Jeder muss für seine Entscheidungen und Handlungen die Konsequenzen tragen„. Was zwar durchaus als leere Phrasendrescherei zu verstehen ist, ist zugleich auch die Botschaft des Horrorfilms THE PRICE WE PAY (2022), dem neuesten Werk des japanischen Filmemachers Ryūhei Kitamura, in dem drei ruchlose Gangster mitsamt Opfer schnurstracks in ein blutiges Szenario stolpern, das nicht von ungefähr an Tobe Hoopers legendären Meilenstein THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE (1974) erinnert. Tiberius Film legte die Schlachtplatte der FSK vor und musste eine Niederlage einstecken und den Gang zur SPIO antreten, die mit „keine schwere Jugendgefährdung“ urteilten. Somit erscheint der Schocker mit u.a. Emile Hirsch, Stephen Dorff und COMMANDO-Baddie Vernon Wells demnächst trotzdem ungeschnitten in digitaler Form und in absehbarer Zukunft auch auf Scheibe. Ob sich Kitamuras Backroad-Slasher auch lohnt, verraten wir euch in unserer Kritik.

Originaltitel: The Price We Pay

Drehbuch: Christopher Jolley, Ryūhei Kitamura

Regie: Ryūhei Kitamura

Darsteller: Gigi Zumbado, Emile Hirsch, Stephen Dorff, Tyler Sanders, Vernon Wells, Tanner Zagarino, Erika Ervin…

Artikel von Christopher Feldmann

Ryūhei Kitamura ist kein unbekannter unter Genrefans. Der japanische Regisseur, Drehbuchautor und Produzent machte erstmals mit dem Low-Budget-Fantasy-Splatterfilm VERSUS (2000) auf sich aufmerksam, der mittlerweile absoluten Kultstatus genießt. Nach der Manga-Adaption SKY HIGH (2003) und dem Jubiläums-Echsenblockbuster GODZILLA: FINAL WARS (2004) zog es Kitamura über den großen Teich nach Hollywood und inszenierte den Horrorfilm THE MIDNIGHT MEAT TRAIN (2008), der auf einer Novelle von Clive Barker basiert und damit eine der besten Barker-Verfilmungen überhaupt ablieferte. Dennoch blieb ihm der Aufstieg in die gehobenen Kreise des Horrorkinos verwehrt, konnten doch weder NO ONE LIVES (2012), DOWNRANGE (2017) oder THE DOORMAN (2020) überzeugen. Nun gibt es Nachschlag aus dem Hause Kitamura. THE PRICE WE PAY (2022) feierte beim letzten Fantasy Film Fest Premiere und bedient sich bei Elementen bekannter Genreklassiker, die hier ausgiebig zitiert werden. Das sorgt allerdings auch dafür, dass es dem Backroad-Slasher zu keinem Zeitpunkt gelingt, eigene Akzente zu setzen.

Handlung:

Die brutalen Gangster Alex (Emile Hirsch) und Cody (Stephen Dorff) überfallen ein Pfandhaus, doch die Aktion eskaliert. Auf ihrer Flucht nehmen sie die junge Grace (Gigi Zumbado) als Geisel. Nach einer Autopanne verschanzen sie sich in einem abgelegenen und weitläufigen Bauernhaus. Doch sehr bald müssen die Kriminellen erkennen: Sie haben sich den falschen Zufluchtsort ausgesucht. Die Polizei ist bald ihr geringstes Problem…

Immer wenn einmal im Monat der Veröffentlichungskalender von Tiberius Film eintrudelt, inklusive Ansichtslinks zu den kommenden Titeln, scrolle ich recht zögerlich durch die Liste, handelt es sich bei diesen doch oft um Low-Budget-Filme, die nur selten mein Interesse wecken. Dies änderte sich zuletzt, als mir plötzlich THE PRICE WE PAY ins Auge stach, der neue Film von Ryūhei Kitamura , der ja wie bereits erwähnt Highlights wie THE MIDNIGHT MEAT TRAIN (2008) und VERSUS (2000) inszenierte. Auch die Tatsache, dass die FSK dem Streifen die Freigabe verweigerte und Tiberius Film aus Zeitgründen nicht in Berufung ging, sondern gleich zur SPIO marschierte, ließ den inneren Gore-Bauern in mir dann doch etwas frohlocken. Wird schon schief gehen, dachte ich mir.

Um den Elefanten im Raum schon zu beginn anzusprechen, ja, THE PRICE WE PAY ist saftig geraten und Kitamura lässt das Blut ordentlich spritzen. Köpfe werden zerschmettert und auch gerne mal durch eine Seilwinde mit Stacheldraht zu Brei verarbeitet, Körper durch Säure zersetzt und Augen aus ihren Höhlen entfernt. Der Horrorfilm geht durchaus ans Eingemachte, auch wenn man der Entscheidung der FSK in dieser Hinsicht gerne skeptisch gegenüberstehen darf. Gemessen an Brutalitäten, die heutzutage mit einer Freigabe ab 16 Jahren durchgewunken werden, hätte man Kitamuras Streifen durchaus das rote Siegel geben können. Die gezeigten Härten sind zwar mitnichten etwas für Zartbesaitete aber im Film ist auch nichts zu sehen, was derartig grenzüberschreitend wäre, als dass man ihm die Freigabe verweigern müsste. Besonders lobenswert sind dennoch die Effekte, denn zu meiner Freude setzte man in der Produktion größtenteils auf handgemachtes Gematsche, was immer einen Pluspunkt wert ist.

