiosem Klassiker Love On Delivery kennen. Dabei findet die Inszenierung eine Klammer zum Anfang des Films; damals, als David auf gnadenlosem Rachefeldzug war.

Für die vorliegende Exportfassung wurde der Film um eine weitere Szene erweitert, die vor das eigentliche Finale geschnitten wurde. Chow Yun-Fat greift im Hotel zur Maschinenpistole und mäht sich, mit endlos Munition, durch die Reihen der Gangster. Das geschieht meist unblutig, wurde dafür aber actionreich und sauber inszeniert. Die Action in Peace Hotel lebt von der dynamischen Kamera und dem Schnitt, ist durchdacht und bietet dabei so manchen krachenden Moment. Das Finale zwischen Chow Yun-Fat und Joe Cheng ist knackig.

Peace Hotel ist rundes, schön inszeniertes und gut ausgestattetes HK-Kino mit einem bestens aufgelegten Chow Yun-Fat. Drama und Komödie plus Schwertkampf meets Italo Western. Die Symbiose funktioniert, das ist gutes HK-Kino.

Das Bild der Blu-ray ist gut und sauber, der Ton ebenso. Ich habe mir den Film im Original mit deutschen Untertiteln angesehen, die gut lesbar waren. Als Extras gibt es eine Alternative Szene und den Trailer zum Film. Dazu ein 16seitiges Booklet von Christoph N. Kellerbach.

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