Abseits dieser Tugend ist THE PRICE WE PAY allerdings ein wenig enttäuschend geraten, denn für einen Horrorfilm eines durchaus versierten Regisseurs, ist das Ganze doch ziemlich einfallslos und flach geraten. Natürlich ist niemand dazu gezwungen, das Rad fortlaufend neu zu erfinden, irgendeinen Mehrwert hätte es bei derart angestaubten Story-Bausteinen aber dann doch gerne sein dürfen.

Kitamura bedient sich nämlich ausgiebig bei anderen Genreklassikern. Die Dynamik zwischen den Figuren erinnert stark an FROM DUSK TILL DAWN (1996), müssen doch auch hier Gangster mitsamt zufälliger Geisel ab einem gewissen Punkt durch die Hölle gehen. Ein Raubüberfall geht mächtig schief und was als Roadmovie beginnt, mündet nach der Hälfte in einer Mischung aus THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE (1974) und Torture-Porn alá HOSTEL (2005). Dass das einsam gelegene Bauernhaus, das sich unsere Protagonisten für die kurze Rast und die Versorgung eines verletzten Komplizen ausgesucht haben, kein einfaches Domizil zum Durchatmen ist, dürfte dem Zuschauer sofort klar sein. Spätestens wenn der Hausherr mit seinem Truck vorfährt ist es vorbei mit der Beschaulichkeit und unsere (Anti-)Helden finden sich auf dem OP-Tisch wieder. Warum, weshalb und wieso Menschen in ihre Einzelteile zerlegt und schließlich im Säurebad landen, ist genauso egal wie der Titel des Films, schlussendlich geht es um die Shock-Values, mit denen Kitamura auch nicht lange hinter dem Berg hält. Mehr hat der Film dann aber auch nicht zu bieten, denn wer die ganze Zeit auf einen Twist oder eine weitere Ebene wartet, guckt doof aus der Wäsche, denn THE PRICE WE PAY bleibt genauso generisch und vorhersehbar wie die Inhaltsangabe vermuten lässt, selbst um einen Leatherface-Verschnitt ist der Regisseur nicht verlegen.

Inszenatorsisch sieht das Ganze am Ende dann doch relativ günstig aus, auch wenn Kitamura das ein oder andere optische Schmankerl, wie zum Beispiel eine Szene, die fast ausschließlich durch das Flackern eines elektrischen Viehtreibers erleuchtet wird, zu bieten hat. Auch der digitale Look stört nicht besonders, schafft es der Regisseur doch durchaus die knackigen 85 Minuten wertig aussehen zu lassen. Etwas schmal sind die einzelnen Charaktere. Emile Hirsch spielt den Vollblut-Psychopathen, Stephen Dorff den skrupellosen Gangster, der sich dann irgendwann doch zu einer Art von positiver Figur entwickelt, doch das Skript holt rein gar nichts aus dieser Dynamik heraus. Auch das Zusammenspiel mit der weiblichen Geisel, gespielt von Gigi Zumbado, verläuft ab einem gewissen Punkt ins Nichts. Diese Konstellation erinnert ebenfalls stark an das legendäre Gemeinschaftsprojekt von Quentin Tarantino und Robert Rodriguez, allerdings gelang ihnen dieses Element wesentlich geschickter. in THE PRICE WE PAY wirkt es wie ein müder Abklatsch. Auch Vernon Wells, der Gegenspieler von Arnold Schwarzenegger in COMMANDO (1985), hat als Hobby-Chirurg wenig Profil und zeichnet sich eher durch belangloses Gewäsch über das menschliche Handeln und die damit verbundenen Konsequenzen aus.

Zur Sichtung des Films lag uns ein Screener vor. Bild- und Tonqualität sind einwandfrei, lediglich die deutsche Synchronisation ist nur so mittelgut gelungen.

Fazit:

Der neueste Film von Ryūhei Kitamura ist auch dieses Mal kein allzu großer Wurf. THE PRICE WE PAY (2022), bedient sich ausnahmslos bei bekannten Elementen, ohne irgendeine nennenswerte Neuerung hinzuzufügen. So bleiben 85 Minuten altbewährtes Backroad-Horrorkino nach Schema F, dass lediglich durch seine knackige Laufzeit und seine Gore-Effekte punkten kann. Fans von anspruchslosem Gekröse werden hier eine durchaus nette Zeit haben, alle anderen vermutlich mit der Schulter zucken.

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